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Es ranken sich um den heute so viel genutzten Begriff "Narzissmus" zwar so einige Mythen, doch um nach dem vorliegenden Buch "Mehr Schein als Sein?" zu urteilen, gehe er auf eine bekannte Story alter Tage zurück, in die antike Zeit, wo ein gewisser Narkissos (Narziss) als Sohn einer Nymphe namens Leiriope fungiert hätte. Zu diesen zwei Gestalten geselle sich dann noch ein "Flussgott Kephissos" hinzu, der angeblich Leiriope sexuell missbraucht haben soll, woraus "Narkissos" entstand. Die Geschichte von "Narziss und Echo" geht natürlich noch weiter mit diversen Details, das wichtigste dürfte aber mit sein, dass der aus dem Missbrauch entstandene Narkissos eines Tages sich selbst im Wasser spiegeln sah, worauf er als kaltes, gefühlloses Wesen die Selbstliebe entdeckt habe und dann wohl komplett abdrehte. In die heutigen Tage übersetzt könnte die Geschichte u.a. bedeuten, dass Figuren stundenlang im Badezimmer vorm Spiegel stehen oder hocken, um den äußeren Schein der Welt mitzuteilen, entsprechend unter Ausklammerung der ggf. dunklen, zerfressenen Innenwelt, die stets verborgen werden muss. Bekanntlich soll z.B. auch Adolf Hitler vorm Spiegel ständig herumgestanden haben, zum Einstudieren irgendwelcher clownhaften aber zeitgeistig überzeugend wirkenden Reden, woraufhin sich dann die dirigierte Horde jeweils in Bewegung setzte.
Bei Hitler kamen sicherlich aber noch diverse andere Problematiken hinzu, er sei in jungen Jahren etwa im familiären Umfeld körperlich/psychisch misshandelt worden und auch von einer Lost-Vergiftung war die Rede. Sich herausgebildete Dachschäden gepaart mit narzisstischem Allerlei ergaben dann das, dem Millionen Deutsche narzisstisch zujubelten und sich je nach Vorplanung, auf mal mehr, mal weniger intensive Weise, an der jeweiligen Front verheizen ließen. Ältere Herrscher hätten hier zur messianischen Orakel-Erfüllung, zumindest unter ihresgleichen rein privat gehalten, auch von einem großen Blutbad gesprochen, aus dessen blutgetränktem Boden heraus dann neues Leben sprießen würde. Aber wollen wir hier nun nicht allzu sehr abdriften und blicken lieber auf einen Fall, der im Buch zwar nicht in den Zusammenhang mit Adolf Hitler und anderen alten Freaks gebracht wird, sondern eher mit einem viel beweihräucherten neumodisch, aber dennoch klassisch wirkenden Businessmann, der, bei eröffneter Gelegenheit, sicherlich aber auch Stalin, Hitler oder Mao hätte mimen können. Jene Figur besaß eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz und auch sein wirtschaftliches Talent hätte ihn beflügelt.
Doch der in "besten Kreisen" verkehrende Businessmann mit "ständig steigendem Einkommen" soll innerlich stark narzisstisch zerfressen gewesen sein. Man sah ihn dem Buch zufolge angeblich nie "ohne eine bemerkenswert" schönen "Frau an seiner Seite", und schon zu seinen Zeiten an der Universität wurde er als Jäger von "Trophäenfrauen" gefeiert. Es ginge ihm daher nicht wirklich um irgendwelche aufgetakelten Frauen, sondern nur um sich selbst, mit diesen, meist vor einem Spiegel lang verharrenden weiblichen Gestalten, wollte er sich sozusagen nur schmücken. Aus verschiedenen später eingegangenen Ehen entstanden durch den Businessmann auch Kinder, die entsprechend behandelt wurden. Zum Erliegen kam das "glamouröse High-Speed-Leben" erst dann, als der seit jeher über sich hinaussteigende Businessmann an Krebs erkrankte, worauf er sich das Leben nahm. Und selbst im Abschiedsbrief hieß es noch, dass der von ihm gewählte Freitod eine grandiose Tat sei, denn er werde dem Krebs nicht erlauben, "aus mir ein jämmerliches Häufchen Elend zu machen". Diese psychologische Grundstimmung wird möglicherweise mehrdeutig zu sehen auch in politischen Kreisen dem Krebsgeschwür gleich wie folgt ausgedrückt: "Alle denken sie nur an sich, nur ich selber denke an mich".
