Neurotische Konfliktverarbeitung


Buch

Den Bereich "Neuroseforschung" meidet auch noch heute ein breiteres Publikum, da möglicherweise sonst unangenehme Dinge entlarvt würden. Zumal ist es da sicherlich auch für manche der Einfachheit wegen sinnvoller, die nächste Gefällt-mir-Klickrunde bei Facebook zu starten. Für alle Nicht-Klicker kann nun aber eine passende Publikation vorgestellt werden, die den Titel: "Neurotische Konfliktverarbeitung" trägt. Auch wenn es bei dieser noch an vielen Stellen so ist, dass mit Fachwörtern jongliert wird, gehört das Buch dennoch zu einem, welches auch der unbefleckte Zeitgenosse sehr gut durchlesen kann - es handelt sich um eine insgesamt leicht verständliche Einführung in die psychoanalytische Neuroselehre, dies, zumindest nach Publikationsstand der 1980er Jahre, unter Berücksichtigung neuer Perspektiven. Autor ist der griechische u.a. Psychiater und Psychoanalytiker Stavros Mentzos, welcher in jüngerer Zeit auch das "Lehrbuch der Psychodynamik" veröffentlicht hatte, in dem die Funktion der Dysfunktionalität psychischer Störungen behandelt wird. In "Neurotische Konfliktverarbeitung" geht der Autor unter anderem auf alte Arbeiten von Freud ein. So mussten im Verlauf der Zeit etwa die Einseitigkeiten der Libidotheorie durch eine Berücksichtigung auch anderer Triebe behoben werden, sowie hinzunehmend die Darstellung der narzisstischen Selbstbedürfnisse, wozu ggf. ergänzend auch noch die Publikation "Die narzisstische Gesellschaft: Ein Psychogramm" des deutschen Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz gelesen werden kann. Weitere Informationen zu dem Buch "Neurotische Konfliktverarbeitung" von Stavros Mentzos erhalten Sie weiter unten, sowie eine genannte Bezugsquelle.

Gewisse Zweige des Fachs Psychoanalyse sahen schon zu ihrer Hochphase in der Neurosebildung "ein Ergebnis" des Konflikts zwischen dem Triebleben und einem ihm widersprechenden Teil der Persönlichkeit, der den Trieben durch die von ihm ins Werk gesetzte Abwehr eine pathologische Form aufdränge. Mittlerweile wurden, bis heute hin, in der Forschung zu diesem Feld diverse Anpassungen vollzogen oder ältere Erkenntnisse ganz verworfen. In den 1930er Jahren gingen einige der Psychoanalytiker davon aus, dass sich die Analysetätigkeit zunächst für das angemerkte Triebleben interessierte und man entdeckte im Verlauf die damals als "Welt des Unbewussten" beschriebene Sphäre. In der Trieblehre sah man die biologische Grundlage der Psychologie und rechtfertigte ihre dynamisch-ökonomische Auffassung des Seelenlebens von Individuen. Der Tiefenpsychologe und Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, meinte dazu u.a. schon frühzeitig, dass keine eingeborene Moral und kein göttlicher Wille zu Höherem oder ähnliche naturwissenschaftliche, unfassbare Dinge des Jenseits plötzlich in das biologische Geschehen hineinspuken, sondern, dass auch die äußeren Nöte, aus der Außenwelt stammender Zwang, eine solche Wirkung entfalten können.

