Gedichte der Ekstase in der Literatur


Buch

Dem Autor von "Gedichte der Ekstase in der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts" zufolge hätte sich die literaturwissenschaftliche Forschung, bis zum Publikationsstand, eher nur ansatzweise mit der Problematik der literarischen Darstellungen der Ekstase beschäftigt gehabt. Betont wird gleich zu Beginn vor der nachfolgenden umfangreicheren Definition des Begriffs "Ekstase", dass dieser, zumindest in seiner Ausprägung als heiliger Eros, dem Bereich der Mystik zugerechnet werden muss. Dem engeren Sinne nach sei die Ekstase durch das Kriterium eines religiösen oder metaphysischen Zusammenhanges bestimmt. Als Beispiel führt man u.a. Irritationen aus der älteren Vergangenheit an, die mit dem illustren Dionysoskult vergleichbar sind. "Mircea Eliade betrachtet die Tiere, die in Euripides Bacchanten von den Mänaden gegessen werden, als Inkarnationen des Gottes Dionysos; durch den Verzehr der Tiere vereinigten die Mänaden sich mit ihrem Gott".

Losgelegt wird zu Beginn des II.-Buchteils mit der schamanischen Ekstase, den vier Arten des Wahnsinns bei Platon, entsprechende Auswüchse im Alten und Neuen Testament oder die Ekstase im Neoplatonismus. Danach behandelt man unter anderem die verschiedenen Theorien der literarischen Ekstase in der Antike und im Mittelalter und zu Zeiten der Gegenreformation spricht man auch das besondere "ekstatische Sprechen" und die damit verbundene geistige Verführung, auch durch ästhetische Mittel, an. Als sehr interessant einzustufen sind im fünften Teil die Abhandlungen zur "spanischen Mystik". Hier geht es u.a. auch um die sog. "Alumbrados". Zu diesen soll nun als Beispiel dienend ein wenig näher eingegangen werden. In alten theologischen Schriften wurden die spanischen "Alumbrados" beschrieben als Erleuchtete (Illuminati) einer mystischen Bewegung, welche dort ab Anfang des 16. Jahrhunderts offiziell festgestellt worden sei.

Sie hätten demnach eine "Vollkommenheit" für sich zu erreichen versucht. Entsprechende Anliegen teilten einige dieser Alumbrados offenbar auch mit anderen "spirituellen Bewegungen" in europäischen Ländern. Allgemein betont wurden, aus damaliger Sicht zu sehen, die "revolutionär wirkenden Tendenzen". Wenige der Alumbrados-Anhänger hätten dieselben oder ähnliche Sätze wie die Protestanten verteidigt. Aus Untersuchungen sei aber dennoch hervorgegangen, dass der Ursprung der Alumbrados wie ihre Entwicklung unabhängig vom Protestantismus erfolgt wäre. Dies auch speziell aus dem Grund, weil vor dem Auftreten und Bekanntwerden des Protestantismus in Spanien ihre Lehre bereits vollständig ausgebildet und von Anhängern verteidigt worden sei. Die Gruppe von Toledo (ab 1512) wäre eine der ersten organisierten Alumbrados-Gruppen gewesen. Bei dieser griff dann auch erstmals die Inquisition mit ein.

Laut einschlägigen anderen Publikationen hätte das sog. "Lutheranertum" eine Rolle gespielt, welches die religiöse Einheit Spaniens bedroht haben soll. In "Spanische Geschichte - Vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart" von W. L. Bernecker (C.H. Beck) schrieb man: "Die Bewegung der Illuminaten ... die sich aus erasmistischem Gedankengut nährte, wurde verfolgt; auch Anhänger des Erasmus gerieten in den Verdacht der Ketzerei und fielen der Inquisition anheim". Offenbar verbreiteten sich die Strömungen aber nicht nur im europäischen Raum. In Fischers Weltgeschichte hieß es im Band 22 (Süd- und Mittelamerika): "Ebenfalls als Ketzer wurden von der Inquisition die Illuminaten ... verfolgt, die von der Mystik wie von erasmischen und reformatorischen Anschauungen beeinflusst [gewesen wären] und aus Spanien derartige Ideen übernommen hatten. In den Städten Mexiko und Puebla hatten sich Gruppen solcher exaltierter Schwärmer und angeblicher Visionäre gebildet".

