Europäisches Großreich: Mega-Beifall


Paneuropa

Dass Figuren der EU in jüngerer Zeit auf einem esoterischen Rauschtrip wandelten, kündigte sich bereits an. Geschwafelt wird in hochtrabenden und für die Realität irrelevanten Worten von einer heilen Welt, von fiktivem Wachstum, von allgemeiner Solidarität und andere Brainwash-Sprüche stehen jeweils abwechselnd auf dem Programm. Medien aus Luxemburg berichteten gegen Ende des vergangenen Jahres 2014 davon, dass Viviane Reding erneut die "Vereinigten Staaten von Europa" da am Horizont sehen würde und man könne dieses Projekt wohl auch bald in seiner vollen Schlagkraft etablieren. Ausgerechnet in Zürich, wo einst der Freimaurer-Genosse Churchill seine berüchtigte Rede zur Formung der Vereinigten Staaten von Europa hielt, soll Reding unter Mega-Beifall das Projekt gefordert haben - oder vielmehr den letzten vollendenden Schlussstein. Nur mit einer solchen Konstruktion könne Europa fit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden. Daneben soll "der Grüne Fischer" in einer angeblich "viel beachteten" Rede an der Humboldt Universität zu Berlin die "Vereinigten Staaten von Europa" eingefordert haben, wie es heißt. Auch Reding plädierte für ein "starkes Europa", das seiner Rolle als Weltmacht gerecht werden muss. Margaret Thatcher lehnte die "Vereinigten Staaten von Europa" 1988 in ihrer Brügge-Rede aber klar ab, man wolle kein "Gegengewicht diesseits des Atlantiks schaffen".

Kommen die Vereinigten Staaten von Europa?

Im Programm für die "Vereinigten Staaten von Europa" bzw. "Paneuropa" hieß es vor dem 2. Weltkrieg, es solle ein europäischer Staatenbund gegründet werden. Dies unter der Garantie der "Gleichberechtigung", Sicherheit und Selbstständigkeit aller Staaten. Außerdem solle ein europäisches Bundesgericht geschaffen werden, um Konflikte zwischen den Staaten des Bundes zu schlichten, ein passendes Militärbündnis, auch mit gemeinsamer Luftflotte, solle etabliert werden, dies bei "gleichmäßiger Abrüstung". Nach und nach könne man einen europäischen Zollverein hochziehen, die gemeinsame Erschließung der Kolonien forcieren und natürlich auch eine gemeinsame Währung schaffen. Wichtig sei aber weiterhin die Pflege der nationalen Kulturen als Grundlage der europäischen Kulturgemeinschaft. Das Großgebilde müsste nach damaligem Stand der 1930er Jahre zudem mit anderen Völkergruppen im Rahmen eines "weltumspannenden Völkerbundes" zusammenarbeiten, wie es im neunten Punkt des Programms vom Zentralrat der Paneuropa-Bewegung hieß.

Im Vorwort seiner Schrift "Kommen die Vereinigten Staaten von Europa?" (Vorliegender erstv. Originaldruck 1938 Paneuropa Verlag, Glarus, Schweiz - dem "großen Europäer Aristide Briand gewidmet") meinte der Herr Graf, dass Europa damals wieder einmal vor einem "historischen Wendepunkt" stünde. Aus seiner Sicht der Dinge war Europa ein "Jagdgebiet politischer Abenteurer und ehrgeiziger Demagogen". Deren Aufgabe bestünde nicht darin, Europa zu einigen, sondern es von der einen in die andere Katastrophe zu hetzen. "Nach dem kläglichen Zusammenbruch des Friedenssystems von Versailles und des weltumspannenden Völkerbundes lautet heute die Schicksalsfrage für Europa: soll zwischen den 34 Staaten dieses Erdteils weiterhin Faustrecht herrschen, Drohung, Erpressung und Intrige - oder werden sich diese Staaten vereinigen zu einem Europäischen Staatenbund?". Dies solle seiner Ansicht nach aber nicht in der Art geschehen, wie es in den Vereinigten Staaten von Amerika vollzogen wurde, sondern "anders". Es müsse das lange Ziel eines Bundes sein, der selbstständigen und gleichberechtigten Nationalstaaten mit gemeinsamer Außenpolitik, Rüstungspolitik und Wirtschaftspolitik.

Von der Etablierung eines solchen Großgebildes hinge nicht nur die Zukunft des europäischen Friedens ab "und der europäischen Kultur", sondern natürlich ebenfalls das "nationale Schicksal aller europäischen Völker und das private Schicksal aller Europäer und Europäerinnen". Damit die Formung eines solchen Gebildes umgesetzt werden kann, muss "Europa" stetig konstruiert werden. Dies tut Coudenhove-Kalergi mit den Worten: "Es gibt ein großes und herrliches Land, das sich selbst nicht kennt; liegt zwischen dem Atlantischen Ozean, der Sowjetunion und dem Mittelmeer". Es heißt: "Europa". Laut dem Grafen sei es eine "unbestreitbare Tatsache, dass Europa trotz seiner Zersplitterung in [nach diesem Stand] 34 Staaten und mehr als 40 Sprachgruppen eine einzige große Kulturgemeinschaft" bilde. Dies angeblich in etwa gleicher Art wie es in Indien oder China der Fall sei. Zusammen mit Europa bilden diese drei Konstruktionen die "Kulturgemeinschaften unserer Erde". China und Indien seien wie Europa über Jahrhunderte in rivalisierende Staaten zersplittert gewesen.