Mit Blick nun auf die "Zwangsneurose" hieß es aber dennoch, dass diese viel schwerer zu durchschauen sei als andere Erscheinungen wie Hysterie. Zu Zeiten Freuds befand sich die Forschung zum Bereich "Zwangsneurose" vielfach noch in den Kinderschuhen, durch Freud selbst verglich man sie sogar mit einem aufwendigen "Mosaikspiel". Sichtbar geworden sei aber bereits, dass das Zwangssymptom ebenso wie das hysterische auf einem Triebkonflikt beruht. Für die normalen, dem Fach fremde, Menschen versuchte man eine möglichst einfache in kindliche Sprache gefasste Beschreibungsform zu finden, was auf die Formel reduziert wurde: "Kann ich schlimm sein oder muss ich brav sein?". Ein Typus der behandelten Zwangssymptome war entsprechend auch der mit einem Buss- und Strafcharakter. Dazu kann als Querliteratur ggf. auch wie unter anderem das Buch: "Der Junge der sich immer waschen musste - Wenn Zwänge den Tag beherrschen" der Autorin Judith L. Rapoport gelesen werden, das in 1989 im MMV Medizin Verlag erschienen war und auf verschiedene Zwangsstörungen für die meisten Menschen leicht verständlich beschrieben eingeht. In dem 1931 durch Otto Fenichel veröffentlichtem Buch "Hysterien und Zwangsneurosen" beschrieb man zum erwähnten Typus (mit einem Buss- und Strafcharakter) von Zwangssymptomen:

Seine Triebgrundlage ist die infantile Schmutzlust. Wer sich immer wäscht, kann bestimmt nicht schmutzig sein. Das Symptom dient der Abwehr, der Überkompensation des anstößigen Triebes. Die Entstellungsmechanismen sind dabei im Allgemeinen die gleichen wie bei der Hysterie, nur scheint dem Mechanismus der "Verschiebung auf ein Kleinstes" eine für die Zwangsneurose besonders ausgesprochene Rolle zuzufallen. Es ist also für den Zwangsneurotiker charakteristisch, dass seine Symptome, seine Grübeleien, Zweifel und dergleichen, sich um scheinbar banale, geringfügigste Dinge drehen. Ein Zug, der am Wesen des Zwangsneurotikers als einer der sonderbarsten auffällt. Bei den Busssymptomen fielen dann auch die Differenzen gegenüber den hysterischen Symptomen auf. Man hätte zwar von den hysterischen Symptomen auch gesagt, dass sie häufig nicht nur dem durchbrechenden verdrängenden Trieb, sondern in ihrer Strafbedeutung auch den verdrängenden Kräften Abfuhr geben - was hier aber nur akzidenteller Natur gewesen sei. Bei der Zwangsneurose schien es wesentlich anders zu sein. Die entsprechenden Abwehr-, Buss- oder Strafsymptome erschienen auf den ersten Blick mindestens ebenso häufig wie die Befriedigungssymptome.

Bis zum Stand dieser Publikation in 1931, um die historische Ebene hier mit zu behandeln, wurde deutlich, dass bei der Herausbildung der Abwehrcharakter überwogen hätte. Der befriedigende Charakter dränge erst allmählich, im Verlauf der Entwicklung der schon etablierten Neurose, hervor. Die beobachtete Neigung hin zum "Bussen" erschien damals neu aber charakteristisch. Die Symptome sollen etwas wieder gut machen, eine Gewissensregung versöhnen. Es sei nicht mehr so, als ob im Wesentlichen bei Befriedigung der anstößigen Triebregung die Rache der Außenwelt gefürchtet wird - vielmehr scheint hier der ganze Prozess in einem höheren Maße verinnerlicht. Der gefürchtete Rächer wird nicht in der Außenwelt, sondern in der eigenen Seele angenommen. Die ganze Persönlichkeit des Betroffenen scheint gespalten in ein Kind, das schlimm sein, aber auch einen strengen Erzieher durch Bussen versöhnen will, und in den strengen Erzieher, der das schlimme Kind mit Strafen bedroht. Hier werde dann auch nicht mehr, wie bei der Phobie, eine äußere Wahrnehmung, sondern ein innerer Vorgang gefürchtet. Dem entspricht daher, dass der Phobiker eine seiner Person drohende Gefahr fürchtet, während es bei den Zwangsbefürchtungen so oft heißt, einem äußeren Objekt drohe Gefahr.