Nach dem vorgestellten Buch: "Gedichte der Ekstase in der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts" könne man die Alumbrados als radikalen "Teil der Reformbewegung, deren Anfänge schon um 1500 liegen", als eine nach "verinnerlichter Religiosität strebende Reformbewegung" sehen. Es gäbe mit Blick auf die "alten Wurzeln der Bewegung" eine nicht direkte Abhängigkeit "von nordeuropäischen Reformbewegungen", oder, so heißt es, ließe es sich diesen Darstellungen nach zumindest nicht vermuten. "Vielmehr sollte auf ähnliche Tendenzen im spanischen Islam und Judentum hingewiesen werden, denn zahlreiche Neuchristen [...] fanden Zuflucht in der Reformbewegung oder im neugegründeten Karmeliterorden". Anders als bei den reformistischen Bewegungen im nördlichen Teil Europas erhöbe sich auch die "Frage nach der Bedeutung des jüdischen Einflusses auf die spanische Mystik, denn sowohl Luis de Leon als auch Juan de la Cruz und Santa Teresa stammen aus zum Christentum konvertierten, ursprünglich jüdischen Familien. Das für die jüdische Mystik ausschlaggebende Buch Sohar entstand im 13. Jahrhundert in Spanien, die kabbalistische Literatur berichtet jedoch äußerst selten über Ekstasen, auch wenn die jüdische Mystik durchaus solche Erfahrungen kennt; sie stellt aber die Möglichkeit ihrer sprachlichen Mitteilung in Frage".

In einer anderen alten Publikation zum Thema mit dem Titel "Die spanische Inquisition und die Alumbrados (1509-1667)", nach verbliebenen Originalakten u.a. aus Madrid, hieß es zum Beispiel: "Jedenfalls ist es Tatsache, dass wir in den Prozessen der Alumbrados, die nach 1525, besonders aber nach 1530 verhandelt wurden, entweder die eigentliche protestantische Lehre zusammen mit jener der Alumbrados antreffen oder die Anklage des Protestantismus zusammen mit der Hauptanklage des Illuminatentums. So wurde z.B. Pedro R. de Alcaraz, einer der Hauptvertreter [der Gruppe von Toledo], der seit 1519 bei der Inquisition angezeigt war, aber erst 1524 verhaftet ... außer den eigentlichen [Lehren der Alumbrados] auch des Folgenden angeklagt: Leugnung der Gegenwart Christi in der Eucharistie, Wertlosigkeit der Ablässe, die der Papst verleiht; Nutzlosigkeit der Beichte; Verwerfung der Bilder und Geringschätzung des Ordensstandes".

"Ob er etwas vom Protestantismus je gehört hat oder aus seinen illuministischen Grundsätzen heraus zu diesen Behauptungen gelangte, mag dahingestellt bleiben ... Etwas Ähnliches kann man in anderen Prozessen dieser Zeit beobachten. Einige Jahre später, 1532, wurde ein anderer Prozess zu Toledo eingeleitet. Es war jener gegen Maria Cazalla aus Guadalajara, die bereits 1524 mit der Inquisition in Berührung gekommen war. Ihre Anklage lautete hauptsächlich auf Illuminatentum; aber sie wurde auch als protestantisch gesinnt angeschuldigt. 1534 wurde sie zur letzten Sitzung vorgeladen, in der sie zwar freigesprochen, aber als suspecta de Haeresi einer Buße unterworfen wurde ... Im Urteil wurde sie des Illuminatentums und des Lutheranismus angeschuldigt".

Nach einer Auffassung der spanischen Inquisition verstand man unter "Alumbrados" Leute, die sich einbildeten von Gott "erleuchtet" worden zu sein und demnach Frömmigkeit und inneres Leben zur Schau tragen würden. In dem Buch "Die spanische Inquisition und die Alumbrados (1509-1667)" schrieb man davon: "So z.B. bei einigen die Behauptung, sie seien so vollkommen, dass sie nicht mehr sündigen könnten und sich nicht mehr um das mündliche Gebet und um die äußeren Werke zu kümmern brauchten. Die Folge davon war einerseits eine große Verwirrung betreffs der wahren Mystik; anderseits aber eine immer ungünstigere Stellungnahme der katholischen Bevölkerung gegenüber den schuldigen oder unschuldigen Alumbrados ... Aber nicht alle, die als Alumbrados bezeichnet wurden, sind tatsächlich als gleichgesinnte Menschen zu bezeichnen. Man kann drei verschiedene Arten Alumbrados unterscheiden".

