Buch

Wer sich mit den diversen ideologischen Konstruktionen der sozialistischen Welt auseinandersetzen will, dem sei an dieser Stelle das passende Buch zu den "Theorien des Sozialismus, Anarchismus und Kommunismus im Zeitalter der Ideologien 1789-1945" vorzustellen. Die Theorien entwickelten sich der Beschreibung nach im europäischen Raum seit den Zeiten des illustren Babeuf stets weiter. Er selbst griff natürlich auch auf Literatur älterer ihm passend erscheinender Autoren zurück, um eine neue Ideologieform zusammenzuwürfeln. Die entsprechenden Unterfangen im Rahmen der Französischen Revolution, welche ebenfalls behandelt wird, sollten dabei den meisten Leuten heute am bekanntesten vorkommen. Anmerkbar ist, dass sich die unterschiedlichen Ausformungen der sozialistischen Ideengeber und Theoretiker immer wieder, rein gar nicht "sozialistisch", untereinander bekämpften, was zu teils sehr blutigen Umwälzungen von Spanien bis nach Russland führen sollte. Im Buch geht man außerdem den hauptsächlichen Formen der kommunistischen sowie sozialistischen Parteienzusammenschlüsse und damit verbundener Irritationen nach - sogar bis in den "internationalen Maßstab".
Unter anderem spricht man neben den klassischen Köpfen wie Marx z.B. solche Figuren wie den deutsch-tschechischen Philosophen und sozialdemokratischen Politiker Karl Kautsky an, welcher Autor u.a. der Publikation: "Die Vorläufer des neueren Sozialismus" ist. In diesem Buch beschrieb Kautsky nicht nur die sozialistischen Neuzeitdinge, welche schon bald nach Publikationsstand einschlagen würden, sondern ging auch auf sich entwickelte Zusammenschlüsse ein, wie auf die hier nur als Beispiel anzumerkenden und speziellen: "Adamiten", welche ur-sozialistisch dem Worte nach geprägt und durch anarchistische Merkmale in der Außenwahrnehmung u.a. als entsprechend offene "Weibergemeinschaft" bezeichnet wurden. Nebenbei anzumerken ist daher auch zu dieser sich betätschelnden Gemeinschaft, dass vom Lateinischen "secta" zur Beschreibung des Wortes Sekte auch die Partei, Lehre oder Schulrichtung gemeint sein kann.
Im Verlauf der Menschheitsgeschichte bildeten sich bekanntlich unzählige Gruppen heraus, welche nicht selten den Charakter von klassischen Sekten aufwiesen, wovon nur die wenigsten auch tatsächlich erfasst wurden. Eine dieser waren auch die von Kautsky angemerkten Adamiten, welche einst durch Epiphanios von Salamis erwähnt wurden und auch Augustinus von Hippo und Johannes von Damaskos sollen diese alte Gruppenstruktur beschrieben haben. Deren Anhänger wären zu ihren Ritualen nicht selten vollkommen entblößt erschienen oder sie entkleideten sich während ritualisierter Handlungen. Man vertrat die Meinung, dass die eigene Kirche so etwas wie das Paradies auf Erden sei, in der man "Vollkommenheit" erlangen würde. Neben sexuell ausgerichteten Orgien, die an spätere „Schwarze Messen“ erinnerten, gab es den überlieferten Anmerkungen nach auch andere "Verirrungen und Ausschweifungen". Die nach kirchlichen Maßstäben offen beweihräucherte Eheschließung hätten die Adamiten nicht praktiziert, offenbar galt hier eher das Motto: Jeder mit jedem und alle mit einem.
