Die Verteidigung der Wissenschaft und die Formung der Subjekte

Eine interessante Übersicht zu den in der ehemaligen DDR (Deutsche Demokratische Republik) praktizierten Maßnahmen, welche auch dazu dienten, einen möglichst dem ideologischen Überbau passenden Menschentypus zu formen, gibt man in dem in akademischer Sprache verfassten Buch "Psychologie in der DDR" des Autors S. Busse. Man beleuchtet die zahlreichen Problematiken, die der DDR-Psychologie innewohnten, geht eingangs aber auch auf die noch eher zarten Vorstrukturen des Systems ein, welche in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und frühen DDR vorhanden waren - was insbesondere die als antifaschistisch-demokratisch betitelten Dinge anbelangt. Damit in autoritär befleckten staatlichen Konstruktionen die erwähnte nachhaltige Formung von dem System hörigen Individuen rein theoretisch umgesetzt werden kann oder hätte sollen, war, oder ist es bei heute auf der Welt noch vorhandenen Staatssystemen sicherlich notwendig, gewisse Abschottungsmaßnahmen zu vollziehen, damit "zersetzende äußere Einflüsse" z.B. aus westlichen Ländern ferngehalten werden. Im 3. Teil der Publikation von Busse bezieht man ebenfalls den Zeitraum zwischen der Staatsgründung der DDR und den Mauerbau mit ein; und versucht, die allgemeinen gesellschaftlichen wie politischen Hintergründe abzutasten.
In der Zeit zwischen 1949 und 1955 gab es im Osten Deutschlands die Vorstöße, stalinistische beziehungsweise den damaligen Zeitumständen angepasste sowjetische Strukturen zu etablieren. Nachfolgend, in den Jahren zwischen 1956 und 1961, vollzog man aber eine stetige Entstalinisierung, um das sozialistische System in ein möglichst "milder wirkendes" Konstrukt zu verwandeln. Aber nicht nur damit einhergegangene Transformationsphasen nimmt man ins Blickfeld, sondern bezieht zudem wichtige Veränderungen mit ein, die in der DDR im Hochschul- und Wissenschaftsbereich einschlagen sollten. Wo sowjetische Einflüsse wirkten, sollte es nicht verwundern, dass auch der berüchtigte Name: Iwan Petrowitsch Pawlow, ein ehemals russischer Mediziner und Physiologe, der durch seine Hundeexperimente berühmt wurde, nicht fern erschien. Im vierten Teil geht es um die: Strukturelle Übernahme der Pawlowdiskussion in der DDR und man behandelt ebenfalls die dialektisch-materialistische Erneuerungstheorie.
Die planerische Ausgestaltung des DDR-Lebens der meisten Menschen sollte möglichst so wirken, dass sich diese in einem insgesamt umfänglich vorbestimmten System einbetten und auch „wohlfühlen“. Um es mit einfachen Worten auszudrücken, sollten die meisten Individuen als "vollkommene Bürger" des Arbeiter- und Bauernparadieses selbst jeweils für sich denken, sie lebten in einem scheinbar harmonisch selbstbestimmtem Umfeld und der hintergelagerte unbewusst anleitende Einfluss der politischen Strukturen wäre nichts: Negatives. Einige Autoren von entsprechender Fachliteratur aus der DDR, z.B. aus dem Bereich der Soziologie, schrieben darüber, die meisten Menschen dürften nicht selbst erkennen, dass ihre Handlungen eigentlich durch gewisse prägende psychologische Einflüsse mitbestimmt werden. Anrisse unter anderem zu diesem Feld gibt es auch in der hier vorgestellten Veröffentlichung. Im fünften Teil behandelt man die: Psychologie in der DDR als Naturwissenschaft, welche einen angeblichen "gesellschaftlichen Auftrag" gehabt hätte - um das Ziel erreichen zu können, einen neuen Menschentypus hervorzubringen, der, durch auf diesen einwirkende Zwänge und Drücke, nach und nach im sozialistischen DDR-System hätte geformt werden sollen, um insgesamt die gesellschaftliche „Harmonie“ aufblühen zu sehen.
Weiterhin behandelt man den "Generationenwechsel" im sechsten Teil und leitet diesen mit der sog. "Intelligenzpolitik" ein, welche zwischen der Integration, dem Gesamtbündnis und der neuen Disziplinierung zu sehen wäre. Zum Beispiel mit einer: "Neuen Studienordnung" zielte man in DDR-Gefilden unter Sowjetkontrolle mit darauf ab, diese als "Kampfobjekt" zu sehen, um politisch-ideologische Ressourcen zu mobilisieren und stetig in den Köpfen zu verankern. Wegen der planwirtschaftlichen inneren Verhältnisse, und sicherlich auch durch extern auf die DDR-Konstruktion einwirkende Dinge, geht es im siebten Teil um die Psychologie als gesellschaftliche: "Produktivkraft", was natürlich im Rahmen der steif wirkenden Vorgaben ebenso die höher gewichtete Ökonomisierung und die Verwissenschaftlichung des gesellschaftspolitischen Kurses mit einbezog. Im Sozialisationsprozess sollte die Persönlichkeitsformung von Individuen, zum "handlungsfähigen Subjekt", Tugenden mit einbeziehen, damit aus diesen besonderen Prägungen der Menschen dann der: "Produktivitätsfaktor" des Systems nach oben getrieben würde. Dass deswegen unterschiedlichste Problematiken hervortraten, sollte nicht unbedingt verwunderlich erscheinen.
Die Publikation: "Psychologie in der DDR: Die Verteidigung der Wissenschaft und die Formung der Subjekte" ist eine wissenschaftshistorische Arbeit zur DDR-Psychologie und sie versucht auch die gesellschafts-, wirtschafts-, bildungs- und hochschulpolitischen Kontexte in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ausführlich nachzuzeichnen. Die Arbeit könnte als Basis für die weitere historiografische Aufarbeitung mitbenutzt werden, da sie die Komplexität des Gegenstandes anhand schwer zugänglicher, halb- und inoffizieller Quellen faktenreich rekonstruiert und die psychologische Fachliteratur und die graue Literatur der DDR systematisch auswertet. Es werden auf der einen Seite zentrale wissenschaftliche Diskurse der DDR-Psychologie vor dem Hintergrund ihrer zeithistorischen, politisch-ideologischen Einbindungen dokumentiert und auf der anderen Seite dahinterstehende, häufig widersprüchlich erscheinende und paradoxe Handlungslinien der wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Akteure rekonstruiert und analysiert.
Bei Interesse können Sie "Psychologie in der DDR: Die Verteidigung der Wissenschaft und die Formung der Subjekte" des Autors Stefan Busse in der Ersten Auflage aus dem Jahr 2004 - Verlag: Beltz - mit über 380 Seiten in deutscher Sprache unter der ISBN (978-3621275613) oder direkt über das Internet unter der folgenden Quelle beziehen:
Hier: Psychologie in der DDR (2004)
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DDR: Folgen politischer Traumatisierung (2004)
DDR-Psychiatrie: Erzählungen von Zeitzeugen (2011)
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Buch über: DDR-Psychologie... (Schönpflug, Lüer)
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