Weg aus der Krise: Mehr Sozialismus?


Karl Marx

In forcierten Krisenzuständen und damit einhergehender Irritationen werden nicht selten Rufe laut, nun sei es aber wirklich an der Zeit für "mehr Sozialismus", da der Kapitalismus ja gezeigt habe, dass er nicht funktionieren kann und stets zu krisenhaften Auswüchsen führt. Wenn dabei zur Revolution aufgerufen wird oder zumindest im anfänglich kleineren Maßstab zu Demonstrationen, um mehr Sozialismus einzufordern, sollte man ggf. die letzten beiden Gehirnzellen nochmals rückaktivieren, um den Begriff näher zu beleuchten. Für viele gilt Frankreich als die Geburtsstätte des Sozialismus und Kommunismus utopischer Gestalt. Anfang der 1830er Jahre tauchte das Wort "Sozialismus" bei jenen Figuren radikaler Sekten Westeuropas auf, welche die Französische Revolution vorantrieben. Nach und nach bildeten sich unterschiedliche Strömungen heraus, von "extrem" bis hin, zumindest für diesen "besonderen größeren Rahmen", zu eher "harmonisch" erscheinenden. Alle Gruppierungen arbeiteten in ihrer Weise darauf hin, wonach eine bestimmte Gesellschaftsordnung möglich und wünschenswert wäre. Je nach Sekte entwickelte man unterschiedliche Konzeptionen, um das große Ganze zu unterjochen. Die Kritik am wahren Liberalismus stand von Anfang an bei solchen Strukturen hoch im Kurs, der Sozialismus sei die Lösung, der bereits in frühen Zeiten als Synthese anderer Glaubensbekenntnisse angesehen wurde. Umwälzungen, die durch die industrielle Revolution und andere in Europa später hervortretende revolutionäre Einflüsse einschlugen, können als Geburtstrauma der als modern geltenden westlichen Gesellschaften bezeichnet werden.

Die besondere Prägung des Sektennests erfolgte speziell in den Jahren zwischen 1815-1848. Die an den Anfängen stehende Sozialistengeneration, die den Anspruch auf Privateigentum bestritt, hatte natürlich "schwer damit zu kämpfen" ihre Ideen durchzusetzen, weil kein breiter Rückhalt in der Bevölkerung vorhanden war, insbesondere nicht beim gebildeten Bürgertum und anderen als konservativ behaupteten Kräften in der Gesellschaft, die häufig auch "Besitzer" von Land waren. Im weiteren Verlauf kam Jahrzehnte nachdem der Begriff "Sozialismus" erstmals schriftlich auftauchte ein neuer auf, der als "Sozialdemokratisch" bekannt werden sollte. Breitere Verwendung fand der doppeldeutige Begriff nach 1848 und besonders nach 1864. In den Jahren zwischen 1815-1848 hatten die verschiedenen utopisch-sozialistischen Schulen sich je nach Prägung unterschiedlich gewichtet zur Aufgabe gemacht, "Gleichheit" - zum Beispiel durch die Verteilung des Reichtums - müsse und könne verwirklicht werden.

In die sozialistische Vision flocht man nicht nur neu erdachte Hirngespinste ein, sondern entlehnte sich nicht selten auch noch gruseligeren Vorstellungen aus finsteren Zeiten. Naturalistische und materialistische Gepflogenheiten des 18. Jahrhunderts dienten in der Symbiose auch dazu, einen neuen Menschentypus zu formen. Wegen der von England ausgehenden industriellen Revolution war diese besondere Tradition der Vermischung von Hirngespinsten in Frankreich wesentlich stärker ausgeprägt, dennoch wird der ursprüngliche Sozialismus als eine gemeinsame Schöpfung dieser beiden Konstruktionen angesehen. Aus der Naturrechtslehre des Jean-Jacques Rousseau hatte man entnommen, dass, nach seiner Behauptung, der Mensch "von Natur aus" ein geselliges Wesen sei. Dessen angeborene Neigung anderen Menschen Gutes zu tun beeindruckte die Ursozialisten natürlich, wegen der Vision der "Gleichheit". Rousseau fabulierte zu seiner Zeit darüber, wonach es angeblich einst ein Zeitalter gegeben hätte, in welchem ein auf der "unverdorbenen menschlichen Natur" beruhender Vertrag existierte.