Im Kapitel "Politische Macht und Narzissmus" geht man hier ein wenig näher darauf ein, so wie der fragestellende Buchtitel deshalb auch lautet: "Mehr Schein als Sein". Ein psychologisch aufwertender Faktor, der sehr häufig kaum spezielle Beachtung findet, ist jener, der mit dem Teilsatz ausgedrückt wird: "das Blitzlichtgewitter gehört bei den politischen Topjobs zum Alltag". Damit man sich vor den Kameras auch blicken lassen kann, ist, wir erinnern uns, zuvor aber noch die Spiegelsession dran. "Das bedeutet konkret, dass politische Macht eine hohe sogenannte narzisstische Gratifikation mit sich bringt: Wenn ständig Kameras und Mikrofone auf die betreffenden Machthaber gerichtet sind, sind diese einem beständigen Strom des Interesses ausgesetzt. Alleine durch die Macht, die sie verkörpern, werden sie wichtig. Und das ist das Entscheidende: Nicht durch die Person selbst entsteht die Wichtigkeit, sondern aus der Funktion, die diese Person innehat. Das Interesse gilt primär der Rolle, nicht der Person". Aus dem Buch Höhenrausch von Jürgen Leinemann wird dann noch im Verlauf passenderweise zitiert: "Alle haben sie irgendwann einmal die Welt verändern wollen, ein bisschen wenigstens, aber die meisten geraten doch alsbald in die Versuchung, ihre Wahlämter als Plattform zur Selbstbestätigung zu benutzen, sich und anderen mit ihren Privilegien Bedeutung vorzuspielen".
Die vorgestellte Publikation "Mehr Schein als Sein?", zu den verschiedenen Spielarten des Narzissmus, behandelt natürlich neben den hier nur ein wenig angerissenen Punkten noch viele weitere und vermittelt einen verständlichen und raschen Überblick. Unter anderem geht man auch auf die "Businesshelden" und sich als solche geglaubte "Traumpaare" ein. Erschienen ist das Buch mit über 168 Seiten in der aktuell ersten Auflage im Verlag Springer Spektrum. Autor ist Bernd Sprenger, der z.B. auch Werke wie "Die Illusion der perfekten Kontrolle" veröffentlichte. Bei Interesse können Sie "Mehr Schein als Sein? - Die vielen Spielarten des Narzissmus" unter der ISBN 978-3642553066 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle beziehen:
Mehr Schein als Sein? (Sprenger 2015)
Nachfolgend werden hier nun noch diverse andere Bücher vorgestellt, die je nach Bedarf ergänzend lesbar sind. Das erste stammt aus den 1980er Jahren und trägt den Titel: "Narzißmus, Trieb und die Produktion von Subjektivität - Stationen auf der Suche nach dem verlorenen Paradies". Es kann für dieses Fachgebiet möglicherweise auch als historische Ergänzungsquelle genutzt werden, da auf Narzissmus-Konzeptionen älterer Tage eingegangen wird. So behandelt man z.B. auch den Urvater der Psychoanalyse Sigmund Freud. Im Jahre 1910 hieß es in der Veröffentlichung "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" bezgl. narzisstischer Beobachtungen, hier mit Blick speziell auf Geschlechtsmerkmale, dass Homosexuelle "meist an die Mutter" fixiert wären. Eine solch damals behauptete Fixierung würden jene "oberflächlich betrachtet - überwinden [können], in dem sie sich mit dem Weib identifizieren und sich selbst zum Sexualobjekt nehmen, das heißt vom Narzißmus ausgehend Jugendliche und der eigenen Person ähnliche Männer aufsuchen, die sie so lieben wollen, wie die Mutter sie geliebt hat". Entsprechende Ansichten werden in dem Buch jeweils auch kritisch behandelt. Eine im Verlauf ist da etwa auch die vom ungarischen Neurologen und Psychoanalytiker Sandor Ferenczi.