In der Veröffentlichung hatte man auch diverse Fälle aus dem Gesellschaftsleben mit hinzugenommen. In einem dieser Fälle, der eine männliche Person betrifft, welche jedoch keiner Analyse unterzogen wurde, wurden zweierlei Zwangsimpulse behandelt, über die zumindest der Mann zu klagen wusste: Erstens hatte er beim Anblick einer Frau den Gedanken: "Ich könnte diese Frau töten". Zweitens beim Anblick von gefährlichen Gegenständen (Messer, Hammer): "Ich könnte mir damit mein Glied abschneiden oder abhacken". Eine nähere Befragung dieser Figur ergab dann wohl, dass der erste Impuls zuerst in der Form aufgetreten war: "Ich könnte meine Mutter töten". Die Ausdehnung auf alle Frauen war bereits eine entstellende Verallgemeinerung. Die betroffene Person soll den eigenen Angaben nach sexuell asketisch gelebt und nur eine Form von Sexualbefriedigung gekannt haben: Pollutionsträume mit der Vorstellung, dass er eine Frau erwürge oder sonst wie töte - so ist wohl kein Zweifel daran zu lassen, dass die gegen Frauen gerichteten Mordimpulse nur ein entstellter Ausdruck für seine sexuellen Gelüste waren. Mache man die Entstellung des Betroffenen nun rückgängig, so leide der Patient an den beiden Impulsen: Die Mutter sexuell vergewaltigen; und sich das Glied abzuhacken [zu wollen], ein zweizeitiges Symptom, dessen erste Hälfte die Befriedigung des Ödipuswunsches, dessen zweite die dafür gefürchtete Strafe, die Kastration, darstellt.

Dies war sicherlich einer der extremeren Fälle. Wie aber sichtbar geworden sein könnte, geht es um einen Menschen, der sich von den Gefahren seines Lebens ständig bedroht fühlt. Auch bei weniger dramatisch wirkenden Fällen der "Neurosebildung" war zu sehen, dass sich eine betroffene Person teils in extremer Form den einen oder anderen neurotischen Abwehrmechanismus sucht und sich auf diesen allgemein auch zu verlassen pflegt. Kompensiert werden soll die "Angst", durch eine spezielle Art der seelischen Entlastung. An solchen herausgebildeten Abwehrmechanismen wird i.d.R. von den betroffenen Personen verzweifelt festgehalten, auch wenn damit letztlich die verursachenden Grundprobleme nicht gelöst werden und sich die kritische Situation sogar noch weiter verschlimmern kann. Die neurotische Angst sollte von der sog. "Objektangst" oder Furcht unterschieden werden. Bei letztgenannter Reaktion handelt es sich um "etwas Normales" - eine objektiv festgestellte Gefahr, die ggf. zur Flucht oder einen Angriff zum Zwecke der Selbstverteidigung dient. Bei neurotischen Angstzuständen existiert die "Gefahr" so gesehen nur mehr "im Inneren", sie lässt sich also nicht offen identifizieren und wird von anderen Individuen in derselben Situationslage nicht als allgemeine Bedrohung wahrgenommen.