Jener "Vertrag" könne wieder zum Leben erweckt werden, um so die "unverdorbene menschliche Natur" herbei zu träumen. Nach Rousseaus Behauptungen hätte das Privateigentum natürlich die "Vertreibung" aus dem ursprünglichen Zustand der Gleichheit beschleunigt. Der Vergemeinschaftung des Eigentums stand er offiziell jedoch trotzdem eher ablehnend gegenüber. In gesetzgeberischer Hinsicht verlangte er einen "allgemeinen Willen". Damit war der Gegensatz zu der Summe der Einzelwillen von Menschen gemeint. Laut Rousseau könne ein solch "allgemeiner Wille" aber nur funktionieren, wenn in einer Gesellschaft das Eigentum gleichmäßig verteilt bzw. "sozialisiert" sei. Angemerkt werden kann kurz, dass in Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts vor allem Grundeigentum den Begriff "Eigentum" bezeichnete. Sowohl in Frankreich, wo speziell revolutionäre Tendenzen vorherrschten, als auch in England, hier waren es reformistische, nutzte man u.a. diese Darstellungen in der aufkommenden sozialistischen Bewegung für eigene Zwecke und Planungen aus.

Von einer nebulösen "Gleichheit" schwafelte aber nicht nur Rousseau sondern auch der französische Agitator Francois Noel Babeuf. In Sylvain Marechals, der die Idee eines agrarischen Sozialismus mit kollektivem Eigentum an Gütern heraufbeschwor, Publikation "Manifeste des Egaux" von 1796, das als eines der ersten kommunistischen Dokumente gilt, verschmolz man die Forderung nach "Gleichheit" mit einem stets anzuwendenden "revolutionären Geist". In den Jahren 1789 und 1793 hatte dies bereits blutige Früchte davon getragen. Schon damals hieß es: Das Volk solle die Macht ergreifen, die Unterschiede in den Klassen müssten abgeschafft werden und nachfolgend könne ein Gemeinwesen etabliert werden, in welchem es weder Reiche noch Arme gibt. Unter anderem solche Uraltforderungen nutzten wesentlich später die Bolschewiki in Russland aus. Von großer Bedeutung war, dass der Utopia-Zustand nur dann erreicht werden könne, um die Armut abzuschaffen, wenn eine "Diktatur auf Zeit" etabliert wird. Im Rahmen dieser Diktatur, welche im Namen des Volkes agiere, müssten die Reichen als Machthaber enteignet werden.

Solche Vorstellungen flossen über Filippo Michele Buonarroti bzw. Louis-Auguste Blanqui, er organisierte frühzeitig republikanische und sozialistische Geheimbünde, in die Köpfe der Anführer der Pariser Kommune von 1871 ein. Natürlich wurden auch andere "Überlegungen" genutzt, welche behilflich für die Sache sein könnten, möglichst bald das neue Utopia zu verkünden. Für Blanqui war der "Kapitalismus" als anzuwendendes wirtschaftliches System "von Natur aus" unstabil, er müsse nach und nach überführt werden, in eine Form "kooperativer Gemeinschaften". Vom Agitator Francois Noel Babeuf verherrlichte man gewisse Aspekte. Dieser hatte bekanntlich schon z.B. in einem Brief vom 28. Juli 1795 an Charles Germain dargestellt, in Zukunft werde jede Person eine Beschäftigung oder Arbeit zugeteilt bekommen, welche ihm am besten liegt. Die "Früchte der Arbeit" sollten in einem der Gemeinschaft gehörenden Zentrallager gesammelt werden. Durch Nutzung einer streng egalitär ausgerichteten Basis werde die Verteilung an genossenschaftliche Strukturen ermöglicht. Löhne sollten laut diesen Vorstellungen übrigens generell "gleich" sein.