Er machte sich, ausgedrückt in der gelungenen Publikation "Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinnes", auf die Suche nach möglichen genetischen Vorläufern der von Sigmund Freud in der Veröffentlichung "Totem und Tabu" als narzisstisch apostrophierten "Allmacht der Gedanken". Ferenczi setzte dem Buch zufolge auf einer "ursprünglichen Stufe" an. So sei die Situation eines Embryos im Leib der Mutter derart zu sehen, dass dieser dort wie ein Parasit vor sich hin wächst. Er werde ohne eigenes Dazutun versorgt. "Aus dieser Existenz im Mutterleib resultiert für den Menschen der Eindruck, daß er tatsächlich allmächtig ist. Denn was ist Allmacht? Die Empfindung, daß man alles hat, was man will, und man nichts zu wünschen übrig hat. Die Liebesfrucht könnte aber das von sich behaupten, denn sie hat immer alles, was zur Befriedigung ihrer Triebe notwendig ist, darum hat sie auch nichts zu wünschen; sie ist bedürfnislos". Nach der Geburt dann ändere sich jedoch dieser Zustand. Es würden nun Sehnsüchte herauskommen, "in die Periode der bedingungslosen Allmacht" zurückzukehren. Beobachte man das Verhalten eines neugeborenen Kindes, "so bekommt man den Eindruck, daß es von der unsanften Störung der wunschlosen Ruhe, die es im Mutterleib genoß, durchaus nicht erbaut ist, ja, daß es in diese Situation zurückzugelangen sich sehnt".
Später geht man nach den Abhandlungen weiterer Ansichten auch auf Objekt-Theorien u.a. von Heinz Kohut ein. Zu Müttern, die als "Selbstobjekt" des Kindes versagen, heißt es: "Wenn ein Kind der bestätigenden und beifälligen Widerspiegelung seines Selbst [...durch die] Mutter beraubt ist, kann die Umformung der archaischen narzißtischen Besetzung; nicht vor sich gehen, die normalerweise dadurch gefördert wird, daß die Mutter mehr und mehr Bedingungen stellt, ehe sie Bewunderung und Beifall spendet. Die Primitivität der intensiven narzißtischen Besetzung ... bleibt daher unverändert bestehen, [und kann] nicht in die übrige psychische Organisation; integriert werden. Die archaische Grandiosität und der archaische Exhibitionismus werden vom Real-Ich abgespalten [eine vertikale Spaltung in der Psyche] und/oder durch Verdrängung von ihm abgetrennt [die horizontale Spaltung]". Es kann so sein, dass wenn ein "Kind die erforderliche [!] innere Struktur nicht [ausbildet], sondern seine Psyche ... an ein archaisches Objektbild fixiert [bleibt]; seine Persönlichkeit; später sein ganzes Leben hindurch in einer offenbar intensiven Form vo[m] Objekthunger von gewissen Objekten abhängig bleib[t]. Die Intensität der Suche nach solchen Objekten und die Abhängigkeit von ihnen erklären sich aus der Tatsache, daß in ihnen ein Ersatz für fehlende Segmente der psychischen Struktur gesucht wird. Sie werden nicht um ihrer [realen] Eigenschaften willen geliebt ...; sie werden vielmehr benötigt, um die Funktionen eines Segments des seelischen Apparates zu übernehmen".
Das Buch "Narzißmus, Trieb und die Produktion von Subjektivität - Stationen auf der Suche nach dem verlorenen Paradies" behandelt verschiedene Abhandlungen, neben dem Narzissmus-Problem allgemein beleuchtet man auch speziell narzisstische Sehnsüchte und triebhafte Bedürfnisse. Diverse, in der Nachfolge Freuds, entstandene Narzissmus-Konzepte werden einer systematischen Kritik unterzogen. Erschienen war das über 140 Seiten umfassende Buch im Jahr 1985 im Verlag Springer. Es kann bei Interesse unter der ISBN 978-3540158288 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle bezogen werden:
Narzißmus, Trieb, Produktion von Subjektivität
Der Autor Hans-Joachim Maaz geht zum Thema in seinem Werk "Die narzisstische Gesellschaft - Ein Psychogramm" unter anderem auch auf die Abwehr des narzisstischen Makels, nämlich durch Kompensation und Ablenkung, ein. Die Kurzbeschreibung des Buches gibt möglicherweise schon einen tieferen Einblick, was einem in den Kapiteln alles für "nette Dinge" erwarten. So sei die Gier, den Hals nicht voll bekommen, ein mit Abstand häufig genutztes Argument für gesellschaftlich narzisstische Problematiken. Er gibt sich jedoch mit dieser eher groben Beschreibungsform nicht zufrieden. "Gier, sei es nach Geld oder anderen Lebensvorteilen, so kann er zeigen, ist Ausdruck einer narzisstischen Störung. Besonders ausgeprägt ist sie bei den Trägern gesellschaftlicher Macht [anzutreffen]: bei Politikern, Managern und Stars. Der narzisstische Mensch ist im Kern ein um Anerkennung ringender, stark verunsicherter Mensch. So tut er alles, um die Bestätigung, die er zum Leben braucht, zu erhalten. Diese narzisstische Kompensation bedarf ständig erweiterter Ablenkung durch Konsum, Besitz, Animation und Aktion".