Eine entwickelte "Zwangsneurose" kann häufig durch verdrängte Wünsche und Schuldgefühle prächtig gedeihen - was stetig mehr zu einem abnormalen Verhalten führt. Die immer wieder hervorkriechenden Zwangsvorstellungen drängen sich beharrlich in die sonstige Gedankenwelt hinein, unpassende Gedanken könnte man sie auch nennen, die willentlich nicht unterdrückt werden können. Bei Personen, die sich nicht in Behandlung begeben, führt dies nicht selten dazu, dass durch das extreme Zwangsdenken gepaart mit Zwangshandlungen eine fast völlige Existenzunfähigkeit eintritt. Hellhörig oder im besseren Fall auch hellsichtig sollte man werden, wenn zwanghaft erscheinende Dinge beobachtet werden können, wie sich wiederholende, ritualisierte Handlungen. In dem Buch "Psychologie" von Philip G. Zimbardo (Springer 1983) heißt es unter anderem dazu: "Obwohl solche Rituale für die neurotische Person emotional stark besetzt sind, braucht sie sich ihrer Bedeutung nicht bewusst zu sein. Durch die zwanghafte Ausführung dieser meist alltäglichen, kleinen Verrichtungen immer mehr in Anspruch genommen, bleibt dem Patienten weder Zeit noch Energie, die Triebhandlung, gegen die er sich damit unbewusst schützt, durchzuführen. In einigen Fällen können Schuldgefühle wegen begangener oder eingebildeter Sünden in Zwangsritualen ihren Ausdruck finden, die diese Verfehlung[en] dann ungeschehen machen sollen. Ein Beispiel dafür ist der exzessive Waschzwang...".

Das eingangs zum Thema angemerkte Buch von Stavros Mentzos mit dem Titel "Neurotische Konfliktverarbeitung", in dem unter anderem die "Variationen der Angst", diverse "Abwehrmechanismen" oder auch "äußere und innere, bewusste und unbewusste Konflikte" behandelt werden, war nach den alten "Urforschungen" durch Freud und Co. entsprechend schon weiter fortgeschritten in den bis dahin erwachsenen Erkenntnissen. Es wurde in der vorliegenden Auflage in deutscher Sprache im Jahr 1984 im Verlag FISCHER Taschenbuch veröffentlicht, es hat über 336 Seiten. Bei Interesse können Sie es unter der ISBN 978-3596422395 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle beziehen:

Hier: Neurotische Konfliktverarbeitung

 

Andere interessante Bücher entdecken:

Spektrum der Zwangsstörungen: Forschung Und Praxis (Auflage 1998) - Autor: Gerhard Lenz, Verlag: Springer, ISBN: 978-3211830581, mit über 188 Seiten

Alles unter Kontrolle: Zwangsgedanken und Zwangshandlungen überwinden - Autor: Lee Baer, Verlag: Huber, ISBN: 978-3456836270, mit über 306 Seiten

Das Paranoische Syndrom: Klinisch-Experimentelle Untersuchungen zum Problem der fixierten Wahnbildungen - Autor: Peter Berner, ISBN: 3540033726, 192 Seiten

Wenn Zwänge das Leben einengen: Der Klassiker für Betroffene - Autor: Nicolas Hoffmann, Verlag: Springer, ISBN: 978-3642353512, mit über 159 Seiten

Der Junge der sich immer waschen musste: Wenn Zwänge den Tag beherrschen - Autor: Judith L. Rapoport, MMV Medizin Verlag, ISBN: 978-3820812251

Expositionen bei Ängsten und Zwängen - Autor: Nicolas Hoffmann, Verlag: Beltz (3. Auflage von 2012), ISBN: 978-3621279505, mit über 318 Seiten

Das Unbehagen in der Kultur: Und andere kulturtheoretische Schriften - Autor: Sigmund Freud, Verlag: FISCHER Taschenbuch, ISBN: 359690207X, 192 Seiten

Angststörungen: Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe - Autor: Hans Morschitzky, Verlag: Springer, ISBN: 978-3211094488, mit über 732 Seiten

Hierarchien in Gehirn, Geist und Verhalten: Prinzip neuraler u. mentaler Funktion - Autor: Gerald Wiest, Verlag: Springer, ISBN: 3211991328, 144 Seiten

Die narzisstische Gesellschaft: Ein Psychogramm (Auflage 2014) - Autor: Hans-Joachim Maaz, Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag, mit über 240 Seiten

Neurotische Störungen: Neurose - An der Grenze zwischen krank und gesund - Autor: Alfred Ribi, Verlag: Springer, ISBN: 3642161472, mit 600 Seiten

  
Bücherindex Bild Link

Weitere Inhalte