Im weit gesponnenen Sektennest des 19. Jahrhunderts gab es teilweise aber noch extremere Vorstellungen davon, wie das Leben in Zukunft gestaltet werden könnte. Zu solchen Strukturen gehörten etwa die sog. "Charbonnerie", was der französische Sektenzweig der in Italien beheimateten Geheimgesellschaft "Carbonari" war. Die erwähnten Personen Blanqui und Buonarroti sollen sich 1832 auch den "Amis du Peuple" angeschlossen haben, wo weitere Personen Kontakte pflegten zur deutschen Burschenschaft, welche als Teilnehmer u.a. des Hambacher Fests mitwirkten. Buonarroti wurde von Historikern als "Bindeglied" zwischen der demokratischen und sozialistischen Bewegung und einige der dort zu findenden Sekten bezeichnet. Leute solcher Strömungen waren, zumindest in der deutlichen Unterzahl, gewissen Vorstellungen des Etienne Cabet zugeneigt, welcher einst und während der Julirevolution von 1830 - die den endgültigen Sturz der Bourbonen in Frankreich bedeutete - zu den Verschwörern gehörte, die Karl X. aus dem Hause Bourbon als letzten Herrscher Frankreichs stürzen und durch den Bürgerkönig Louis-Philippe I. - in der sog. Julimonarchie von 1830 bis 1848 der letzte König - ersetzen wollten. Cabet drückte seine Wünsche im bekannten utopischen Roman "Voyage en Icarie" aus, was auf Deutsch die "Reise nach Ikarien" bedeutet. Das fiktive Ikarien im Roman war eher idealistischer Gestalt und auf einen nationalen Rahmen konzipiert.

Das Regierungssystem sollte auf autoritärer Basis umgesetzt werden, um kommunistische Experimente zu ermöglichen. Einige meinten sogar, Cabet kam einst der Verdienst zu, er hätte in den Vereinigten Staaten von Amerika den Kommunismus als erster eingeführt, wenn auch nur in sehr beschränktem Maßstab. Dabei handelte es sich um eine "ikarische Gemeinschaft". Das Experiment vollzog man Aufzeichnungen zufolge in den Jahren 1848/49. Den ersten Versuch startete man in Texas, der natürlich misslang. Nach diesem Unterfangen wurde die Wirkungsstätte weiterverlegt, erst einmal in das ehemalige Zentrum der Mormonen nach Nauvoo/Illinois. Es gab neben der recht schnell gescheiterten "ikarischen Gemeinschaft" aber noch eine weitere in Corning/Iowa, die bis 1895 bestanden haben soll. Allgemein galt die Person Cabet außerhalb solcher Experimente als ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Jakobinismus von Geheimgesellschaften und der aufflammenden Arbeiterklassenbewegung. Cabet war nach den gewaltvollen Explosionen der Juni-Erhebung in die USA (Exil) gegangen, um von dort aus weiterzuwirken. Seinen in europäischen Gefilden verbliebenen Anhängern gab er den Ratschlag, sie sollten seinem Beispiel folgen und ebenfalls emigrieren.