Nicht selten werde bei jeweiligen Personen ein Minderwertigkeitsgefühl und eine Selbstunsicherheit beobachtet, die für sich einem ständigen seelischen "Stachel" gleichkommen, "der zum quälenden Antreiber wird, durch besondere Anstrengungen und Leistungen, durch Ehrgeiz und herausragendes Engagement zu beweisen, dass man doch liebens- und anerkennenswert sei". Oft bleibe dem Autor zufolge aber verborgen, dass z.B. berühmte Persönlichkeiten, deren Leben sich so gut vermarkten lasse, "in der Tiefe häufig einsame, bedürftige und seelisch bedauernswerte Menschen sind". Natürlich behandelt man hierzu aber nicht nur diese "eine Seite" der Medaille, sondern auch die Gegenseite der Stars, die erst durch diese zu einer solchen wird. "Das lüsterne Interesse von Millionen Voyeuren ist nur das Negativbild der narzisstischen Störung: auf der Bühne das Größenselbst – im Zuschauerraum hingegen das Größenklein, das sich als Fan im Erfolg des idealisierten Stars spiegeln möchte und im Falle von dessen Absturz stellvertretend Schmerzen oder heimliche Schadenfreude erleben kann". Im Buch beschreibt man eingangs den Unterschied zwischen Größenselbst und Größenklein.
Ein Narzisst (männlich/weiblich) mit ausgebildetem "Größenselbst" müsse durch sein seelisches Leiden "nach oben streben", er benötige die besondere Geltung, also "das Ansehen und die Anerkennung wie die Luft zum Atmen". Die Handlungen des Größenselbst-Narzissten seien darauf ausgerichtet, "sich Bedeutung und Wichtigkeit zu verschaffen". In den Ausdrucksformen etwa in der Art: "Man will gesehen werden, beachtet und geachtet sein, respektiert werden und möglichst noch Sonderrechte genießen". Wie bereits in der Kurzbeschreibung durchgeklungen ist, heißt es demzufolge: "So finden sich narzisstisch bedürftige Menschen besonders häufig in herausgehobenen sozialen Positionen". Bei narzisstischen Defiziten gäbe es fast immer nur Bestrebungen, "vom psychosozialen Elend abzulenken und sich irgendeinen Ersatz zu schaffen". Maaz stellt, was viele vielleicht nicht wahrhaben wollen, auch klar, dass der sog. "freie Markt" ebenso wie "freie Wahlen" in vielerlei Hinsicht eine Illusion sind. Ein Wirtschaftssystem wird stets zum Tummelfeld narzisstisch begründeter Begehrlichkeiten. "Werbung, Reklame, Mode, Status und Gruppendruck sind so wirkungsvoll, weil sie zu suggerieren verstehen, was Menschen mit narzisstischen Defiziten brauchen [...] sie glücklich machen soll, wie man es schafft, anerkannt zu werden und dazuzugehören".