Und der ehemalige Graf war sich damals zur Zeit der Niederschrift ganz sicher: "Morgen wird auch das europäische Nationalgefühl erwacht sein: Engländer und Franzosen, Deutsche und Italiener, Polen und Spanier und alle anderen Völker Europas werden sich bewusst werden, dass sie alle Kinder einer gemeinsamen Kultur" wären. Mit der zu sehenden und lange im Visier habenden Zielsetzung der "Entdeckung Europas als große Nation" werde somit eine Art "Mutterland" all seiner Völker geboren. Wäre dieser Schritt vollzogen, stelle es "einen neuen Abschnitt in der Weltgeschichte" dar - ähnlich, wie es einst mit der Entdeckung Amerikas geschehen sei. Als Beispiele für die Umsetzung der Einigung führt er „die erfolgreichen Taten“ einiger Nationen an. Die Italiener und die Deutschen hätten erst vor etwa 150 Jahren damit begonnen gehabt, sich als neue nationale "Gemeinschaft" zu fühlen, glaubte der Herr Graf. Dank der Einflüsse "großer Männer" wie Fichte und Mazzini konnte der "Nationalismus der Deutschen und der Italiener" erwachen und somit die politische Einigung erzwingen helfen.

So wie es mit Deutschland und Italien geschehen sei, könne es auch Europa ergehen. "So erwacht heute das Europäische Nationalbewusstsein - und wird morgen die politische Einigung Europas" erzwingen helfen. Die Europäer gehören einer "einzigen Rasse" an, behauptet er, was die Grundlage sein könnte, "eine einzige Nation" zu bilden. Weil auch die "Amerikaner" es vormachten, von denen viele Nachkommen aus Europa sind und dem Grafen zufolge "eine der stolzesten Schöpfungen europäischen Blutes und Geistes" seien, ihre Erbfeindschaften überwanden und zu einem "gemeinsamen Patriotismus" gefunden hätten, könne auch Europa von diesem Zusammenschluss lernen. "Es ist an der Zeit, dass die Europäer erkennen, dass es nicht weniger irrsinnig ist, ihnen die Beibehaltung ihres Systems der Uneinigkeit zuzumuten, [welches] sie mit mathematischer Sicherheit zugrunderichtet". Nur über den vorbereiteten Weg könne man so auch eine "wirtschaftliche Auferstehung Europas" einleiten. Mit den USA könne man in der uneinigen Verfassung "weder wirtschaftlich noch politisch konkurrieren", weil dort ein System der zwischenstaatlichen Ordnung herrsche. In Europa sei es eines der "zwischenstaatlichen Anarchie".

Dieser Zustand anarchistischer Dinge in europäischen Gefilden müsse schnellstens weichen, um zur Einigkeit zu gelangen. "Denn Anarchie ist die einzig zutreffende Bezeichnung für diese Gesellschaft von 34 Staaten", da es noch keine gemeinsame Rechtsordnung und Organisation gibt, als auch keine gemeinsamen "Organe oder Behörden", eine Verfassung, einen Gerichtshof, eine gemeinsame Polizeistruktur und natürlich "Solidarität". Bisher konnte seiner Meinung nach, damals, beobachtet werden, dass zwischen den Staaten in Europa Gewalt vor Recht ginge und Drohungen und Erpressungen seien die "üblichen Verhandlungsmethoden". Das herrschende "Faustrecht" erinnerte ihn an finstere Tage des Mittelalters. Sowjetrussland mache es vor, dass auch dort ein Staatenverband möglich sei. "Nur in Europa hat sich die Welt schon an diesen Zustand der Anarchie gewöhnt". Sich selbst schrieb der Graf zwar keine prophetischen Züge zu, gab jedoch zu verstehen: "Wer die Gefahren und Hintergründe der europäischen Politik, der europäischen [Intrigen], Interessenkonflikte und Gegensätze kennt, muss sich jeden Morgen beim Erwachen von neuem darüber wundern, dass der Europäische Krieg noch nicht ausgebrochen ist".

Der ehemalige Graf konnte auch allgemein "finstere Dinge" beobachten. Es gab seiner Meinung nach an allen möglichen Ecken und Enden in Europa "Zündstoff" und zudem so viele Brandstifter in hohen und höchsten Kreisen, dass ihm wohl mulmig wurde. Die sich stets aufschaukelnden europäischen Spannungen könnten zu einer gewaltigen Explosion führen. "Wenn der Krieg immer wieder hinausgeschoben wird, so liegt es nur daran, dass diese Brandstifter immer wieder vor dem letzten Schritt zurückschrecken". Dies demnach wohl aus Furcht, "sie könnten im großen Brande mit verbrennen". Damals wie heute spielten Politiker und andere "Kreise" ständig mit dem Feuer. Damit würde "eines Tages auch ohne ihren Willen" der Krieg ausbrechen. Die Historie zeige es deutlich, solange Europa im zersplitterten Zustand agierte, führte dies immer wieder zu Kriegen. Von einigen als eine Art Drohung aufgefasst stellte er zur Wahl: "Europäischer Krieg - oder europäischer Zusammenschluss". Gesellschaftliche Problematiken sprach er in seinen Schriften ebenfalls an. Die verfeindeten europäischen Staaten könnten in künftigen kriegerischen Auseinandersetzungen darauf abzielen, möglichst viel Menschen der gegnerischen Bevölkerung umzunieten.