Ähnlich wie Rousseau fabulierte Cabet und weitere darüber, dass wenn man zur "Natur" zurückkehre, dann würde auch der Mensch zu seiner eigenen und "wahren Natur" zurückfinden. Das fiktiv gehaltene Ikarien-Konstrukt (Voyage en Icarie) zeichnete aus, dass Privateigentum ausgeschlossen werden sollte. Doch nicht nur das. Auch jede andere "wahrnehmbare Form" sozialer Ungleichheit bis hin zu Unterschieden in der Kleidung müssten strikt verhindert werden. Die unterjochten Bürger eines solchen Systems, oder wollen wir es beim Namen nennen: der Großsekte, sollten ihre Arbeit zu gleichen Bedingungen in die "heilige Gemeinschaft" einbringen. Alle Sachen, welche die Personen der Gemeinschaft benötigen, jedoch auf keinen Fall mehr, könnten einem zentralen Warenlager entnommen werden. In der fiktiven Konstruktion Ikarien gäbe es sogar "gewählte Beamte". Deren hohe Aufgabe bestünde darin, Jahresproduktionspläne auszuarbeiten, die Ausführung werde den jeweils gebildeten Gruppen der "Gemeinschaft" übertragen. Die Mittel der Produktion würden "gleich aufgeteilt" aber insgesamt dem Kollektiv gehören. Gleichheit herrsche auch bei den Geschlechtern. Die ikarischen Medien sollten "streng zensiert" werden, um die Gemeinschaft zusammenzuhalten.

Vorweggenommen wurden Cabets Ansichten durch den Pionier frühsozialistischer Gesinnung Francois-Marie Charles Fourier, der im Oktober 1837 in Paris verstarb. Wie Cabet soll er ein Träumer gewesen sein. So glaubte er etwa, die Sterne am Himmel seien "belebte Wesen", der Mond sei die Dame "Phoebe". Durch deren Tod sei natürlich einst auch die Sintflut ausgelöst worden. Mit Blick auf andere natürliche Umstände war er durch Rousseau vorbeeinflusst. Er zeichnete sich aber als Kritiker einer jakobinischen Konzeption einer "Volksherrschaft" aus. Zum Sozialismus tendierte er vor allem deswegen, weil er kein wirkliches Vertrauen in eine offen geführte Demokratie besaß. Die direkten Beziehungen Fouriers zu den Saint-Simonisten werden als "komplex" beschrieben - obwohl er sich gegen Ende seines Lebens mit Robert Owen und mit den Anhängern von Saint-Simon anlegte. Owen war ein britischer Frühsozialist und gilt als Begründer des Genossenschaftswesens. Der französische Gesellschaftstheoretiker Fourier als ein Vertreter des Frühsozialismus soll mit seinen Ideen zum Grundeinkommen auch u.a. den Philosophen John Stuart Mill beeinflusst haben.

Fouriers Vorstellungen waren im Vergleich zu jenen der späteren Saint-Simonisten auf das "Kommunale" ausgerichtet, während sich die Gegenseite mehr industriell und technokratisch ausrichtete. In den sog. "Phalanstéres" könnten Fourier zufolge Individuen in Verbänden zusammenleben, alle anfallenden Arbeiten würden im Rahmen besonderer Vorgaben "gemeinsam erledigt". Immerhin hätte es theoretisch die Möglichkeit gegeben, privaten Lebensraum zu ermöglichen, ein paar Dinge des "privaten Eigentums" sollten nicht ausgeschlossen sein und besondere "Leistungen" von Gemeinschaftsmitgliedern z.B. bei der Arbeitsverwirklichung im Bereich Technik und Verwaltung könnten "ausgezeichnet" werden. "Kapitalistisch" wirkt, dass die organisierten Verbände "Investoren" offenständen, um Aktienkapital zu erwerben. Diese Möglichkeit klingt besonders pervers, da also eher in die "Gemeinschaften" investiert wird, welche für "nützlich" erachtet und als "hochproduktiv" angesehen werden. Wer nun Stichworte wie "Arbeitslager" im Kopf hat, der könnte zumindest geistig auf dem "Pfad der Gerechten" wandeln.

