Schewardnadse: Weiterer EX-Sowjet wirft das Handtuch


(C) Suvi Korhonen, 2007, Bild: flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die durch die sog. "Wende" in Deutschland einem breiteren Publikum bekanntgemachte ehem. Sowjet- (und) KGB-Figur Eduard Schewardnadse, (Sohn) eines kommunistischen Funktionärs, dessen Enkelin beim russischen Sender Russia Today arbeiten (soll), ist im Alter von 86 Jahren verstorben. Der georgische Ministerpräsident Irakli Garibaschwili habe (ein) Staatsbegräbnis angeordnet. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Schewardnadse zurückgezogen in (seiner) Residenz über Tiflis. Schewardnadse als ehem. Ehrenmitglied u.a. (des) Club of Rome pflegte zu seiner Zeit (auch) enge Beziehungen (zum) deutschen FDP-Mann Hans-Dietrich Genscher. Seine Karriere startete (er) auch als Funktionär in der sowjetischen Staatsjugendorganisation der KPdSU Komsomol, (zu) Zeiten Stalins in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Sozialismus und gute Nachbarschaft könnten seiner Meinung (nach) "nicht mit Bajonetten erzwungen werden". Schewardnadse, der (einst) gemeint hätte: "Für uns ist wichtig, dass sich die EU ausbreitet", überlebte drei Attentate (und) vertrat als flammender Anhänger die "revolutionäre Politik" von Glasnost und Perestroika. Als Präsident von Georgien (musste) er 2003 auch wegen seines korrupten Regimes aus Familienclans zurücktreten und unter (dem) Vorwurf der Wahlfälschung wurde er offiziell wahrgenommen im Zuge der "Rosenrevolution" gestürzt. Eine "Sonderbehandlung" in Deutschland sollte er (wohl) nicht erhalten. Später musste er (gar) um sein Vermögen bangen.

Den inhumanen Umgang mit menschlichem Leben unter den Sowjets kritisierte er öfters offiziell und vor einigen Jahren reflektierte er (sogar) den Beginn des jüdischen Exodus aus der Sowjetunion. Schewardnadse (hätte) EX-Bundeskanzler Helmut Kohl im Mai 1990 den Wunsch nach einem Kredit unterbreitet gehabt, dem Kohl zustimmte und daran die Erwartung knüpfte, die Zustimmung zur deutschen Bündniszugehörigkeit zur NATO zu erhalten. Einige Jahre nach dem Jahrtausendwechsel fabulierte er (unterdessen): "NATO und Georgien brauchen einander". In der vorherig hochgekochten Spannungslage u.a. in der DDR hätte offenbar ein Sowjet-General aber bereits den "Marschbefehl" angeboten (gehabt). Kohl hätte mit seinen taktischen Spielchen zur Wendezeit Ausführungen getätigt, um angeblich "von der Gegnerschaft der BRD zur Beseitigung der taktischen Nuklearwaffen ablenken" zu wollen - Sowjetfiguren (meinten): die Position der BRD zu den taktischen Nuklearwaffen sei sehr widersprüchlich. Trotzdem hätten auch US-Präsident Ronald Reagans Raketenpläne (SDI) bei der deutschen Einheit helfen können. Schewardnadse habe nicht nur die sog. "Wiedervereinigung" mitgeprägt, sondern brachte ebenfalls 1990 an der Ost-West-Konferenz in Wladiwostok (eine) Idee ins Rennen, von einer Eurasischen Brücke alias "Neue Seidenstraße"

(Schewardnadse) auch als Träger (des) DDR-Ordens "Großer Stern der Völkerfreundschaft" soll nach "Gefühl und Kalkül" (Aschmann) frühzeitig bereits "vielfältige Westkontakte" aufgebaut haben, speziell seine "enge Bindung an Hans-Dietrich Genscher" kam eine "besondere Bedeutung zu". Jene "Beziehungen" seien auch früher zustande gekommen als, laut diesen Darstellungen, jene zwischen CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl und Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Schewardnadse verkündete demnach unter anderem kryptisch: "Ich habe in der Außenpolitik auf Personen gesetzt, diesen mein Vertrauen geschenkt, um darauf etwas aufzubauen". Seine Schlüsselideen wurden im Rahmen des sog. "Neuen Denkens" darauf ausgelegt, eine "ganzheitliche Welt" zu schaffen und daraus abgeleitet ein "Gemeinsames Europäisches Haus".