"Denn um im übervölkerten Europa wie zur Zeit der Völkerwanderung Siedlungsräume für die eigene Übervölkerung zu schaffen, müsste die feindliche Bevölkerung entweder ausgerottet oder in andere Erdteile abgeschoben werden". Wegen der noch nicht erreichten Einigkeit Europas läge eine ständige Kriegsgefahr in der Luft, die Antrieb zur Einigung sein könnte. Und solange diese Gefahr nicht gebannt sei, solange würde auch das europäische Wettrüsten weitergehen. Nur zwei sich aufrüstende Staaten reichten aus, um damit die "abstrahlende" Rüstung anderer Staatsgebilde zu befeuern. Das damit forcierte Wettrüsten verschlinge allmählich die Volksvermögen, was zu einem wachsenden Steuerdruck und zur Verelendung der jeweiligen Völker führe. Auch hier sieht Coudenhove-Kalergi als Lösungsmöglichkeit ein geeintes Europa: "Nur ein europäischer Systemwechsel kann das Wettrüsten beenden". In den da auszurufenden "Vereinigten Staaten von Europa", die von ihm wahlweise auch einfach nur als Paneuropa bezeichnet wurden, müssten "Mitglieder dieses Europäischen Bundes ebenso wenig" gegeneinander rüsten.

Wo das Wort Militär und Rüstung ist, sind natürlich auch die "Ressourcen" nicht weit. Im Zusammenhang der Idee zur Formung eines gemeinsamen einheitlichen europäischen Marktes würde alles besser werden. Zu seiner Zeit importierten die von zahlreichen Rohstoffen aus dem Ausland abhängigen Staaten Europas für ihre jeweilige Industrie, was Spannungen untereinander verursachte. "Das Elend der Massen verwandelt sich in Exportprämien; Jedes Steigen der Reallöhne und der sozialen Lasten bedroht den nationalen Export; Solange dieser Zustand andauert, bleibt das europäische Massenelend unausrottbar". Zur allgemeinen Verbesserung auch der wirtschaftlichen Dinge müsse nun schnellstens ein "großer europäischer Markt" etabliert werden, der damals "400 Millionen Konsumenten" beinhalte. Ergänzt werden könnte er noch, ist er einmal eingerichtet, durch "die afrikanischen Kolonien der europäischen Staaten". Zu seiner Zeit hätten sich um Europa herum verschiedene wirtschaftliche Großräume gebildet gehabt, wie in Nordamerika, Kanada, Brasilien, Russland, China, Indien und Australien. Wenn Europa nicht zur Einigkeit gelänge und sich die Staaten in nationaler Autarkie zu verwirklichen suchen, zögen dunkle Wolken am Horizont herauf. Schreite Europa auf diesem Weg weiter, "ist eine soziale Katastrophe unvermeidlich".

Die betroffenen Völker würden bald zur Revolution eilen. "Die Völker, die in Elend und Armut verkommen, werden eines Tages zur Erkenntnis erwachen, dass dieses Elend nicht Schicksalsfügung ist, sondern Menschenwerk. Nicht Verhängnis sondern Verbrechen. Sie werden sich gegen die Verbrecher wenden, die aus Trägheit, Dummheit oder Eigennutz am System der europäischen Wirtschaftszerstückelung festhalten und so schuld sind am Elend der europäischen Massen". Coudenhove-Kalergi als Mitglied der Wiener Freimaurerloge Humanitas war schon mit seinen anderen Publikationen aufgefallen, die immer eine gewisse "revolutionäre Note" in sich trugen. Sollte Europa nicht zur Einigkeit gelangen und die "europäischen Massen" verkommen, trüge dies nicht nur zur Gewalt bei, sondern diese sei natürlich allgemein begleitet von "revolutionären Dingen". In "Kommen die Vereinigten Staaten von Europa" meinte er: "Diese große Revolution kann im Namen des Bolschewismus erfolgen oder einer anderen ähnlichen Idee". Schlüge eine solche große Revolution in Europa ein, ähnlich wie es in russischen Gefilden der Fall war, so werde diese wohl unzählige Opfer mit sich bringen.

"Diktiert vom Hass, von der Verzweiflung, der Erbitterung, der Rachsucht und der Empörung droht [die Revolution] nicht nur das System der europäischen Zersplitterung in die Luft zu sprengen, sondern die gesamte europäische Kultur, die Schöpfung dreier Jahrtausende: bis andere Rassen oder Erdteile das große Erbe antreten, das Europa durch seine Uneinigkeit so leichtsinnig vertan und verraten hat". Er glaubte zu wissen, dass die europäische Revolution das Zeichen "zum allgemeinen Massaker gibt", welche den Krieg auslöst, die europäischen Quellen der Produktion verschüttet und letztlich ein "unbeschreibliches Elend hinterlässt". Nur eine Lösungsmöglichkeit gäbe es, die damalige Struktur Europas solle durch ein "Bundessystem" ersetzt werden. Doch viele sehen und sahen die Verwirklichung dieses langen Traums von Paneuropa nur als "ideale Forderung", für sie sei demnach der "Untergang des Abendlandes ein unabwendbares Verhängnis". Solche Leute wären damals darauf getrimmt gewesen, den Glauben an die Einigung zu zerstören und damit die "Wiedergeburt Europas" zu blockieren.

Für Coudenhove-Kalergi sei "Paneuropa" (die Vereinigten Staaten von Europa) nur umsetzbar, wenn es eine Kontrolle der Regierenden durch die Regierten gibt. Der Staatenbund bedeute auch nicht, dass alle Verfassungen der einzelnen Staaten gleichgeschaltet werden sollten. In Paneuropa könne es "Monarchien neben Republiken geben, zentralistische Staaten neben föderalistischen, korporative Volksvertretungen neben parlamentarischen". Nicht hineingelassen werden solche Gebilde, die kein Menschenrecht anerkennen, deren Führer über Gesetze und Verfassungen stehen und die dadurch in dauernden Gegensatz geraten müssen zu anderen Staaten des Bundes. Mit solchen staatlichen Konstruktionen wäre zwar der Waffenstillstand machbar, doch kein zu erhaltendes Friedenssystem. Ursprung und Quelle des zu errichtenden Paneuropas müssten solche Staatsgebilde sein, welche den Grundsatz der Kontrolle der Regierenden durch die Regierten und das Prinzip der Menschenrechte respektieren. Als wichtige "Kristallisationspunkte der Einigung" Europas nannte er nicht etwa Deutschland oder die Schweiz, sondern "die Leuchttürme" England und Frankreich.