Maaz stellt zu Beginn seiner Veröffentlichung erst einmal, hier so zu betonen narzisstisch wie die meisten Autoren entsprechender Bücher, den nebulösen Mythos von Narziss vor, um nachfolgend den Begriff recht gut zu definieren. Hier wird auch für den fachfremden Leser eine einfach verdaubare Beschreibung des "gesunden" und des "pathologischen" Narzissmus geboten. Im Verlauf geht es dann um Symptome der narzisstischen Störung, die möglichen Folgen, man stellt den männlichen und weiblichen Narzissmus gegenüber und auch die Punkte Pubertät, Elternschaft und Partnerschaft werden abgehandelt. Das Buch "Die narzisstische Gesellschaft: Ein Psychogramm" vom Psychiater, Psychoanalytiker und Autor Hans-Joachim Maaz liegt mittlerweile in einer Auflage von 2014 vor, erschienen im Deutschen Taschenbuch Verlag mit über 240 Seiten Inhalt. Es kann bei Interesse unter der ISBN 978-3423348218 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle bezogen werden:
Die narzisstische Gesellschaft (Auflage aus dem Jahr 2014)
Eine weitere Publikation trägt den Titel: "Narzißtische Krisen - Zur Psychodynamik des Selbstmords". Zum Stand der Veröffentlichung soll es in der Bundesrepublik Deutschland so gewesen sein, dass die Zahl der Selbstmörder/innen, aufs Jahr gesehen, nur um etwa ein Drittel niedriger als die der Verkehrstoten gelegen hätte. Vor allem in großen Städten sollen sich zahlreiche Leute frühzeitig aus dem Leben katapultiert haben. Deutlich höher als die zur Vollendung gebrachten Selbstmorde waren aber die Versuche solcher, die also "nicht erfolgreich" zum vorbestimmten Abschluss gebracht wurden. "Die den Selbstmordversuchen [zugrundeliegenden] Motive und Ursachen sind [häufig] die gleichen wie beim Selbstmord", wie es heißt. Ein "vererbter Selbstmorddrang" existiere nicht. Nach Untersuchungen an eineiigen Zwillingen fand man heraus, dass in keinem Fall der andere Zwilling Selbstmord beging - eine familiäre Häufung von suizidalen Verhaltensweisen werde demnach nicht gesteuert von Chromosomen, "sondern vermittelt über die familiäre Tradition von Konflikten und den Umgang mit ihnen".
In dem Buch werden auch Untersuchungen zu anderen Behauptungen angeführt, wonach z.B. die Selbstmordrate je nach Wetterlage, Jahreszeit und so weiter steige oder sinke. Hier gäbe es keine wirklichen Beweise für, was entsprechende Studien (im Buch genannt) untermauern. Auch "kosmische Einflüsse" hätten keine Auswirkungen. "In umfangreichen Untersuchungen überprüfte [man die Frage solcher Einflüsse] ... überprüfte 2497 Fälle von Selbstmord auf ihre zeitliche Beziehung zu [den] Mondphasen, Umlaufphasen des Mondes um die Erde, Sonnenflecken, [auf geomagnetische] Fluktuationen u.ä. Bedingungen. [Pokorny] fand keinerlei überzufällige Korrelationen, und zwar weder während der Erscheinungen noch in den fünf Tagen vorher oder in den fünf Tagen nachher". Bezüglich der Thematik "soziale Integration" habe eine im Buch angemerkte Quelle, einer epidemiologischen Untersuchung zufolge, festgestellt, dass zu den Risikogruppen (Suizidhandlungen): Verfolgte und Flüchtlinge, Alkoholiker u. a. Süchtige, besonders nach einem Rausch, Homosexuelle, chronisch bzw. unheilbar Kranke, alte Menschen, Menschen in Ehekrisen, Menschen im sozialen Notstand, Umsiedler bzw. Einwanderer, Angehörige von Suizidanten, besonders nach deren Suizidhandlung, oder u.a. auch solche Menschen gehören, die an Verkehrsunfällen (Todesfolge anderer) beteiligt sind.