Angeblich wäre die Organisation der "Phalanstéres" aber freiwilliger Natur. Es dürfe auch keine staatlichen Kontrollen geben oder Subventionierungen. Im damals erdachten Rahmen dieser Zeitumstände sollten sich die freiwillig zusammengeschlossenen Konstrukte auf die Landwirtschaft, den Gartenbau und/oder die Vieh- und Geflügelzucht ausrichten. Produzierte Produkte müssten von der Gemeinschaft selbst verbraucht werden, der Handel mit der Außenwelt, wie zu anderen "Phalanstéres", sollte aus dieser theoretischen Perspektive minimal ausfallen. Auch handwerkliche Tätigkeiten könnten die Mitglieder der Gemeinschaft vollziehen, aber nicht permanent, denn in regelmäßigen Zeitabständen müssten alle eine jeweils andere Beschäftigung in Rotation ausüben. Ein "Phalanstére" würde optimal mit 1600-1800 Personen funktionieren. Laut Fourier könnte man zur Erledigung der "Drecksarbeit" übrigens Kinder einsetzen. Denn beobachte man diese beim Spielen, zeige sich, dass sich "die Kleinen" gerne dreckig machen. Auch hätten die Kinder eine spezielle Neigung sich in Gruppen oder wie Fourier es auch darstellte, in "Horden" zusammenzuschließen.

Die jungen Gemeinschaftsmitglieder seien ideal dafür geeignet, Arbeiten wie beim Straßenbau zu übernehmen oder alle anderen "dreckigen Dinge". Als radikaler Feminist forderte Fourier gleichwohl die "freie Liebe" ein, um genügend Kinder nachzuproduzieren. Die wechselseitige Liebe bzw. Untreue könne demnach wohl als hintergelagerter Antrieb des gesamten Gemeinschaftswohls verstanden werden. Die Ehe als solche lehnte er zwar nicht umfänglich ab, doch hätte dieses Partnerschaftsverhältnis eine "drückende Seite", speziell mit Blick auf das weibliche Geschlecht. Deren "angemessene" Entfaltung würde durch die Ehe behindert. Nicht verwundern sollte, dass Fourier eine "Versklavung" der Frau durch den Mann heraufbeschwört. Das erdachte Gesellschaftssystem wurde bezeichnet als "Garantismus", wo jedem Arbeit und Auskommen garantiert wären. In den "Phalanstéres" könne man Menschen übrigens nach und nach vom Garantismus zur Ebene des "Harmonismus" überführen, um vollständige gesellschaftliche wie sexuelle Freiheit zu erlangen. Damit der utopische Zustand des "Harmonismus" erreicht werden kann, sei es außerdem notwendig, die Natur zu zähmen.

Bevor Marx die Bühne betrat, gab es schon die erwähnten Saint-Simonisten, deren Name auf die Person Claude-Henri de Rouvroy de Saint-Simon zurückgeht. Er gilt heute als ein Vorvater der wissenschaftlichen Soziologie und des utopischen Sozialismus. Seine Schüler, wie Barthélemy Prosper Enfantin als Ideenlieferant des Sueskanals, Saint-Amand Bazard oder auch Pierre Leroux, wirkten auch auf die aufkommende sozialistische Bewegung in anderen Ländern ein. Saint-Simon selbst fabulierte über sozialistische Zustände hinausgehend darüber, er stamme von "Karl dem Großen" - dessen Name heute vor allem mit der Auszeichnung zum Internationalen Karlspreis in Verbindung steht - ab und dieser sei ihm auch öfters "erschienen". Aus seiner Wirkzeit ist unter anderem bekannt, dass er nicht nur von den Briten in Jamaica interniert wurde, sondern später auch dem spanischen Vizekönig ein technisches Großprojekt vorschlug, den transozeanischen Kanal von Nicaragua. Er sei Freund der "Dantonisten", auch bezeichnet als "Indulgenten", gewesen und pflegte frühe wie enge Kontakte mit wohlhabenden Bankiers von Paris.