"Die erste Art; waren Leute, die mit gutem Eifer und mit innerer Gottesliebe sich vom äußeren Schein der Heiligkeit sowie von einer vorgespiegelten Schau Gottes und besonderen Vereinigung mit ihm täuschen ließen und in dieser Täuschung und Einbildung auch selbst Verzückungen und Offenbarungen zu erleben glaubten, die ferner, ohne sich freilich der Gefahr bewusst zu werden, daraus eine Reihe von Folgerungen [...] wie die einer gewissen Impekkabilität sowie der Geringschätzung des mündlichen Gebetes und der äußeren Werke usw. Die Alumbrados dieser Gruppe sind persönlich unschuldig. Aber die Grundsätze, die sie vertraten, waren gefährlich. Deshalb wurden sie auch, man kann beinahe sagen, mit Vorliebe bekämpft. Die zweite Art; wurde von jenen gebildet, die mehr oder weniger bewusst den Schein von Heiligkeit und Gebet nur als Deckmantel benutzt haben, um ihre Leidenschaften zu befriedigen. Diese Alumbrados waren ohne Zweifel die gefährlichsten; denn sie stellten die Lehre der Vereinigung mit Gott und den hohen Wert des geistigen Gebetes so dar, dass viele einfache Leute sich vom Schein täuschen ließen".

"Gerade bei diesen Alumbrados, bei denen die größte Verschlagenheit und Verdorbenheit mit der hartnäckigsten Blindheit verbunden war, kamen auch die gröbsten Verwirrungen ... vor, der fleischliche Verkehr mit anderen Personen, die Geringschätzung jeder Autorität usw. Obschon diese verdorbenen Alumbrados, die oft aus dem Priesterstand kamen, mehr den Leidenschaften huldigten und infolgedessen mehr den leidenschaftlichen Sündern zugestellt werden mussten, als den eigentlichen Alumbrados, wurden sie doch alle als Alumbrados bezeichnet, weil sie eben den Schein von Heiligkeit vorspiegelten, so dass sie tatsächlich ungefähr dieselben Grundsätze vortrugen, wie die Alumbrados der ersten Gruppe. Die dritte Gruppe war von einer anderen Art. Es waren nicht ausgesprochen verdorbene Menschen, sondern Leute, die eine Art krankhaften Drang in sich empfanden, als Mystiker und Heilige angesehen zu werden".

"Sie bezweckten nicht, wie die zweite Gruppe, die Befriedigung ihrer Leidenschaften, sondern sie wurden von diesem heftigen Drang gezogen, stellten sich infolgedessen heilig, ahmten mit größtem Geschick Ekstasen, Offenbarungen und Prophezeiungen nach, schnitten sich unbarmherzig, um die Christuswunden zu zeigen, und scheuten sich vor keinem Mittel, um eben in diesem Ansehen zu leben. Es war meistens eine Art unbewusster Hysterie. Solche Leute, meistens Nonnen und Beaten, wurden auch Alumbrados genannt aus dem Grunde, weil sie Heiligkeit nur nachahmten. Ihre Wirkung war sehr ungünstig; denn nachdem sie eine Zeitlang, vielleicht viele Jahre hindurch, im größten Ansehen gelebt und selbst von den höchsten Persönlichkeiten verehrt worden waren, wurden sie entlarvt und die ganze Betrügerei schließlich entdeckt".

Das hier vorgestellte Buch mit dem Titel: "Gedichte der Ekstase in der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts" stammt von der Autorin Christiane Augner. Es war in der ersten vorliegenden Auflage 2001 im Verlag von "Narr Francke Attempto" erschienen und es hat über 244 Seiten. Bezogen werden kann die Publikation unter der ISBN 978-3823356493 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle:

Hier: Gedichte der Ekstase in der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts (Auflage aus dem Jahr 2001 mit Sondereinband bei 244 Seiten), der Autorin Christiane Augner

Andere interessante Bücher entdecken:

Tantrische Kulte: "Erleuchtung durch Ekstase" (1997) - Autor: Miranda Shaw, Verlag: Fischer Krüger, ISBN: 978-3810518781, 314 Seiten

Klassiker: Ekstase, Besessenheit, Dämonen (Erste Auflage) - Autorin: Felicitas D. Goodman, Gütersloher Verlagshaus, ISBN: 978-3579009872

Schamanismus und archaische Ekstasetechnik - Autor: Mircea Eliade, Verlag: Suhrkamp (1. Auflage 2006), ISBN: 3518077260, 479 Seiten

Dionysos. Rausch und Ekstase (Katalog), Autoren u.a.: Alexander Bierl, Alexander Bierl, Verlag: Hirmer, ISBN: 377742093X, mit 248 Seiten

Skandalfilme: Cineastische Aufreger gestern und heute - Autor: Stefan Volk, Verlag: Schüren, ISBN: 978-3894725624, mit über 320 Seiten

Ergänzend lesbar: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen - Autor: Christian Rätsch, aus dem AT Verlag, ISBN: 3038003522, mit 944 Seiten

  
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