Durch Theodoret setzte man die Adamiten mit der gnostischen Sekte der Karpokratianer gleich, welche Klemens von Alexandrien erwähnte. Mit Blick auf das 13. Jahrhundert unserer Zeit wurde hier der Name "Adamiten" in verunglimpfender Weise weitgespannt auf die "Ketzer" übertragen - kritisierten einige Autoren, welche u.a. Werke zum Sozialismus verfassten. Daneben sollen von den entsprechenden kirchlichen Schutzvorkehrungen unter anderem auch die österreichischen Waldenser, die Luciferianer, die italienischen Fratizellen, die thüringischen Geißelbrüder, die Brüder des freien Geistes vom Niederrhein, die enthusiastischen Hussiten (s.a. als Nikolaiten) oder auch die niederländischen Wiedertäufer betroffen gewesen sein. In dem Buch "Die Gnosis des Bösen" von Stanislaw Przbyszewski behandelt man eine Gruppierung, welche sich ebenfalls als "Adamiten" bezeichnete.
Es hieß: "Ein Beweis für die Zähigkeit dieser Sekten sind die Adamiten, die noch 1848 religiöse Gleichberechtigung in Österreich verlangten ... eine zuerst in Böhmen innerhalb der Hussitenbewegung aufkommende Sekte, die jeglichen Eigenbesitz ablehnten und glaubten, durch Nacktheit wieder in den Zustand der Unschuld vor dem biblischen Sündenfall zu gelangen". Ähnlichkeiten taten sich dabei wohl aber auch im Rückblick gesehen zu gänzlich anderen Strukturen auf, die etwa über das Feuer liefen. In der "Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Russland" von Bernhard Stern schrieb man zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die Adamiten folgendes: "Der Begründer der Adamiten-Sekte in der katholischen Kirche war Prodicus, Schüler des Carpocrates; er lehrte, dass sich beide Geschlechter öffentlich vermischen dürfen und forderte Weibergemeinschaft".
"Seine Anhänger, deren Zahl schon bei der Begründung der Sekte im 2. Jahrhundert eine große war, hießen Prodicianer oder Adamiten, letztere deshalb, weil zu ihren Versammlungen Männer und Frauen nackt erschienen. Dadurch sollten alle bösen Lüste ertötet werden ... Trotz aller Verfolgung blieb die Sekte bestehen. Im 12. Jahrhundert entdeckte man sie in Antwerpen, im 16. [Jahrhundert] in Amsterdam, im 14. und 15. Jahrhundert [auch in] Frankreich ... Der Kirchenbann vertrieb die Adamiten nicht aus Frankreich, denn im 15. Jahrhundert erschienen sie wieder zahlreich unter dem Namen Piccardier, nach ihrem Oberhaupt Piccard aus der Piccardie; [dieser] gab sich für Gottes Sohn Adam aus, der auf die Erde gesandt worden war, um das Naturgesetz einzuführen".
Über Prodicus wurde in "Das vollkommene Pascha - Gnostische Bibelexegese und gnostische Ethik" von E. Grypeou folgendes berichtet: "[Dieser] wird außerdem noch von Theodoret von Cyrrhus ... erwähnt. Obwohl er seine Quelle, [Klemens von Alexandrien], ausdrücklich erwähnt, fügt er hinzu, dass [Prodicus] die Häresie der Adamiten gegründet habe. Wie die Karpokratianer, behauptet [Prodicus] auch - nach Theodoret, dass die Frauen allen gemeinsam sein sollten. Außerdem versammelten sie sich im Rahmen eines angeblich mystischen Ritus zu gemeinsamen Mahlzeiten und nachdem sie die Lampen umgestürzt hätten, vereinigten sie sich unterschiedslos miteinander".
Dieses Beispiel zu den freizügigen sowie ur-sozialistischen Adamiten soll nur verdeutlichen, dass man über das hier vorgestellte Buch z.B. über Querliteratur von Karl Kautsky auf weitere Felder, bei entsprechend tiefer Recherche, stoßen könnte, und der Zeit und Mut mitbringende Leser dies ggf. unternehmen sollte. Das Buch der "Theorien des Sozialismus, Anarchismus und Kommunismus im Zeitalter der Ideologien 1789 - 1945", des Autors Klaus von Beyme, war in der vorliegenden Auflage im Jahr 2013 beim Verlag Springer veröffentlicht worden und es beinhaltet über 353 Seiten. Bei Interesse können Sie es unter der ISBN 978-3658029494 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle beziehen:
Hier: Sozialismus (Auflage 2013, Springer)
Andere interessante Bücher entdecken:
