Buch

Bereits vor Jahrzehnten stach ein vielbeachteter Historiker mit seiner englischsprachigen Veröffentlichung "The Occult Liberation", die später in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Titel "The Occult Establishment" nachgedruckt wurde, in ein regelrechtes Sektennest. Der Autor war einer der ersten bekannteren, die sich wissenschaftlich mit dem "Okkultismus" des 19. und zum Teil des 20. Jahrhunderts auseinandersetzten. Im hier vorgestellten, in deutscher Sprache verfügbaren Buch: "Das Zeitalter des Irrationalen - Politik, Kultur und Okkultismus im 20. Jahrhundert" gibt man in den einleitenden Worten aber auch zu verstehen, weil der Autor Webb es mit der Wissenschaftlichkeit durchaus ernst gemeint hat, dass es sich in gewisser Hinsicht empfiehlt, erst die historischen Teile von der Veröffentlichung "The Occult Establishment" (die deutsche Version unter genanntem Titel) zu lesen. Und überhaupt setze Webb "nicht nur eine gute Kenntnis europäischer Geschichte, sondern oft auch der besprochenen Personen und Bewegungen voraus". In dem vorliegenden Buch sind natürlich für diesen Zweck zahlreiche Quellen genannt, die optional beziehbar sind. Es kann als eine wegweisende Studie über die Präsenz okkulter Ideen, Motive und Bewegungen im kulturellen und politischen Establishment des 20. Jahrhunderts, vor allem in den Jahren zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg betrachtet werden.
Der CH-Psychiater Carl G. Jung und der im Westen des schweizerischen Ascona gelegene Hügel Monte Verita, Friedrich W. Nietzsche und die Vorgeschichte der nationalsozialistischen Sektierereien, aber auch die Entstehung der Esoterik-Szene und die vielfältigen Vernetzungen okkulter Gruppen bzw. Gemeinschaften werden neben angrenzenden Themen detailliert behandelt, wobei sonst kaum bekanntes biographisches Material verwendet wird. Den Schwerpunkt legte der Autor nicht nur auf die Ideengeschichte, sondern speziell auf die teils vielschichtig beschreibbaren Beziehungen der relevanten Persönlichkeiten untereinander. Die internationale Einbettung u.a. der deutschen okkultistischen Szene wird anschaulich sichtbar gemacht. Der Einfluss entsprechender Ideen und Gruppen auf die Bereiche Literatur, Musik, Kunst und Politik wird verifizierbar und solide dokumentiert und auf seine kulturelle Bedeutung hin befragt. Außerdem behandelt man für diese Studie noch diverse "Alternativszenen" - wie die der: vegetarischen Bewegung, Freikörperkultur, Künstlergruppen, utopisch-politische Vereine etc.
An einigen Stellen des Buches wird Bezug genommen auf Strukturen, welche sich in andere außereuropäische Gefilde ausdehnten. Um hier nur ein solches Beispiel der Kürze wegen anzumerken, bezeichnete Webb die Adventisten als eine solch "importierte" Sekte, welche später aber gegen 1930 auch in Deutschland angeblich zehn Prozent der damals weltweiten Anhänger den eigenen Reihen zugehörig zählen konnte. Herausgebildet worden war die Struktur der Adventisten, ab 1909 auch in Deutschland offen aktiv, in der Zeit zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Gründer sei William Miller gewesen, einst Mitglied der Baptisten und fasziniert von biblischer Prophetie. Die Bewegung gedieh nach ihrer Etablierung erst zaghaft, in den darauffolgenden Jahren bis zum Tode Millers Ende 1849 aber immer schneller. Die in den USA herausgebildeten Siebenten-Tags-Adventisten, wie sie auch genannt werden, würden auf die Wiederkunft des Jesus Christus hoffen. Den einst gehegten Annahmen zufolge sollte dieser zwischen den Jahren 1843-1845 irgendwie "erscheinen".
Solche Voraussagen, wonach dieses oder jenes Ereignis stattfände, war auch bei anderen Sekten zu beobachten, wie z.B. bei den Mormonen. Im März des Jahres 1844 soll der Adventisten-Anhänger Samuel Snow die bis dahin immer noch nicht stattgefundene Wiederkunft Christi auf den 22. Oktober des gleichen Jahres gelegt haben. Als auch diese Voraussage nicht in Erfüllung ging, splitterte sich die bereits angeschlagene Struktur weiter auf. In 1856 entstanden die Evangelical Adventists sowie ein Jahr zuvor die Advent Christian Church und die Church of God von Oregon. An der Formung der Adventisten waren neben Miller auch solche Gestalten beteiligt wie: Hiram Edson, ein Farmer aus Port Gibson, oder der ehemalige Schiffskapitän Joseph Bates. In 1863 soll die Organisationsstruktur wegen der vorhergehenden Irritationen erneut verändert worden sein, dies unter der Anführung von James White und seiner Frau Ellen, welche offenbar weitaus mehr Einfluss gehabt haben soll als er selbst.
Anhänger der Adventisten seien zu der Überzeugung gelangt, dass Ellen eine Art "Prophetin" sei. Die Adventisten, aber auch Mormonen und Zeugen Jehovas, werden u.a. durch solchen geistigen Flimflam allgemein nicht zum Feld des Protestantismus gezählt, weil sie nicht ausschließlich auf der christlich geformten Lehre biblischer Natur aufbauen. Seit der Gründung entwickelte sich die Adventisten-Struktur von einer ursprünglich recht eschatologisch orientierten Gemeinschaft zu einer die zu den Freikirchen gezählt wird. Aus den verbreiteten Lehren kristallisierte sich heraus, dass man eine streng bibelorientierte Endzeitgemeinde ist. Publikationen von White wurden aber auch schon vor dieser oberflächlichen Transformation allgemein wie offiziell nicht als eine "neue Offenbarung" erkannt.
Als vollzogene Sonderlehren werden die Advent-, Sabbat- und die Heiligtums-Lehre genannt. Bezogen auf die Konfabulation der Wiederkunft Christi zeigte sich auch nach dem Zeitenwechsel zum 20. Jahrhundert, dass an dieser besonderen Lehre des „Wiederkunftsglaubens“ festgehalten wird. Demzufolge würde nach der ersten Auferstehung sog. "Gerechter" und einem "Tausendjährigen Reich" die nachfolgend zweite Auferstehung erfolgen können. Nachdem es zum Endgericht käme, hieß es zu Zeiten vor dem 2. Weltkrieg, würde danach ein ewiges Gottesreich auf Erden einschlagen. Recherchen zufolge soll durch die Adventisten auch eine abstrahlende Wirkung auf andere Gruppierungen ausgegangen sein, es werden hier bspw. die Zeugen Jehovas genannt, deren Gründer einigen der Ideen u.a. Millers zugeneigt gewesen sei.
Aus den adventistischen Traditionen heraus entwickelte sich wohl auch die sog. weltweite Kirche Gottes, die mit durch Herbert W. Armstrong gegründet wurde. Zu aktuellen Themen kann als Beispiel aus dem Buch "Die internationale Klimabewegung" (Verlag Springer) kurz vielleicht noch mit angemerkt werden, dass auf der einen Seite die katholische Kirche den "Klimawandel" als anthropogen verursacht bezeichne und daher auch "aktive Anpassungsleistungen" befürworte. Auf der anderen Seite gehen die "Siebenten-Tags-Adventisten" davon aus, heißt es in dem Buch, dass der Klimawandel den vorbestimmten Weltuntergang aufgrund von Verfehlungen der Menschheit einläutet und deswegen hinzunehmen sei.
Das vorgestellte Buch: "Das Zeitalter des Irrationalen: Politik, Kultur und Okkultismus im 20. Jahrhundert" kann neben dem von Webb ebenfalls verfassten, in die deutsche Sprache übersetzten, mit dem Titel: "Die Flucht vor der Vernunft: Politik, Kultur und Okkultismus im 19. Jahrhundert" (ISBN 978-3865391520) aus dem marix Verlag mit über 608 Seiten unter der ISBN 978-3865391520 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle bezogen werden:
Hier: Das Zeitalter des Irrationalen (J.Webb)
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