In den 1930er Jahren verdeutlichte der Graf immer wieder, dass das neue Europa später offenbar wie Phönix aus der Asche steigen könnte. Mit dem Aufbau "Paneuropas" könne sofort begonnen werden, auch wenn die "Fertigstellung" des Bundes von der innerstaatlichen Entwicklung einiger anderer europäischer Nationen abhinge. Der Weg zum Ziel müsse schrittweise vollzogen werden und auch die "deutsche und die italienische Einigung" hätten vorgemacht, dass sie sich "in Etappen" vollzogen. In Deutschland konnte man erst den "Deutschen Bund" errichten, dann den nord- und süddeutschen sowie den mitteldeutschen Zollverein. Später kam es dann zum "Deutschen Zollverein", der Norddeutsche Bund folgte und dann das Deutsche bzw. "Großdeutsche Reich". Auch die Entwicklung der Schweiz hätte sich langsam vollzogen, was die "Einigung" angeht. "Ebenso wird Europa sich nicht an einem Tage einigen, sondern Schritt für Schritt: nur muss mit den ersten Schritten begonnen werden, damit die nächsten folgen können". Die geschichtliche Entwicklung mache es vor, alles wüchse zu immer größeren Strukturen zusammen.

"In einem primitiven Zeitalter reichten die Gemeinschaften kaum über Dörfer und Gaue" hinaus. "Dann verbanden sich Gaue zu Ländern. In den letzten Jahrhunderten vollzog sich der Zusammenschluss von Ländern zu Nationalstaaten. Aber auch diese Entwicklung ist nicht endgültig. Heute stehen wir inmitten einer Entwicklung der Welt zu Staatenverbänden, zu Großräumen". Der britische Staatenverbund hätte einen wichtigen Weg gewiesen, durch seine "Organisation" eines Viertels der Welt und der Menschheit zu einem "Staatenbund". Die mittlerweile untergegangene bzw. selbstaufgelöste Sowjetunion umfasste damals in 1938 ein Sechstel der bewohnten Erde und Japan hätte den Versuch unternommen, unter seiner eigenen Führung die ganze "gelbe Rasse" zu einem Staatenbund zusammenzufassen. Die panamerikanische Union unternahm es, alle Republiken der Neuen Welt zu einem großen Staatenbund zu vereinigen. Diesen Beispielen müsse Europa als Ganzes folgen. Wolle dieser Kontinent "nicht hinter der übrigen Weltentwicklung zurückbleiben, so muss es dem Beispiel des amerikanischen Kontinents folgen und der panamerikanischen Union so schnell wie möglich eine paneuropäische an die Seite stellen", so Coudenhove-Kalergi vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs.

Die Entwicklung solcher angemerkten Großräume sei auch eng verbunden mit dem technischen Fortschritt. Als Beispiele nannte der Graf Eisenbahnen und Flugzeuge, neben dem Automobil. Mit Blick auf deutsche Gefilde führte er Friedrich List an, dem geistigen Vater des deutschen Zollvereins, der durch die Entwicklung der Eisenbahn teils zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die Kleinstaaterei unhaltbar und die deutsche Einigung notwendig sei. Ähnliche Ansichten sollen auch in Italien zur Einigung beigetragen haben. Auf großeuropäischer Ebene wäre ihm zufolge aber "das Flugzeug" entscheidend. "Das Verschwinden der europäischen Binnenzölle und der Aufbau der Vereinigten Staaten von Europa wird durch die Zukunftsentwicklung des Flugwesens erzwungen". Die Einigung Europas werde durch die technischen Entwicklungen beflügelt, dieser Tatsache solle sich auch die Politik stellen, möchte sie nicht von den Entwicklungen überrannt werden. "Wenn Paneuropa nicht durch die Einsicht der Regierenden und den Willen der Völker kommt - wird es durch den Fortschritt der Technik erzwungen werden". Auch wenn das von Coudenhove-Kalergi postulierte "Paneuropa" damals noch keine wirkliche Realität gewesen sei, so hätte es doch ein "hübsches Vorbild" gegeben.

Es existierte noch nicht im Großen, doch aber im Kleinen - die Schweiz als "Zentrale". "Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die Schweizer Eidgenossenschaft mit ihren verschiedenen Sprachgruppen neun Zehntel aller Probleme vorbildlich gelöst hat, mit denen sich Paneuropa heute und morgen auseinandersetzen muss". Es sei der Schweiz als kleines Land in Europa gelungen, so der Graf damals, 25 Staaten zu einem Bund zusammenzufassen, mit gemeinsamer Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Heerespolitik, ohne aber die Souveränität und die Verfassungen der Einzelstaaten aufzuheben. In der Schweiz leben deutsche, französische und italienische Europäer seit Generationen friedlich zusammen. Und vor allem hätte man hier "das Problem der Grenzen gelöst, das [damals] weite Gebiete Europas vergiftet und mit Kriegsgefahr bedroht" hätte. In der Schweiz habe man die Grenzen zwischen den Einzelstaaten "unsichtbar gemacht". Jene Tatsache der "unsichtbaren Grenzen" in der Schweiz zeige ihm zufolge, dass die Behauptung, Italiener, Franzosen und Deutsche seien Erbfeinde und könnten nicht in einem Staatenbund zusammenleben, eine gefährliche und "bösartige Lüge" sei. Die Schweiz leiste allein durch ihr Dasein den "stärksten Beitrag zum Aufbau der Europäischen Eidgenossenschaft".