Schewardnadse als ehemaliger Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Georgiens und Außenminister der UdSSR ließ sich (offenbar) 1992 auf den seltsamen Namen "Georgij" taufen und erschien öfters mit der Ikone von Georgij dem Drachentöter im Hintergrund. In der Vergangenheit war einer seiner Berater (wohl) auch der ehem. deutsche BND-Präsident Hans-Georg Wieck. Schewardnadse hatte sich in Georgien recht lange Zeit auf alte Kader aus Sowjetzeiten stützen können, wie man in "Autoritarismus in Mittel- und Osteuropa" (Macków) schrieb. Denn selbst noch zehn Jahre nach der Herrschaft der Sowjets befanden sich weiterhin ca. 55-60 Prozent staatlicher Verwaltungsposten in den Händen ehemaliger Angehöriger der Nomenklatura. Korruption und selbstlegalisierte Mafiamethoden (waren) in Georgien bekanntlich schon zu Sowjetzeiten weit verbreitet. Bei vollzogenen Ermittlungen zur wucherartigen Korruption sei z.B. in einem Fall ein Staatsanwalt vom Geheimdienst bedrängt und nach zwei Jahren entlassen worden. Der vom georgischen Innenminister zum neuen Chef der Kommunistischen Partei Georgiens aufgestiegene Schewardnadse wollte die Hintergründe auch dieses Korruptionsskandals, die Verflechtungen des KGB bis in die höchsten Parteikreise nicht aufklären lassen.

Als Staatschef hatte er Kabinette ernannt, die sich nur noch in ihrer Korrumpierbarkeit übertrafen. Zuvor machte er u.a. (deutlich): "Kameraden, Georgien wird das Land der Sonne genannt. Aber für uns geht die Sonne nicht im Osten auf, sondern im Norden, in Russland: Das ist die Sonne der Ideen Lenins". Schewardnadse wandte sich sowohl gegen georgischen Nationalismus als auch gegen den von Minderheiten - entsprechende Strömungen (wurden) teils mit durchaus harten Mitteln bekämpft. Mit dem Beitritt zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) konnte man später nur vorübergehend für innenpolitische Stabilität in Georgien sorgen. Rückblickend kann gesagt werden, dass sich unter Schewardnadses 10-jähriger Herrschaft die Situation in dem Land eher noch weiter verschlimmert hatte und Anfang des 21. Jahrhunderts glich das Land einem "failed state".

In Georgien vollzog sich in Folge der sog. "Rosenrevolution" 2003 eine Art offiziell wahrgenommener Generationswechsel, (der) reformbereite "Schüler" Schewardnadses an die Macht brachte. Damit ging dort offiziell zumindest die Ära der "gewendeten Altkommunisten" und die "post-sowjetische Zeit" zu Ende. Bis zum Sturz des Regimes von Schewardnadse, der Georgien als Präsident von Anfang der 1990er Jahre bis Ende 2003 regierte, blieb die Polizei weitgehend (einer) aus dem Sozialismus herrührenden Verwaltungstradition verhaftet. Das Innenministerium stellte im Schewardnadse-Regime bekanntlich eine Schlüsselinstitution dar. Schewardnadse sei offiziell wahrgenommen in Russland in gewissen Strukturen kaum beliebt gewesen, (denn) nicht nur Militärs werfen ihm teils bis heute vor, als sowjetischer Außenminister den Verlust der sowjetischen Kontrolle über Mittelosteuropa verschuldet zu haben. Die Mehrheit der georgischen Bevölkerung glaubte (offenbar) zu Beginn der 1990er Jahre noch daran, in relativ naher Zukunft der EU beitreten zu können. Mit dieser Annäherung, so Schewardnadse, ginge für die Georgier angeblich dann auch "ein jahrhundertealter Traum in Erfüllung".