Im weiteren Verlauf des entsprechenden Kapitels geht man außerdem noch auf "Belastungen in der frühen Kindheit" ein, die zu möglichen späteren Suizidhandlungen beitragen könnten. Interessant erscheinen hier nicht nur der "Elternverlust" durch Tod, sondern auch behandelte Punkte zur "Abwesenheit" der Eltern, wenn diese sich z.B. mehr zur Arbeitsstelle hingezogen fühlen als zu den eigenen Kindern. Zu einer im Buch genannten Studie ging man zu jugendlichen Patienten darauf ein, die einen Selbstmordversuch unternahmen, dass bei der Mehrheit dieser sich zeigte, dass ihre Familie "dissoziiert" bzw. durch schwere Konflikte beeinträchtigt war. Ebenfalls bei der Mehrheit konnte ein deutlicher Mangel an Geborgenheit und liebevoller Zuwendung festgestellt werden. Solche Kennzeichen kristallisierten sich auch in weiteren Untersuchungen heraus - z.B.: "Hartmann (1970) befragte 100 hospitalisierte minderjährige Suizidanten. 98 Prozent der nichtschizophrenen und 82 Prozent der schizophrenen Probanden gaben grobe Fürsorgemängel seitens der Eltern an". Zum damaligen Stand fassten Lester/Lester (1971) die Literaturdiskussion zum Thema so zusammen: "Das familiäre Belastungen in der frühen Kindheit den Suizid wahrscheinlicher machen, scheint gesichert...".
In einer kurzen Zusammenfassung können hier u.a. folgende Punkte genannt werden, die im Buch entsprechend umfangreich dargestellt sind, wonach etwa durch bestimmte Familienverhältnisse eine Häufung der Suizidhandlungen beobachtet werden konnte, die aber nicht erblich bedingt sind. Die Suizidrate steige auch mit der Größe des Wohnortes (wie Großstadt) an, wobei Menschen auch hier, die Suizidhandlungen unternahmen, fast ausnahmslos lange vorher psychisch krank gewesen sind. Zu den Abhandlungen der "frühen Kindheit" heißt es, dass sehr viele Betroffene schwere psychische Belastungen erkennen ließen. "Beschrieben werden immer wieder Verluste von Elternteilen durch Tod oder Scheidung, sonstige frühe oder lang dauernde Trennungserlebnisse, grob zerrüttete Familienverhältnisse, grobe Fürsorgemängel und emotionale Vernachlässigung von Seiten der Mutter".
Individuen, die zu Suizidhandlungen neigen, haben nicht unoft auch ein unrealistisch hochgespanntes "Ich-Ideal" und ein strenges, rigides Gewissen. Das Selbstbild kann aber zwischen geheim gehaltenen oder unbewussten Größenphantasien und meist im Vordergrund des Bewusstseins stehenden Minderwertigkeitsgefühlen schwanken. Nicht selten bedeuten suizidale Gedanken und dadurch ausgelöste Handlungen das aktive Vorwegnehmen einer passiv gefürchteten Gefahr, also die Sicherung eines bedroht geglaubten Machtgefühls. Befördernde Anregungen könnten je nach spezifischem Fall auch durch externe Quellen erfolgen. "Ein größerer Teil der suizidgefährdeten Menschen läßt sich erstaunlich leicht zu Suizidhandlungen verleiten, von Beispielen aus der Literatur oder Realität [ggf. heute auch über Filme oder Inhalte aus dem Internet]".
In extremen Fällen könnten hier Gestalten auch dem Terrorismus zugeneigter sein, wie man in Anmerkungen der Publikation "Terrorismus" (ISBN: 978-3706546041) von Thomas Riegler schrieb: "Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer schreibt den Selbstmordattentätern überhaupt eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur zu. Der Terrorist sei das in die Welt entlassene, in ihr agierende Größenselbst, seine Tat könne man als Ausdruck einer narzisstischen Explosion verstehen [...] Es beginnt mit der faszinierenden Macht über die Bilder, welche jedem Kind der Konsumgesellschaft durch die TV-Fernsteuerung geschenkt wird […sie führe] zur Macht über Leben und Tod [...eine befleckte Person] steigert sich [ggf.] noch in der Möglichkeit, selbst zur Bombe zu werden".
