(C) Ahmed Bin-Baz, 2010, Bild: flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

In den vergangenen Jahren gab es Berichte darüber, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angeblich eine neue Art des Osmanischen Reichs aus der Luft her zaubern will. In einigen Meldungen behauptete man, es sei mehr Panturkismus zu sehen, andere schrieben, es gäbe mehr Panislamismus. Bekanntlich löste einst der ideologisch auf die Ethnie abstellende Panturkismus sowohl den Panislamismus als auch den ethnien- und religionsübergreifenden föderalen Osmanismus ab (ex). Die jeweiligen Unterschiede können (hier) bei den Pan-Bewegungen nachgelesen werden. In EU-Gefilden gibt es ebenfalls nebulöse "Panler". So forderte die EU-Kommissarin V. Reding die Etablierung der Vereinigten Staaten von Europa (ex), eine Begrifflichkeit, die auch unter Paneuropa geführt wurde und auf die z.B. der polnische Premier D. Tusk (anspielte). Diverse Großstrukturdenker aus Burschenschaften liebäugelten in der Vergangenheit sogar mit der Ausrufung des neuen Heiligen Römischen Reichs (ex). Die Ursachen des negativ-narzisstischen Expansionsdrangs in den Köpfen entsprechend geformter Psychen und damit verknüpfter allgemeiner Dachschäden erörtert für Sie ggf. der ehem. Psychiater Dr. Andrzej M. Lobaczewski in seiner Publikation Politische Ponerologie (unter).
Doch wenden wir uns lieber den eingangs angemerkten Darstellungen zu, der Türke Erdogan wolle nun bald einen auf Sultan oder Kalifen machen. Die jüngeren Meldungen stammen aus österreichischen Medien. Erdogan war in Wien, um dort diverse Gehirnfürze zu äußern. Gegenwirkend mit angeschlossen hatte sich medial ein gewisser Heinz-Christian Strache, der Landesparteiobmann der FPÖ Wien und frühzeitiger Burschenschafter (ex). Seinen Darstellungen nach war der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten ein "reiner Propagandafeldzug für sein Erdoganistan" und er wollte auch ein "Neo-Osmanisches Reich und Parallelgesellschaften in Wien anpreisen", wie man (zitierte). Eine gesehene Rückbesinnung auf das osmanische Erbe wäre laut anderen Darstellungen "ein wesentlicher Teil der türkischen Kulturpolitik" (ex). Einer der schärfsten Erdogan-Gegner in Österreich sei übrigens auch das Bundesrats-Mitglied Efgani Dönmez, ein offizieller Anhänger der Grünen (ex). Weitere Personen meinten, Erdogan habe sich in der Vergangenheit "in seinen pantürkischen Appellen" immer wieder an die in Europa lebenden und angeblich bedrohten "Auslandstürken" ("Kinder desselben Stammes") gewandt gehabt, sie müssten sich für die Interessen ihrer Heimat einsetzen. Laut einem Beitrag der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung von 2010 habe der türkische Ministerpräsident deutschen Politikern einst unterstellt, sie würden "Türkenhass" betreiben. Maßnahmen der Integration solcher Menschen in die Gesellschaft, z.B. in Deutschland, sei eine Assimilation und ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (ex).
Kurz angemerkt werden kann, dass durch die Verbreitung des Islam in Europa seit dem 8. Jahrhundert dieser heute nicht mehr als fremde Religion betrachtet werden (sollte). "Wir müssen überall dort hingehen, wo unsere Vorfahren gewesen sind", soll Erdogan (gesagt) haben. Seine Vision eines angeblich neuen Osmanischen Reichs hätte er vor geraumer Zeit auch in Kairo, Tunis und Tripolis mit den Worten unterstrichen: "Wir haben eine sehr lange gemeinsame Geschichte" (ex). In der einst betriebenen Realpolitik des Osmanischen Reichs stellte sich bekanntlich rückblickend heraus, dass der Versuch, "die Loyalitäten aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften des Osmanischen Reichs zu bündeln, scheiterte" (ex) - Versuche, das Osmanische Reich zu reformieren, schlugen später insgesamt fehl (ex). In 2010 schrieb man im "Spiegel", dass sich nicht näher genannte US-Diplomaten über islamistische Tendenzen in der Türkei gefürchtet hätten. Ein AKP-Berater soll laut dortiger Zitierung angeführt haben: "Wir wollen Andalusien zurück und uns für die Niederlage bei der Belagerung Wiens 1683 revanchieren" (ex). Angeblich soll Erdogan später symbolisch klar gemacht haben, als wen er sich selbst sieht: "Als einen neuen Atatürk, der das Land modernisiert, und als neuen Sultan, der die Türken und den Islam siegreich gen Westen führt" (ex).