Schewardnadse, der wegen seines taktischen Geschicks auch als "Weißer Fuchs" bezeichnet wurde, hatte, bevor er Präsident von Georgien werden konnte, in den Jahren zuvor eine durchaus steile Karriere in der KPdSU (Kommunistischen Partei der Sowjetunion) und in Regierungsämtern vollziehen können. Darstellungen in "Pulverfass Kaukasus: Konflikte am Rande des russischen Imperiums" (Quiring) nach sei er in 1985 durch Gorbatschow als Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion nach Moskau gerufen worden, wo letztgenannter dann Schewardnadse "völlig überraschend" zum sowjetischen Außenminister ernannte. In dieser Funktion konnte er zudem die Politik Gorbatschows (Perestroika; Umbau, Umgestaltung, Umstrukturierung) zur "Öffnung" mit unterstützen und die "deutsche Wiedervereinigung" begleiten. Offenbar versuchte Gorbatschow einst mit dem nebulösen Umbau (Perestrojka) den drohenden Kollaps der Sowjetunion zu verhindern und die gefährdete Weltmachtstellung neu zu sichern.

In "Turbulentes 1989: Genese der deutschen Einheit" (Sawczuk) meinte man, bezogen auf eine Äußerung des Sowjet-Diplomaten Gennadi Iwanowitsch Gerassimow, damals wäre in Europa "niemand" begierig darauf gewesen, ein vereintes Deutschland zu sehen. Dies demnach aus dem Grund, weil dies "die gegenwärtige Stabilität in Europa nachhaltig" zerstören würde. Schewardnadse hätte aber "signalisiert", dass man möglicherweise dazu bereit wäre, die ablehnende Haltung gegenüber den sog. "Kohl-Plan" (der 10-Punkte-Plan) "noch einmal zu überdenken". Dies dann, falls die Bundesrepublik ihre Idee der sog. "Wiedervereinigung" - d.h. der Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 - fallen lassen würde. Man unterstützte laut vorg. Publikation durch Schewardnadse damals wohl erstmal nur die konföderative Formel im Plan Kohls. Den heraufbeschworenen "deutschen Revanchismus", welcher im Begriff der "Wiedervereinigung" verborgen sei, lehnte man ab. Der Kreml-Chef Gorbatschow (soll) sich über Kohl u.a. darüber geärgert haben: "Kanzler Kohl behandelt die Bürger der DDR schon so wie seine Untertanen. Das ist ganz einfach offener Revanchismus". Schewardnadse meinte zum 10-Punkte-Plan Kohls: "Selbst Hitler hat sich so etwas nicht geleistet".

Die wichtige FDP-Figur Hans-Dietrich Genscher aus Deutschland meinte bei der Festveranstaltung der FDP-Fraktion aus Anlass des 10. Jahrestages der Unterzeichnung des "(Zwei-plus-Vier-Vertrages)" am 12. September 2000 in Berlin: "Der Vertrag öffnete den Weg für die Einheit Deutschlands und damit des ganzen Europa". In einer zitierten Erklärung von Kohl und Gorbatschow hätte es gehießen: "Der Mensch mit seiner Würde und seinen Rechten und die Sorge für das Überleben der Menschheit müssen im Mittelpunkt aller Politik stehen" - ob darin untergelagert eine gewisse Drohung liegt, kann anhand massig vorhandener Nuklearsprengköpfe angenommen werden. Übersetzt könnte es ohne verbaler Cryptoverschlüsselung bedeuten: Haltet unsere Vorgaben ein, flechtet diese in der eigenen Politik mit ein, sonst könnte das im Mittelpunkt stehende "Überleben der Menschheit" auf dem Spiel stehen.

Am 17. September 1990 habe Schewardnadse zumindest in Tokio auch bezogen auf die Krise des Golfkriegs (erklärt), dass wenn diese Irritationen vor dem offiziellen Ende des Kalten Krieges eingeschlagen wären, dann "hätten wir unsere Raketen bereit gemacht. Das wäre der Dritte Weltkrieg gewesen". Im gleichen Jahr (kam) man sich im sowjetischen Irkutsk durch den US-Außenminister James Baker und Schewardnadse übrigens darüber überein, "für Afghanistan freie Wahlen anzustreben" - wenige Jahre zuvor verlangte man ein "souveränes und unabhängiges Land Afghanistan" und kündigte den baldigen Abzug sowjetischer Truppen aus dem Land an.