Nach einer kurzen Zeit im Irrenhaus von Charenton wurde er Mitglied einer Struktur einflussreicher Bankiers und anderer Personen. Zusammen mit J. N. Augustin Thierry brachte man das Werk: "De la Réorganisation de la société européenne" heraus. Man forderte einen Vertrag zwischen Frankreich und England, aus dessen Verbindung als Kernstück später eine "europäische Föderation" werden könne. Dass eine sozialistische Bewegung aufkam, die mit durch Saint-Simonisten geführt wurde, erscheint heute bizarr, da der Urvater selbst die Demokratie ablehnte und dazu neigte, dass die politische Macht lieber bei den Bankiers und Industriellen belassen werden sollte. Angebliche Aufklärer meinten, man müsse das Wort Sozialismus schlicht anders betrachten, nämlich so, dass positiver "Sozialismus" für die Bankiers und Industriellen gemeint sei. In "Catéchisme des industriels" von 1823 hieß es, die industrielle Klasse sollte den ersten Rang in der Gesellschaft einnehmen, was "für alle" von großer Bedeutung wäre. Keine andere Klasse würde ohne diese auskommen, da sie ja aus "eigener Kraft" existiert.

Durch Publikationen wie "Le Nouveau Christianisme" von 1825 traten bei den Saint-Simonisten immer deutlichere Sektierereien hervor. Man fabulierte später über "Visionen" der Versöhnung von Mann und Frau, aber auch der Geist und das Fleisch würden sich versöhnen können. Der ins krass-sektiererische abdriftende Saint-Simonismus florierte speziell nach dem Tod des Namensgebers ab 1825 auf. Im Rahmen dieser Gehirnfürze gesellten sich "Lösungen" hinzu, wonach es künftig mit Blick auf das Erbrecht so sein müsse, dass dieses nicht auf Familienmitglieder beschränkt wird, sondern auf den Staat übergehen sollte. In diesem erdachten Zustand sei die Gesellschaft des Staates sowieso eine der "Arbeiter". Speziell waren damals Grundstückswerte bzw. solches Eigentum gemeint. Im Hinterkopf hatte man wohl behalten, dass ein beachtlicher Teil des erlangten Reichtums bestimmter Kreise aus Grundstücksspekulationen der wilden Jahrzehnte nach dem Umbruch von 1789 her entstammte.

Man schlug vor, dass Grundeigentum und Kapital selbst als "Arbeitsinstrumente" fungieren müssten. Der private Eigentümer verwalte diese nur rein treuhänderisch. Um den ganzen Hokuspokus anzuleiern und umsetzen zu können forderten die späteren Saint-Simonisten natürlich ein System ein, welches der "zentralen Verwaltung" diene. Interessant erscheint dabei, dass eine "gesellschaftliche Institution" vorgeschlagen wurde, nämlich das Banksystem selbst. Dieses in der richtigen Weise "koordiniert" und von einer sog. "Zentralbank" gekrönt, könne als "oberste Planungsbehörde" fungieren. Mit der angedachten "gesellschaftlichen Institution" wäre man dazu in der Lage, "sämtliche Industrien im Interesse der gesamten Gesellschaft" zu dirigieren. Die damals als sog. "Zentralbank" bezeichnete Ebene gehöre "zunächst" zu einem solchen System. Sie sei die Regierung auf "materieller Ebene", ein "Depot des gesamten Vermögens, des gesamten Betriebskapitals, aller Produktionsmittel".