Kritiker meinten, dass ein möglicher Erfolg eines paneuropäischen Experiments nicht mit der kleinen Schweiz verglichen werden könne, im großen europäischen Rahmen verliefe es anders. Zudem wurden Einwände gegen die Modellübertragung gehegt, dass die Einigung der Schweiz ja nicht innerhalb weniger Jahre stattfand, sondern ein sehr langer Prozess gewesen sei. Nur eine kleine Minderheit sei dem Grafen nach gegen die Etablierung eines Großgebildes der hier als "Vereinigte Staaten von Europa" bezeichneten Konstruktion gewesen. Diese versuchten auch ständig den einigenden Gedanken zu zerstören und die Passivität zu fördern. "Die Passivität wird sofort verständlich, durch den Umstand, dass eine sehr kleine aber sehr einflussreiche Minderheit von politischen und wirtschaftlichen Führern mehr oder weniger von der europäischen Zersplitterung lebt oder wenigstens von ihr profitiert und darum keinerlei Sehnsucht nach den Vereinigten Staaten von Europa empfindet". Zu der von Coudenhove-Kalergi bezeichneten "Minderheit" gehörten: zahlreiche Politiker verschiedenster Parteien, Journalisten, Staatsbeamte, Militärs, Großgrundbesitzer, Industrielle und Bankiers.

Bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs konnte der "lange Traum" nicht verwirklicht werden, danach schritt man stets weiter voran, das "Projekt Paneuropa" in neuer Gestalt umzusetzen. Die Haltung Englands, unterstützt durch die Genfer Bürokratie, sah in dem Modell einer "Europäischen Union" eine gefährliche Rivalin, schreibt der Graf. Anstelle eines europäischen Staatenbundes gab es damals nur ein "Studienkomitee für die Europäische Union", im Rahmen des Völkerbunds. Mit der geplanten Zollunion zwischen Deutschland und Österreich wurde die europäische Krise weiter befeuert. Die deutsch-französischen Beziehungen litten darunter, damit auch die europäische Zusammenarbeit. Der "schwerste Schlag" für Paneuropa sei gewesen, dass sich Deutschland (Drittes Reich) von dem Projekt abgewendet hätte. Die Idee zur Schaffung eines solchen Bundes sei nach Coudenhove-Kalergi tief im Deutschtum verwurzelt gewesen, auch wegen der Kritik am Versailler Vertrag, dem Kampf "für die volle Gleichberechtigung Deutschlands" oder für die rechtzeitige Streichung der Reparationen.

Außerdem hätten viele der Wirtschaftsführer erkannt, welche Möglichkeiten für die deutsche Industrie in der Organisation eines gemeinsamen europäischen Marktes lägen, mit "gleichberechtigtem Zutritt zu den kolonialen Rohstoffquellen". Der Graf merkte zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten außerdem an: "Die paneuropäische Wirtschaftspropaganda geht von der Tatsache aus, dass Europa seit dem [Ersten Weltkrieg] aufgehört hat, die Fabrik der Welt zu sein. Dass sich nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch die Sowjetunion, Japan, China, Indien, Südamerika, Australien, Kanada und Südafrika immer stärker industrialisieren und [dass sie als] Kunden [immer mehr zu] Konkurrenten Europas auf dem Weltmarkt werden". Europa würde immer mehr vom Weltmarkt verdrängt, die Lösung seien die: Vereinigten Staaten von Europa. Als Ersatz für die verlorenen außereuropäischen Märkte solle man den europäischen Markt umorganisieren und vor billigen Importen aus asiatischen und amerikanischen Industriezentren schützen. "Die Überschwemmung einzelner Wirtschaftszweige mit japanischen Waren zu Preisen, mit denen die europäische Industrie nicht konkurrieren konnte, war eine Warnung; ebenso das russische Dumping".

Auch scheinbar aktuelle Themen wurden von Coudenhove-Kalergi angesprochen, wie welche mit Blick auf die USA. "Noch stärker bedroht scheint der europäische Agrarmarkt. Wie der europäische Industriearbeiter nicht konkurrenzfähig ist mit seinem viel bedürfnisloserem Kollegen in Ostasien, ist es dem europäischen Bauern nicht möglich, die Konkurrenz aufzunehmen mit dem amerikanischen Farmer, der über große Flächen, bessere Rationalisierung und billigere Transportmöglichkeiten verfügt". Unter anderem deswegen verschlechtere sich auch immer mehr die Lage der osteuropäischen Agrarbevölkerungen. Die Krise im Agrarbereich hätte einen wichtigen Markt gelähmt. All dies könne man überwinden, so der Graf zu seiner Zeit, mit der "Einigung Europas". Eine solche hatte bekanntlich schon Napoleon gewaltsam angestrebt und Hitler wollte das Großreich mit gleichem Geist unter deutscher Führung verwirklichen. In der einst geschmiedeten "Heiligen Allianz", also europäische Staaten zusammen mit Russland, hieß es, man hätte eine gemeinsame Weltanschauung, deren „Kernbild“ Europa sei.

Coudenhove-Kalergi schrieb: "Wie die Heilige Allianz aus dem Kampf gegen Napoleon hervorgegangen war, so entstand das junge Europa aus dem Kampf gegen die Heilige Allianz". Als geistiger Anführer der Europa-Bewegung wird von ihm "eine der edelsten Gestalten seiner Zeit" genannt: Giuseppe Mazzini, ein Freimaurer und Altgroßmeister des Grande Oriente d’Italia. Dessen Bewegung sei auch so etwas wie ein Vorläufer von "Paneuropa". Diese "unterschied sich von allen früheren Einigungsversuchen dadurch, dass sie unmittelbar an die Völker appellierte und darum in mehr als einem Sinne als Vorläuferin der Paneuropa-Bewegung des zwanzigsten Jahrhunderts gelten kann". Deren ursprüngliche sowie organisatorische als sog. Vereinigung "Junges Europa" (Schweiz, Bern, 1834) bezeichnete Struktur errang aber noch keine große Bedeutung, man werkelte vielmehr "abseits der Öffentlichkeit" umher. Laut dem Grafen ging "die Saat auf in der europäischen Revolution 1848". Sie konnte von Paris ausgehend rasch nach Mailand, Venedig, Rom, Wien, Berlin, München, Dresden, Prag und Budapest getragen werden.

