Buch

"Anarchismus - Theorie, Kritik, Utopie" unternimmt einen Überblick u.a. zur als "libertär" bezeichneten Tradition mit Beginn ab dem 19. Jahrhundert. Sowohl die in der Theorie gesteckten Grundpositionen der Anarchisten, wie ihr bedeutender Anteil an der Sozialistischen Bewegung, an der Russischen Revolution und am Spanischen Bürgerkrieg werden behandelt. Daneben finden sich noch diverse Porträts, zumindest der "wichtigsten Vertreter des Anarchismus", was demnach die Textsammlung "abrunden" soll. Für den Einstieg in dieses spezielle Feld ist das Buch sehr gut geeignet, man findet in ihm auch Hinweise auf andere Literatur, die ggf. optional bezogen werden kann. Details zu dieser Veröffentlichung finden sich weiter unten, wie auch eine Bezugsquelle. Zum "Anarchismus" gibt es mittlerweile, vor allem auch sehr alte, Publikationen wie Sand am Meer. Die einen betrachten diese "offene Geisteshaltung" zur Herrschaftslosigkeit entsprechender Strömungen als Mafia-ähnlich - obwohl es ja auch dort irgendwelche Regelungen und eine Hierarchie gibt, die anderen zeigen sich überzeugt davon, dass die anarchistischen Merkmale zu positiven Umwälzungen beitragen würden.
Im Spektrum der Autoren lassen sich welche finden, deren Veröffentlichungen von krass offen bis hin zu krass ablehnend, gegenüber dem Anarchismus, eingestellt sind. Einer der wesentlichen Kritikpunkte betrifft, um es an dieser Stelle mit den Gedanken des ehemaligen Sektengurus Aleister Crowley zu tun, die Haltung: Tu was du willst, soll sein das ganze Gesetz. Die eher unkritischeren Veröffentlichungen, speziell älterer Tage, sprachen aber dennoch davon, dass es so etwas wie eine "anarchistische Moral" geben würde. Zu dieser besonderen Einschätzung kann an dieser Stelle aus dem Buch zitiert werden, welches einst in den 1920er Jahren durch Peter Kropotkin im Verlag "Freie Jugend" veröffentlicht wurde. Diese Publikation selbst trägt passenderweise sogar den Titel "Anarchistische Moral". Der Autor ging davon aus, dass die Geschichte des menschlichen Denkens seit Jahrhunderten einer abgelaufenen und wieder frisch aufgezogenen Uhr gleiche.
Es sei so, dass nach einer ggf. recht langen Periode des "geistigen Schlafes" der meisten Menschen ein Augenblick komme, der einem Erwachen gleicht. Diese in den Massen "erwachenden Gedanken" im jeweils einzelnen Menschen sprengen dann die so sorgfältig geschmiedeten Ketten, in die ihn alle interessierten Elemente - Regierungen, Gesetzmacher, Pfaffen - gefangen hielten. "[Der Mensch in diesem geistigen Zustand] unterwirft einer strengen Kritik alles, was man ihm unterwiesen [hat], entblößt alle religiösen, politischen, gesetzlichen und sozialen Vorurteile, unter denen er vegetierte". Und auch glaubte Kropotkin, ein russischer Anarchist, Geograph und Schriftsteller, der 1842 als Sohn von Fürst Alexei Petrowitsch Kropotkin in Moskau in eine Familie des höchsten Grades der russischen Aristokratie geboren wurde, zu wissen, dass solche Menschen stetig nach neuen Dingen forschen würden, nach unbekannten und für sie neuen Wegen.
Sie bereichern nach und nach ihr Wissen und legen damit z.B. den Grundstein für eine neue Wissenschaft. Die Gegner dieser "erwachenden Leute", die als eingewurzelte Feinde jedweden Denkens beschrieben werden, erheben sich bald von ihrer erlittenen Niederlage und vereinigen sich nach und nach zu etwas Neuem, was jedoch das Alte in vorläufig neuer Maskerade sei. "Sie vereinigen [stetig] ihre zerstreuten Kräfte, sie verjüngen ihren Glauben, ihre Gesetze, indem sie sie einigermaßen dem Zeitgeist entsprechend ummodeln und das Sklavische des Charakters und Denkens, welches sie selbst so vorzüglich gezüchtet [hatten] ... die momentane Desorganisation der Gesellschaft, das Bedürfnis nach Ruhe der Einen, den Bereicherungsdurst der Ander[en], die getäuschten Hoffnungen der Dritten ... gehen sie von neuem behutsam an ihr Werk, indem sie sich vor allem der Jugenderziehung bemächtigen".