Vielleicht haben einige der "zur Bombe werdenden Leute", durch verschiedene auf sie einprasselnde und formende Impulse, ja auch ein "Kennzeichen" auf der Haut? In dem Buch "Tätowierung, Narzissmus und Theatralität - Selbstwertgewinn durch die Gestaltung des Körpers" (ISBN: 978-3531181486) von Tobias Lobstädt führte man z.B. auch mit weitem Rückblick den deutschen Psychiater und Kriminologen Paul Näcke an, dass eine "pathologische Erscheinung einer sexuellen Perversion" mit ihn (Narzissmus) in Verbindung gebracht werden könne. Zur körperlichen Seite der Tätowierung zitierte man dort aus Christa Rohde-Dachsers Publikation "Im Dienste der Schönheit - Zur Psychodynamik schönheitschirurgischer Körperinszenierungen": "...Unter dieser Perspektive wird der Wunsch nach einer chirurgischen Veränderung des eigenen Körpers im Dienste der Schönheit leicht in den Bereich der Pathologie verwiesen. Ausgegangen wird dabei meist von einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung, die im Bestreben nach [narzisstischer] Vervollkommnung [!] auch vor den eigenen Körpergrenzen [!] nicht Halt macht".
Gegliedert ist das zuvor angemerkte Buch "Narzißtische Krisen - Zur Psychodynamik des Selbstmords" als Studie in die methodischen Vorbemerkungen (z.B. die Verbindung von hermeneutischer und objektivierender Methode), die nachfolgende Bestandsaufnahme (Suizidmethoden, Geschlechts- u. Altersverteilung, soziologische Korrelationen, Belastungen in der frühen Kindheit, Suggestibilität etc.) und im dritten Teil geht es um den Selbstmord und die Selbstwertproblematik (Theorien zur suizidalen Psychodynamik, das [prä-]suizidale Syndrom, die pathologische Reaktion auf eine Kränkung, zwischenmenschliche Beziehungen usw.). Abgeschlossen wird mit der Prüfung der Theorie an 50 Kasuistiken und einer Zusammenfassung der Themen. Das Buch umfasst in der 1990 veröffentlichten und vorliegenden 3. Auflage über 202 Seiten. Erschienen war es im deutschen Verlag für Sozialwissenschaften. Bei Interesse kann es unter der ISBN 978-3531220581 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle bezogen werden:
Narzißtische Krisen (Psychodynamik d. Selbstmords)
In dem Buch "Der Sinn des Wahnsinns" (ISBN-Nummer: 978-3827427731) beschreibt der Autor Neel Burton zum hier behandelten Thema "Narzissmus" folgendes: "Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung können sehr ehrgeizig, souverän und egoistisch sein und [andere Individuen] und Situationen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen ... Personen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung können es in einem Unternehmen weit bringen, weil sie sich so stark [und „aufopfernd“] der Arbeit und der Produktivität widmen". In der Veröffentlichung "Krankheit und Sehnsucht – Zur Psychosomatik der Sucht" (ISBN: 978-3642417702) von Otto Teischel schrieb man: "Krankmachend sind Lebensverhältnisse - und Menschen als deren Repräsentanten - immer dann, wenn sie den Einzelnen als Mittel zum Zweck ihrer eigenen Stabilisierung - gleichsam als Suchtmittel - benutzen, wenn sie ihn entpersönlichen und herabwürdigen [!] zu einem Platzhalter des Systems, zum Erfüllungsgehilfen des eigenen Geltungsdranges, dem jede Bestätigung recht ist, sich darin zu spiegeln".
"...Die herrschende Ideologie einer Gruppe oder Gesellschaft missbraucht dabei den Einzelnen ebenso zur Erhaltung ihrer Macht, wie ein ichsüchtiger Narzisst die Menschen seiner Umgebung manipuliert, um die eigene Großartigkeit zur Schau zu stellen". Den Narzissmus als Sucht kennzeichne beim Menschen jene "fatale kompensatorische Grundhaltung" einer Überheblichkeit, die für den von ihr betroffenen Einzelnen mit jedem unausweichlichen Scheitern die Gefahr des Zusammenbruchs heraufbeschwört - dies demnach "bis hin zum Suizid - so wie sie als maßloses, größenwahnsinniges, hochmütiges Machtstreben einer Gesellschaft oder gar der Menschheit letztlich deren eigenen Untergang riskiert. Verhängnisvoll wird dieser Zusammenhang besonders dann, wenn ein ichsüchtiges, größenwahnsinniges Individuum, Hitler zum Beispiel, den eigenen Geltungsdrang mit den herrschenden Nöten ... seiner Zeitgenossen ideologisch verbindet und damit ein verheerendes Gewaltpotenzial zu entfesseln vermag".
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