Die gewaltsame "Einigung" Europas unter Napoleon soll mit den ominösen Gedanken viel früherer Herrscher befleckt gewesen sein. Als dieser zum "ersten Mal in der Neuzeit die Einigung Europas vollzog, wies er immer wieder auf seine beiden Vorläufer hin: Julius Cäsar und Karl den Großen. Denn Cäsar hatte das antike Europa geeinigt, Karl das mittelalterliche", wie der Graf behauptet. Später konnte sich eine "neue Form abendländischer Gemeinschaft" etablieren, heißt es, so gesehen ein "geistliches Paneuropa": die Kirche. Damit wurde Rom erneut zur Residenzstadt Europas und seiner geistlichen Herrscher. Europa sei angeblich durch den Glauben eine "große Gemeinschaft" geworden, trotz der weltlichen Zersplitterung. "Den Höhepunkt dieser europäischen Hierarchie bildet die Regierung des großen Papstes Innozenz III.; der auch der weltliche Lehensherr großer Reiche und anerkannter Schiedsrichter und Führer Europas war. Denn Kaiser und Könige, Staatsmänner und Feldherren erschienen nur als Diener der Kirche, deren Statthalter die Bischöfe und deren geistliche Festungen die Klöster waren".

Auch "islamische Irritationen" wurden von ihm behandelt. Etwa in der Art, wonach diese damalige Einheit des mittelalterlichen Europas ihren politischen Ausdruck in den Kreuzzügen gefunden hätte: "in diesen europäischen Feldzügen der Christenheit gegen den Islam, Europas gegen Asien". Das Papsttum spielte sich als "Mobilisierer" auf. In diesem Heerbann der Kirche kämpften Kaiser und Könige, Fürsten und Ritter als Soldaten Europas. "Hier gab es keinen Unterschied der Muttersprachen, keinen Unterschied des Volkstums - sondern nur eine Gemeinschaft des Kampfes für das Abendland, für das Christentum, für Europa". Nach Auffassung von Coudenhove-Kalergi wurden die absolvierten Kreuzzüge zu einem "lebendigen Ausdruck des Europäischen Nationalgefühls, das während des Mittelalters dem Islam gegenüber lebendig war". Aber schon an der Wende zur Neuzeit hatte der König Böhmens, Georg von Podjebrad, eine Art "Europäischen Staatenbund" im Auge. Dies speziell aus der Begründung heraus: "um die wachsende Türkengefahr abzuwehren und den Dauerfrieden innerhalb Europas zu sichern". Durch die spätere Reformation in Europa wurde es in zwei Lager geteilt.

Zu diesem zeitlichen Abschnitt meinte der Herr Graf: "Die folgenden Religionskriege zerstörten de[n] Rest europäischer Solidarität. Der Hass zwischen Katholiken und Protestanten war stärker als der Hass; gegen die Mohammedaner". Außerdem trug dazu die Erstarkung des Nationalgefühls bei, durch die Gründung von Nationalstaaten in Spanien, Schweden und Frankreich. Der Zusammenbruch der "Solidarität" Europas im 16. Jahrhundert hätte unter anderem daran gelegen: "dass die Bedrohung des Abendlandes durch den Islam mit der Schlacht bei Mohacz; und der Eroberung Ungarns im Osten ihren Höhepunkt erreicht hatte, während im Westen das letzte Maurenreich Granada vom christlichen Spanien erobert worden war. Europa hatte den Vormarsch des Islam aufgehalten: nun konnte es sich ungestört der Austragung seiner nationalen Rivalitäten hingeben". Als weiterhin einwirkend und verhängnisvoll für die Einigung bezeichnet wird der Siegeszug der Europäer, welcher mit der Umschiffung Afrikas und der Entdeckung Amerikas begonnen hätte. "Während an allen Gestaden Amerikas, Afrikas und Asiens neue Kolonien gegründet wurden, rangen die Staaten Europas miteinander um deren Besitz".

Die Welt wurde immer mehr zum Herrschaftsbereich europäischer Interessen, Europa hatte damals in keinem Teil der Welt einen ernstzunehmenden Rivalen. "Nachdem ein gemeinsamer Gegner fehlte, entfiel ein Hauptgrund für die europäische Solidarität und Einigung". Die europäische Weltherrschaft, die im 16. Jahrhundert begonnen hatte, fand ihr Ende dann erst einmal im Weltkrieg. "Sie hatte bereits einen entscheidenden Stoß erlitten", demnach durch "die Befreiung Amerikas". Nachdem die USA Spanien niederrangen und der Sieg der jungen japanischen Militärmacht über Russland absolviert wurde, schien der europäische Traum einiger einflussreicher Clans zu platzen wie eine Seifenblase. Ein weiteres und jüngeres Schreckgespenst war der Bolschewismus, der die europäischen Staaten enger zusammenrücken lassen sollte. Coudenhove-Kalergi glaubte zu wissen: "Aber diese bolschewistische Welt, die in der Nachbarschaft Europas entstanden ist, macht kein Geheimnis aus ihrer Absicht, Europa zu revolutionieren und ihrem Staatenbund einzugliedern".