Im gleichen Jahr der Fusion von Sozialismus und Demokratie 1848 wurde das "Kommunistische Manifest" als Synthesewerk des bedeutenden Ricardo-Sozialisten Karl Marx veröffentlicht, welches damals noch eher unbekannt blieb. Philippe-Joseph-Benjamin Buchez als Anhänger einer saint-simonistischen Gruppe propagierte bereits 1831 in der "L´Européen" eine "Verbindung", in diesem Fall aber eine Aufmachung die man als "christlichen Sozialismus" bezeichnen könnte. Publikationen von Buchez benutzte unter anderem auch ein gewisser: Thomas Carlyle, der im viktorianischen Großbritannien sehr einflussreich war. Daneben soll Buchez z.B. aber auch Louis Blanc mit beeinflusst haben, ein französischer utopischer Sozialist und Begründer der Sozialdemokratie. Dieser stand in seinen letzten Lebensjahren den linksorientierten Republikanern unter Georges B. Clemenceau nahe. Clemenceau selbst trat zu seiner Zeit u.a. als Fürsprecher einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Alfred Dreyfus in Erscheinung. Blanc glaubte wie weitere an die staatliche Steuerung der Volkswirtschaft, trat aber auch für die Kollektivierung der Landwirtschaft ein.

In jungen Jahren wurde Marx durch Veröffentlichungen des deutschen Erziehers und Philosophen Johann Gottlieb Fichte beeinflusst. Fichte mutierte bekanntlich um 1810 herum zu einem regelrechten Propheten des deutschen Nationalismus. Er war der bedeutendste Anhänger, den der deutsche Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant, jemals hatte. Fichte gilt als Schöpfer einer sozio-politisch geprägten Lehre, welche sich durch ihre antiliberale und ebenso autoritäre Haltung auszeichnete. Die metaphysischen Gedankenkonstruktionen Fichtes nutzten diverse gebildet wirkende Köpfe für eigene Zwecke weiter aus. Nach seiner Wandlung von einem glühenden "Jakobiner" galt er praktisch gesehen als "Begründer" des deutschen Nationalismus, wobei er von Johann Gottfried Herder das Konzept des "Volksstaates" für gut befand, um dieses in sein "System" zu implementieren. Hier hatte man den Akzent aber noch auf die Sprache und Kultur gelegt, also nicht direkt auf Blut und Boden. Der im Dezember 1803 in Weimar verstorbene Herder war einer der einflussreichsten Schriftsteller und "Denker" deutscher Sprache. Mit Wieland, Goethe und Schiller gehörte er zum "klassischen Viergestirn" von Weimar.

Heinrich Heine, einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts, der mit dem Saint-Simonismus sympathisiert haben soll, gehörte 1844 dem persönlichen "Kreis" von Marx an. August Wilhelm Schlegel als Mitbegründer der deutschen Romantik übte einst starken literarischen Einfluss auf den jungen Heine aus, der sich später abfällig über diesen äußerte. Wohl erlag auch Heine dem "revolutionären Geist" in seiner besonders wahrgenommenen Form. Ähnlich erfasst vom besonderen "Geist" aus den 1840er Jahren wurden offenbar auch die in Paris weilenden deutschen Emigranten, die sich zu geheimen Brüderschaften zusammengeschlossen hatten. Aus diesen sollte später dann auch der "Kommunistenbund" hervorgehen. Solche Anhänger von Sektenstrukturen hatten sich in 1836 bereits aber auch einer Geheimgesellschaft angeschlossen, welche den Namen "Bund der Gerechten" trug. Jene Struktur entwickelte sich mit heraus aus dem "Bund der Geächteten".

In den Statuten des "Bunds der Gerechten" beschwor man die Notwendigkeit einer Revolution in Deutschland herauf. Die weltweiten Arbeiterklassen sollten sich zudem ihrer "Ziele" bewusst werden. Der Bund hatte durch seine Mitglieder Kontakte zu weiteren Geheimgesellschaften in verschiedenen Ländern, wie zur "Société des Saisons". Beim später etablierten "Bund der Kommunisten" wurde ein gewisser: Karl Schapper zu dessen führenden Persönlichkeiten. Er organisierte ab 1848 auch die Korrektur und den Druck des Kommunistischen Manifests mit. Schapper war speziell wegen polizeilicher Verfolgung wie weitere Personen später nach London emigriert. Ins deutsche Hessen unterhielt er Kontakte zu Georg Büchner und z.B. in Savoyen mit Giuseppe Mazzini, der einst Altgroßmeister des Grande Oriente d’Italia gewesen sei. In London gründete Schapper die "Workers Educational Association", deren Ausspruch lautete: "Alle Menschen sind Brüder". Im angeführten "Bund der Gerechten" war in der britischen Sektion auch die Person Wilhelm Weitling aktiv, neben Karl Marx und Friedrich Engels.