Das neu zu formende "gemeinsame Haus Europa" solle Genscher zufolge übrigens "seinen Platz einnehmen in einer neuen Weltordnung, es muss sich gemeinsam mit den anderen Regionen der Welt den globalen Herausforderungen stellen" und zudem hätte sich mit "der Schaffung des größeren Europa [...] für uns Deutsche der glückliche Abschluss einer langen Geschichte" vollendet. Der "2+4-Vertrag hat uns Deutschen noch einmal eine große Chance eröffnet [...] so wie die Charta von Paris wenige Wochen später [...] wollen die neue Chance, die beide Dokumente eröffnen, nutzen im Geiste der Verantwortung, der Brüderlichkeit [...] für eine bessere Zukunft Deutschlands und Europas [...] ist das Versprechen der Deutschen an die Völker Europas, auch zehn Jahre nach der Vereinigung".

In angeblich vertraulich geführten Unterredungen zwischen Gorbatschow und Schewardnadse (hätte) man westlichen "Gesprächspartnern" mitgeteilt, dass ein "klares politisches Signal" auch aus Brüssel kommen müsse, damit eine darzustellende Annäherung der Sowjetunion an den Westen im eigenen "System" innenpolitisch rechtfertigbar sei. Am 19. Dezember 1989 besuchte Schewardnadse das NATO-Hauptquartier "zu Gesprächen" (mit) NATO-Generalsekretär Manfred Wörner, der Mitglied der Partei CDU und von 1982-1988 Bundesminister der Verteidigung war, und den Ständigen Vertretern der NATO-Staaten. Schewardnadse als damaliger Außenminister der Sowjetunion meinte in seiner Rede vor dem Politischen Ausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel am 19. Dezember des Jahres 1989, dass er die Position der sowjetischen Führung unterstützt hätte.

Denn unter "Berücksichtigung" der nach dem Kriege entstandenen Realitäten und zudem der in der Schlussakte von Helsinki, dem Abkommen von Wien und in anderen Verträgen niedergelegten sog. "Elemente eines einheitlichen Rechtsraumes" würde damit Europa so abgesichert werden können, dass jeder der dortigen Staaten "bei seiner Tätigkeit verpflichtet ist, die bestehenden Prinzipien zu berücksichtigen". Zuvor gab es in 1987 noch ein mehrstündiges "Gespräch" mit Schewardnadse, damals zum Moskau-Aufenthalt des Bayerischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der CSU, Franz Josef Strauß - vom 28. bis 31. Dezember. Schewardnadse hatte zu diesem Gespräch auch den Sekretär des kommunistischen Zentralkomitees Anatoli Dobrynin mitgebracht. Der berüchtigte Strauß wurde übrigens von Theodor Waigel, Gerold Tandler, Edmund Stoiber, Andreas Meyer-Landrut, Wilfried Schamagl, Gerd Amtstätter und Franz Georg Strauß begleitet.

Bereits Ende Juli 1988 schloss Schewardnadse (die) "friedliche Koexistenz" - USA, Sowjets - als Mittel des internationalen Klassenkampfes völlig aus. Ohne diese Vereinheitlichung, folgerte Schewardnadse, würde andernfalls "dieses oder jenes Detail angestoßen und damit die ganze Konstruktion zum Einsturz gebracht". Im September 1988 verkündete Schewardnadse geschickt als Außenminister der UdSSR (von) der Tribüne der UNO: "Wir sehen die friedliche Koexistenz als universelles Prinzip zwischenstaatlicher Beziehungen und nicht als besondere Form des Klassenkampfes". Bei der Rede vor dem Politischen Ausschuss in Brüssel 1989 wurde laut "Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk!: Geschichte der deutschen Einigung" (Ritter) durch Schewardnadse "das Interesse der Sowjetunion am Fortbestand zweier souveräner deutscher Staaten unterstrichen und die Priorität des Baus des Europäischen Hauses betont".