"Wie zu Zeiten des Islam hat Europa einen Nachbarn und Gegenspieler gefunden, dessen Dasein es dauernd zur Einigkeit und Gemeinschaft mahnt". Somit könne nun durch diese geschaffene Bedrohung das Zeitalter der Zersplitterung auch bald vorbei sein, "da drei neue Weltmächte auf den Plan getreten sind, die [Europas] Weltmacht ablösen". Wegen dieser neuen Mächte könne sich Europa nicht mehr den "Luxus" von Bruderkämpfen leisten. Es könne nur noch wählen zwischen Zusammenschluss und Untergang. "Unter diesem Druck wird das Dritte Europa entstehen: nach dem Römischen Imperium und dem Christlichen Abendland - die Vereinigten Staaten von Europa". Und trotzdem sei der "Kontinent Europa" schon immer ein künstlicher gewesen, kein natürlicher. Die Natur habe eine "europäische Halbinsel des großen asiatischen Festlandes geschaffen". Europa bildete sich heraus durch seine besondere Geschichte, Politik, Kultur. Eine Art "Großeuropa" vom Atlantik bis zum Pazifik, in Zusammenschluss von "Europa mit Russland", sei damals in den 1930er Jahren aber noch nicht machbar gewesen, wie er meinte.

"Denn ein Großeuropa bis zum stillen Ocean wäre von Anbeginn gespalten in den bolschewistischen Osten; und in den abendländischen Westen; Eine wirkliche Union zwischen [Europa und Russland] diesen beiden grundverschiedenen Teilen Großeuropas wäre unmöglich, bevor nicht entweder Russland zur abendländischen Kultur zurückkehrt - oder aber ganz Europa bolschewistisch wird". Alles könne in Zukunft aber auch für die Aufnahme der Türkei in "Paneuropa" sprechen, denn dem Grafen zufolge hätte damals das Reformwerk Atatürks schon wichtige Früchte davongetragen, es bedeute "den Anschluss der Türkei an die europäische Kultur". Mit diesem Schritt könne dann "Großeuropa" auch weiter wuchern. "Der Anschluss der Türkei an Europa eröffnet weite Ausblicke für eine künftige Ausdehnung des europäischen Systems über große Teile Vorderasiens". Der eingeschlagene Weg Atatürks sei der richtige. Der falsche sei damals der islamistische von Ibn Saud gewesen, welcher künftig für Europa zu einer Gefahr werden könnte, aber immerhin einer mit einigender Wirkung.

Doch nicht nur Vorderasien läge im Bereich eines künftigen Paneuropas bzw. der Vereinigten Staaten von Europa bzw. der Europäischen Union. Offenbar vorausblickend sprach er auch "mögliche Dinge" als einigende Gefahren in Nordafrika an. "Eine antieuropäische Macht in Vorderasien könnte eines Tages auch das mohammedanische Nordafrika gegen Europa mobilisieren und dieses von seinem afrikanischen Kolonialreich abschneiden: von einer der größten Zukunftshoffnungen Paneuropas". Vorderasien müsse permanent im Blickfeld bleiben, um das spätere europäische Großreich passend zu formen und zu erweitern. "Vorderasien als verlängertes Paneuropa ... könnte nicht nur eine Landbrücke bilden nach Ägypten und dem übrigen Afrika, sondern auch nach Indien. Die Schlüsselstellung zu dieser Zukunftshoffnung liegt in der Türkei. Schon darum muss Europa die Türkei, die heute europäisch sein will, immer stärker im europäischen System verwurzeln".

Das "Großeuropäische Reich" verglich der "adelige Graf" und Paneuropa-Vater jüngerer Zeit Coudenhove-Kalergi immer wieder bizarr mit "Amerika". Aus dem Blickwinkel der 1930er Jahre hieß es etwa noch für die "allgemeinen Planungen": "Die Grenzen Europas sind nicht identisch mit denen des Europäischen Reiches. Denn dieses Reich umfasst auch die Kolonien der europäischen Staaten, in erster Linie den größten Teil Afrikas". Ähnlich wie auf dem amerikanischen Kontinent, könne es Europa ergehen. "Wie Südamerika die südliche Fortsetzung Nordamerikas, so ist Afrika die südliche Fortsetzung Europas; Die Erschließung Afrikas ist eine der größten Aufgaben und Hoffnungen Europas ... Wenn Europa hier zusammenarbeitet, statt seine Rivalität, Uneinigkeit und Zersplitterung auf diesen Kontinent zu übertragen [bereit ist], so kann Afrika noch in unserem [20.] Jahrhundert einen ähnlichen Aufschwung nehmen wie im vergangenen Amerika ... dieser Garten Europas, kann zugleich dessen Rohstoffquelle werden und wichtigster Markt". Besonders auch Deutschland und die kleinen Länder würden von dem "einigen Europa" der Zukunft profitieren.

"Auch die deutschen Dichter und Denker waren fast ausnahmslos europäisch eingestellt; außerdem der größte Teil der deutschen Wirtschaftsführer, die ihre nationale Wirtschaft an ihrer Rohstoffarmut, an ihrem beschränkten Markt und ihren engen Grenzen ersticken sahen und sich nach der Weite eines europäischen Wirtschaftsimperiums sehnten". Neben "deutschen Interessen" tat sich das "einige Italien" als Freund des Projekts hervor, besonders sozialistische Strukturen wollten hier revolutionär "Nägel mit Köpfen" machen. Das Mittelmeerland hätte eine "große europäische Tradition", was auch Goethe erkannt haben soll. Denn "von Julius Cäsar zu Papst Innozenz III., von Dante zu Mazzini" zog sich der Wille fort, "Europa zu einigen". Neben den psychologischen "Verbindungen" geheimer Kreise waren sich aber auch Kritiker des "großen Europas" in Italien darüber bewusst, dass man von Rohstoffen abhängig ist, wie der Junkie von der Nadel. "Darum wird fraglos Italien eines Tages eine führende Rolle spielen bei der Einigung und dem Neubau Europas".