Und Kropotkins anarchistischen Gedanken nach ginge dieses Spiel schon lange so. "Alles Gute, Erhabene, Großmütige, Unabhängige im Menschen stumpft ab, verrostet wie ein Messer außer Gebrauch. Die Lüge wird zur Tugend, die Kriecherei zur Pflicht ... Die Verderbtheit der Regierung, Richter und Priesterschaft, sowie der mehr oder minder bereicherten Klassen, wird nun so empörend, da[ss] die Uhr von neuem in Gang gesetzt wird". Vor allem hätte Kropotkin beobachten können, dass in der Jugend und im "Studentischen" ein gewisser Funke für die nächste Explosion zu finden sei. Jene befreien "sich nach und nach" und werfen "die Vorurteile über den Haufen". Die befreienden Gedanken erwachen aber erst "bei einigen, um fast unmerklich die große Masse zu gewinnen". Wie angemerkt, stammt der Autor aus revolutionären Zeiten und verkehrte entsprechend auch mit einschlägigen Gruppen in verschiedenen Ländern Europas. Nachdem dann "der Funke" erst durch wenige immer mehr auf viele übergesprungen sei, rücke die entflammende Revolution näher.
Nach dem 2. Weltkrieg gab es in den darauffolgenden Jahren einen Anstieg anarchistischer Tendenzen. In dem Buch "Anarchismus - Grundtexte zur Theorie und Praxis der Gewalt", welches Ende der 1960er Jahre im "Westdeutschen Verlag" (ISBN: 978-3-322-96112-9) erschienen war, berichtete man zum Beispiel davon: Während der französischen Mai-Revolte [im Jahre 1968] tauchten neben den roten Fahnen der Sozialisten und Kommunisten auch die schwarzen Fahnen der Anarchisten auf. Die studentischen Protestbewegungen in Europa und den Vereinigten Staaten, aber auch einige sozialrevolutionäre Bewegungen in Ländern der Dritten Welt tragen anarchistische Züge und haben die Diskussion über den Anarchismus neu entfacht. Die anarchistische Tradition, seit der Jahrhundertwende nur in sektiererischen Zirkeln gepflegt und, nach einer kurzen Blüte im spanischen Bürgerkrieg, fast vergessen, [würde] wiederbelebt und [hätte] inzwischen eine öffentliche Beachtung gefunden, die oft weit über ihre historische und gegenwärtige Bedeutung hinausgeht.
Zum Beispiel der ehemalige tschechoslowakische Generalmajor Jan Sejna, der nach Beginn des Prager Frühlings im Februar 1968 in den Westen flüchtete und sein Wissen der amerikanischen CIA zur Verfügung stellte, berichtete unter anderem davon, dass die Subversions- bzw. Zersetzungstaktiken der Sowjets u.a. beinhalteten den Westen über den internationalen Rauschgifthandel und ein international aufgebautes Terrornetzwerk zu destabilisieren. Wichtig wäre nicht nur die Vernetzung bereits bestehender Verbrechersyndikate, sondern u.a. über Revolutionsgedanken und den Drogenhandel könne man den Westen insgesamt stetig weiter schwächen, indem die Gesundheit und Moral der Jugend "herabgesetzt" wird. Ziel des Terrorismus, der über mehrere Ecken angeleiert (Frontgruppen) würde und nicht direkt sichtbar den Stempel "Moskau" trage, sei die Störung der öffentlichen Ordnung bis hin zum Ausbruch von Chaos und Anarchie, was die Destabilisierung der Regierungen zur Folge habe und eine vorrevolutionäre Situation erzeuge. Als Ergänzung dazu wollte man ein internationales Sabotagenetzwerk errichten, das am Vorabend eines Krieges für zusätzliche Unruhe im Westen sorgen sollte.
Das eingangs zum Thema vorgestellte Buch mit dem Titel "Anarchismus - Theorie, Kritik, Utopie" der Herausgeber Achim von Borries und Ingeborg Weber-Brandies war in einer Neuauflage im Verlag "Graswurzelrevolution" erschienen und es hat 425 Seiten. Es behandelt z.B. für Forschungszwecke auch Beiträge von W. Godwin, M. Bakunin, P. J. Proudhon, P. Kropotkin, G. Landauer, R. Rocker, A. Berkman, E. Malatesta, Voline, V. Serge, E. Goldman, A. Souchy, G. Leval, G. Orwell, H. Read, P. Goodman. Das Buch kann unter der ISBN: 978-3939045007 oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle bezogen werden:
Hier: Anarchismus - Theorie, Kritik, Utopie
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