Mit kurzem Blick auf (die) russische UN-Politik knüpfte diese zunächst an eine Maxime der "angestrebten Aufwertung der Weltorganisation" an, welche auch von Gorbatschow und Schewardnadse herausgegeben worden war. Bereits im Januar 1970 (meinte) der SPD-Bundeskanzler und spätere Präsident der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt, zumindest aber auch: "Die Bundesregierung respektiert [...] die Rechte und Verantwortlichkeiten, die die Drei Mächte in Bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin haben. Wir denken gar nicht daran, daran zu rütteln oder rütteln zu lassen. [...] Ich habe lange genug in Berlin gewirkt, um zu wissen, dass es Dinge gibt, für die unsere Schultern zu schmal sind und für die uneingeschränkte Souveränität anzustreben die Bundesrepublik kein Interesse hat".

Vor der sog. "deutschen Einheit" hatte Schewardnadse einen Katalog aufgestellt, in dem verschiedene Fragestellungen zu finden sind. Demnach müsse es eine "Klarheit" darüber geben, bevor nun "diese oder jene Form der Wiederherstellung der deutschen Einheit" oder zudem "praktische Ansatzpunkte für ihre Lösung" auf eine reale Ebene gestellt werden könnten. In der ersten Frage hieß es, wo die politischen, gesetzlichen und materiellen Garantien seien, dass die deutsche Einheit "nicht in Zukunft eine Bedrohung für die nationale Sicherheit anderer Staaten und den Frieden in Europa" werden wird. Würde ein "hypothetisches Deutschland", wenn dieses aus damaliger Sicht nach und nach entsprechende "Formen" annimmt, dazu bereit sein, die bestehenden Grenzen in Europa anzuerkennen, also auf jedwede Gebietsansprüche verzichten? Ebenfalls wurden militärische Belange in dem Fragekatalog des Schewardnadses angesprochen. Wie in der Fragestellung, welchen Platz dieses neu zu erschaffende national-deutsche Gebilde in den militärpolitischen Strukturen, die bereits damals in Europa existierten, einnehmen wird?

Wenn die "deutsche Einheit" nach und nach "Formen" annimmt, was wäre das militärische Potential eines solchen Gebildes, seiner militärischen Doktrin und die Struktur der Streitkräfte des Gebildes? Würde das neue Konstrukt Deutschland dazu bereit sein, eine Entmilitarisierung zu akzeptieren, einen neutralen Status anzunehmen und die wirtschaftlichen und anderen Beziehungen mit Osteuropa "grundsätzlich umzustrukturieren", wie es bereits von deutscher Seite her in der Vergangenheit beabsichtigt worden war? Ob dieses neue deutsche Gebilde sich mit dem KSZE-Prozess (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) vereinbaren ließe und entsprechend zu dessen konstruktiver Entwicklung beitragen könnte, heißt es in einer weiteren Fragestellung. Zudem müsse es laut damaligem Sowjet-Außenminister Schewardnadse "weitere Fortschritte" geben, bei der europäischen Etablierung eines "einheitlichen Rechts-, Wirtschafts-, Umwelt-, Kultur-, und Informationsraumes". Würde man von deutscher Seite her dazu bereit sein, die Interessen der anderen europäischen Staaten zu berücksichtigen und auf "kollektiver Grundlage" nach gegenseitig annehmbaren Lösungen für alle Fragen und Probleme suchen?

Schewardnadse hatte laut "Statik und Dynamik der deutschen Frage" (Schallmoser) vor der "deutschen Einheit" betont, es würde auch ein "moralisches Recht" der Sowjetunion gegeben haben, als selbst betroffenes Land der militärischen Aggression durch Hitler, das künftige politische Schicksal eines "vereinigten deutschen Staates" mitbestimmen zu dürfen. Maßnahmen für damals zu sehende Vereinigungsprozesse würden offiziellen Darstellungen nach nicht durch den Ausfluss sowjetischer machtpolitischer Einflussnahme herrühren, sondern demnach aus "völkerrechtlichen Rechtspositionen" als Siegermacht her entstammen, wegen dem "moralischen Recht" ein Opfer der Hitler-Aggression geworden zu sein, wie ebenfalls der Verpflichtung als Weltmacht, sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein, für mögliche Folgen politischer Entwicklungen in Europa. Die "deutsche Einheit" dürfe auch nur in Etappen vollzogen werden, ohne jedes "künstliche Anpeitschen" oder einer "Schaffung der Lage irgendeiner Zeitnot".