Für das Großkonstrukt muss natürlich auch ein passendes Volk konstruiert werden. "In Wahrheit gibt es in Europa nur eine Europäische Rasse, gemischt aus nordischen, alpinen und mittelländischen Elementen ... Geschichte und Biologie [würden es evident machen], dass es in Europa nicht eine Mehrzahl von Rassen gibt, sondern nur eine einzige, hervorgegangen aus unzähligen Blutmischungen. Diese weiße Rasse gliedert sich durch die Verschiedenheit der Sprache, des Glaubens und des historischen Schicksals in verschiedene Zweige und Gruppen. Dennoch bilden alle Europäer eine einzige große Familie, deren einzelne Linien in verschiedenen nationalen und religiösen Schulen eine andere Ausbildung erhielten und erhalten. Diese Europäische Rasse, die sich über Amerika, Sibirien und Australien ausgebreitet hat, schuf in den letzten vier Jahrhunderten die neue Weltkultur", fabulierte der Herr Graf offenbar unter Drogeneinfluss. Nur das einige Europa könne diese "edle Rasse" auf Dauer schützen. "Denn Europa ist und bleibt das Kernland der weißen Rasse und der Mittelpunkt ihrer Kultur: Am Europäischen Schicksal hängt das Schicksal der weißen Menschheit: ihre Auferstehung oder ihr Untergang", wie es so schön hieß, möglicherweise auch nach einschlägiger Konsumierung der Goebbels-Propaganda.

Die Einigung des europäischen Großreiches werde jedoch, wie weiter oben schon angemerkt wurde, nach der zeitgeistlichen Meinung des Grafens damals, nicht nur durch den herbeigeredeten Faktor der "europäischen weißen Rasse" bestimmt, sondern auch in technischer Hinsicht. Seinem tiefen Glauben nach wäre es "über jeden Zweifel sicher, dass die europäische Zerstückelung noch im Laufe unseres [20.] Jahrhunderts unter dem Zwang der technischen Entwicklung ihr Ende finden wird". In seinen Büchern schilderte der Herr Graf verschiedene Pfade, um das neue Großreich am Ende dieser in seiner vollen Stärke aufblühen zu sehen. In der Publikation "Kommen die Vereinigten Staaten von Europa" hieß es im entsprechenden Kapitel mit der Überschrift "Weg und Ziel", es gäbe drei Möglichkeiten. Auf der einen Seite der Anschluss Europas damals an die Sowjetunion, im Rahmen einer "sozialen Revolution", die direkte Errichtung einer Hegemonie durch das Dritte Reich in Mitteleuropa, hier erfolge die Ausbreitung durch Krieg oder Kriegsdrohung oder aber ein "freiwilliger Zusammenschluss", demnach wohl aus der Asche heraus, zu einem "Staatenbund freier und gleichberechtigter Völker". Letzterer Weg sei der optimale.

"Paneuropa kann auf dem längeren Weg des Friedens" errichtet werden oder aber auch auf "dem kurzen Weg des Krieges". Man wäre dem adeligen Herren zufolge aber fest entschlossen gewesen, "den Weg des Friedens zu gehen und den Weg des Krieges nur dann zu beschreiten, wenn er uns von den Feinden Paneuropas aufgezwungen wird". Das ganze wurde vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges niedergeschrieben. Er war der Meinung, man müsse mit der Möglichkeit des Kriegsausbruchs durchaus rechnen, "in dem die Achse Rom-Berlin gegen die Entente Paris-London und dessen Verbündete kämpft". Die Oberhand behielten seiner Meinung nach aber die letzteren Strukturen. "Nach der Zerstörung sämtlicher europäischer Luftflotten und Flugzeugfabriken würde die Entscheidung den angelsächsischen Staaten Nordamerikas zufallen mit ihrer intakten Flugzeugproduktion. England, Frankreich und ihre Verbündeten würden dann den Frieden diktieren und die Vereinigten Staaten von Europa gründen, um einen Dritten Europäischen Krieg unmöglich zu machen und die Grundlagen zu schaffen für eine Europäische Versöhnung und nach den schrecklichen Verwüstungen des Krieges einen gemeinsamen wirtschaftlichen Aufstieg".

Neben der europäischen Union beschäftigte sich der Herr Graf auch immer wieder mit einer sogenannten "Weltunion". Dazu hieß es zum Beispiel, damals noch: "In Wahrheit steht heute die Einigung Europas auf der Tagesordnung der Geschichte, während die Frage der Weltunion Zukunftsmusik ist. Es war der Grundirrtum Wilsons und seiner Mitarbeiter, diesen entscheidenden Unterschied zu übersehen. So wurde der Völkerbund zu einer Enttäuschung - während Paneuropa die größte Hoffnung unserer Generation bleibt". Wo wir an dieser Stelle schon bei der "Generation" sind, so hieß es dem Grafen nach, müsse das kommende großeuropäische Reich auch eine „gemeinsame Sprache haben“, zumindest aus seiner Betrachtung im theoretischen Sinne. Es wäre "von außerordentlichem Vorteil für die europäische Solidarität, wenn Europa sich auf eine Sprache einigen würde, die innerhalb einer Generation jeder Europäer neben seiner Muttersprache erlernen soll; In erster Linie kommt zweifellos die englische Sprache in Betracht, weil sie von allen europäischen Sprachen am weitesten verbreitet und mit am leichtesten erlernbar ist und weil sie bereits praktisch die Verständigungssprache der außereuropäischen Welt ist".

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