Weitling als deutscher Theoretiker des Kommunismus hatte bereits zwischen 1834-1837 in Wien und Paris mit entsprechenden Strukturen Verbindungen aufgenommen gehabt. Zu seinen späteren Veröffentlichungen gehörten Publikationen wie "Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte", dann die "Garantien der Harmonie und der Freiheit". Aber auch das illustre Werk "Das Evangelium eines armen Sünders" kann erwähnt werden. In diesem behauptete er zum Beispiel, Jesus Christus sei der Vorläufer des Kommunismus gewesen. In anderen Gehirnfickereien wurde es noch absurder. Etwa so wie in der Art, als Johann Karl Rodbertus-Jagetzow, welcher als Begründer des Staatssozialismus bezeichnet wird, meinte, dass ein staatliches Konstrukt ein "lebender Organismus" sei. Die Politik in diesem lebenden Wesen wäre die "edelste aller Künste", denn die Seele des Staates ist "göttlich". Andere Verrückte fabulierten schon vor ihm über das "Lebewesen" Staat. Dieses "Wesen" mit seinen Organen, die den "Körper auskleiden" und weitere etablierte Strukturen wären so etwas wie ein "Organismus".

Das Wesen hätte eigene Gesetze, um harmonische innerliche Verhältnisse zu ermöglichen. Bei "Abweichung" von diesen künstlich etablierten "Gesetzen" des Körpers, müssten "Maßnahmen" zum Schutze des Wesens ergriffen werden. Wären erst einmal rund um den Globus Wesen "gleicher Art" vorhanden, könnten diese in harmonische Einheit treten, was so etwas wie ein "göttlicher Auftrag" sei. Die Figur Moses Heß als ein Anhänger der Frühsozialisten und Vorläufer der Zionisten meinte bereits zu seiner Zeit, dass es der Menschheit bestimmt sei, eine in traditioneller Morallehre eingeschlossene Gesellschaftsordnung zu errichten. Die menschliche Natur wäre ja eine im Vorfeld "festgelegte" "Harmonie". Damit jener Zustand erreicht würde, sei der Sozialismus in seinen verschiedenen Formen notwendig, um letztlich das "einheitliche Ganze" zu verwirklichen. Möglicherweise hatte Marx deshalb auch in seiner Synthese die verschiedenen Geistesströmungen Westeuropas, speziell Frankreichs und auch Englands zusammengefasst.

In seiner sechsten These über Ludwig Feuerbach, ein deutscher Philosoph und Anthropologe, schrieb Marx: "Das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse". Wohl auch deshalb gelangte Marx, der später kein Kommunist mehr im Sinne des Werks "Kommunistisches Manifest" war, sondern sich zum Theoretiker dessen wandelte, was später als demokratischer Sozialismus bezeichnet werden sollte, einst zu der Überzeugung, dass die "Umwandlung" des "Kapitalismus" in den "Sozialismus" in der Logik der gezeichneten wirtschaftlichen Entwicklung läge. Diese "Umwandlung" sei so etwas wie eine Revolution. Die ursprüngliche Bewegung, in der Marx und Engels sich um etwa 1848 einbrachten, war im Vorlauf 1793 herausgebildet worden. Die "Welle" wanderte stetig weiter von Paris in Richtung Osten über Berlin, Wien und Warschau, bis sie um circa 1917/1918 offiziell in Petrograd (heute Sankt Petersburg) in Erscheinung trat.

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