Selbst wenn damals die Sowjetunion einen asiatischen Teil in ihrem Raum mit einbezog, wäre man ein europäisches Land und deshalb habe auch "Europa" Priorität. Schewardnadse bezeichnete zur damaligen Zeit auch immer wieder die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Österreich als ein "Musterbeispiel", um damit auszudrücken, dass man sich im Rahmen eines "neuen Denkens" von der klassisch-sowjetischen wie "verführerischen" Phraseologie offiziell verabschieden würde. Das "neue Denken" der Sowjets könne nicht nur dynamische Weiterentwicklungen der Beziehungen zu Österreich, sondern zu allen anderen Staaten ermöglichen. Mit dem gemeinsamen "Bau eines gesamteuropäischen Hauses" werde man die politische und wirtschaftliche Spaltung Europas überwinden können. Betont wurde in "Tabubruch: Österreichs Entscheidung für die Europäische Union" (Scheich), dass die Sowjets die EU-Vorläuferstruktur Europäische Gemeinschaft (EG) "als Partner für die Durchführung der unerlässlichen wirtschaftlichen Strukturreformen brauchte". Ein Mitarbeiter des sowjetischen Militärattaché in Wien als Oberst sprach (folgenden) Darstellungen nach unterdessen hasserfüllt über Gorbatschow und Schewardnadse, diese seien "Huren".

Schewardnadse musste aber auch zugeben, dass die EG damals bereits nicht nur eine wirtschaftliche, sondern in bedeutendem Maße eine politische Organisation gewesen war, "mit militärischen Aspekten". Der Autor P. Buchanan fabulierte in "The National Interest" Nummer 19 vom Frühjahr 1990 später übrigens davon: "Was sollten wir denn tun, um die Deutschen an der Wiedervereinigung zu hindern? München besetzen? [...] nach vierzig Jahren Krankheit gegen den Marxismus [sei Deutschland] immun" und es sei "ein Triumph des westlichen Kapitalismus und die erste Verteidigungslinie gegen einen etwa wieder auflebenden russischen Imperialismus". Zumindest stellte er damals aber auch fest: "Sich durch London, Moskau oder Paris drängen zu lassen, der Wiedervereinigung Steine in den Weg zu legen, liefe darauf hinaus, den Wahnwitz von Versailles nach siebzig Jahren zu wiederholen".

Die Vertiefung der Zusammenarbeit wurde in diversen Verträgen geregelt, um Deutschland auf den vorgegebenen Pfad zu bringen. Im Vertrag über "gute Nachbarschaft", Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der BRD und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 09. November 1990, unterzeichnet von Helmut Kohl und Michail Gorbatschow, hieß es zum Beispiel laut "Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland" (Hesse) im Artikel 11, beide Seiten bekräftigen ihre Entschlossenheit, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet auch des Umweltschutzes auf der Grundlage des Abkommens vom 25. Oktober 1988 fortzuführen und auch weiter zu intensivieren. Man werde die "Probleme des Umweltschutzes" gemeinsam lösen können und schädliche Einwirkungen auf die Umwelt sollen untersucht und Maßnahmen zu deren Verhütung getroffen werden.

Die BRD und Sozialistischen Staaten der Sowjetunion würden sich an der Entwicklung abgestimmter Strategien und Konzepte beteiligen, um eine "die Staatsgrenzen überschreitende Umweltpolitik" im internationalen, insbesondere europäischen Rahmen zu verwirklichen. Später schreibt man davon, man würde eine wohl demnach umfassende Erweiterung auch der: "Transportwege" (!) (des Luft-, Eisenbahn-, See-, Binnenschifffahrt-, und Straßenverkehrs) umsetzen können. Zudem strebe die Bundesrepublik und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken die Nutzung "mondernster Technologien" allgemein an.

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