Laut Springer-Publikation "Die Welt" gab es in 2012 eine hier bezeichnete sog. "Krönungsrede" von Erdogan, er wäre der "größte Führer der Welt" und habe damals gleich auch Russland, China und Israel gedroht gehabt (ex), obwohl in 2011 Erdogan durch einen Erlass auch entschieden hatte, u.a. Juden (in der) Türkei aus der Vergangenheit her konfiszierte Immobilien und Sakralbauten zurückzugeben (ex). Folgender Kommentator bei der Uni Hildesheim (meinte) zu angeblichen Großreichambitionen: "Der [oft gewählte] Vergleich zwischen dem Osmanischen Reich und der modernen Türkei hinkt natürlich". Zu Beginn des neuen Jahrtausends stand die West-Integration der Türkei als außenpolitisches Ziel bereits fest. Auch solle die Türkei in die EU aufgenommen werden. Allerdings erschwert u.a. die Zypernfrage die Verhandlungen (ex). Eine Entdeckung von großen Erdgas- und Ölvorkommen bei Israel und in Zyperns angrenzender "Ausschließlicher Wirtschaftszone" hatte zuletzt offenbar Streit zwischen Griechenland und der Türkei über das geteilte Zypern befeuert gehabt und Pläne zur Ausbeutung der Offshore-Energieressourcen gebremst (ex).
Die Republik Türkei ist seit 1952 bereits Mitglied der NATO und unterhält innerhalb dieser die zweitgrößte Anzahl an aktiven Soldaten nach den USA (ex). Irritationen auch in militärischen Belangen gab es bezgl. des türkischen (Gladio-Zweigs) des Stay-Behind-Netzwerks (ex), der unter dem Namen Counter-Guerilla oder Kontra-Guerilla geführt worden sei. Weitere Irritationen schlugen ein mit der Organisation "Ergenekon", die durch Terror und Desinformation den Sturz der islamisch geprägten Regierung von Erdogan betrieben haben (soll). Eine wichtige Person der angeführten Struktur der Kontra-Guerilla in der Türkei sei u.a. der Rechtsextremist und Heroinhändler Abdullah Catli gewesen, welcher auch großen Einfluss bei den "(Grauen Wölfen)" gehabt hätte. Letztgenannte Struktur(en) seien offenbar heute auch in EU-Gefilden recht aktiv und es waren z.B. in Deutschland Verbindungen u.a. mit der Partei CDU zu (sehen). Eines der Ziele der Grauen Wölfe sei eine "sich vom Balkan über Zentralasien bis ins chinesische Autonome Gebiet Xinjiang erstreckende Nation", die alle Turkvölker vereint. Diese Ideologie wird meist als Panturkismus bezeichnet.
Allgemeiner Anhang:
Eine nebulöse panturkistisch geformte: "Türkische Welt" wird in der heutigen Konjunktur als unmöglich betrachtet, wie es laut (Einschätzungen) heißt. Doch es würde auch einige US-amerikanische Politiker geben, die glauben, dass eine "Ostorientierung" der Türkei - hin zum Islam und Panturkismus - eher "komplementär" wirken und vom Westen instrumentalisiert werden könnte. Damit wäre den folgenden Anmerkungen nach offenbar gemeint, dass die kemalistisch, d.h. eher säkular bleibende Türkei eine westliche Funktion gleichermaßen in der Welt des Islam und in der großen pantürkischen Welt zwischen (Xinjiang) und dem Balkan übernehmen würde (ex). Auf der offiziellen Webseite des türkischen Außenministeriums soll zumindest vor geraumer Zeit noch der Satz gestanden haben, dass auch der Balkan für die Türkei "Priorität" hätte (ex). Selbst wenn in der Türkei in den heutigen Tagen offiziell eine möglichst pro-europäische Realpolitik betrieben würde, lebe folgenden Anmerkungen nach die "panturkistische Vision" in gewissen Strukturen weiter fort. So lange es aber Uneinigkeit unter den Turkstaaten Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Türkei, Türkische Republik Nordzypern, Turkmenistan und Usbekistan gibt und die Europäische Union der Türkei mehr Vorteile zu bieten hätte als ein "imaginäres Imperium", bleibe, so zumindest jene Einschätzungen, der Panturkismus nur ein Traum (ex).
Nach Landau (1988) würden Strukturen aus der Türkei, nach damaligen Ansichten, ja sowieso nur so etwas wie einen: "Kultur-Panturkismus" betrieben haben und nicht einen "politischen Panturkismus", d.h. deren Bestrebungen würden "auf eine kulturelle Integration ohne Ambitionen" auf eine andere staatliche Ordnung abzielen (ex). Andere meinten in jüngerer Vergangenheit, dass sich im gesamten kaspischen Raum immer häufiger die vielfältigen Machtgruppen für politische Ambitionen externer Akteure instrumentalisieren ließen, weil darauf spekuliert werde, dadurch möglicherweise den Gesamteinfluss dieser Akteure auf die Region oder entsp. signifikante Prozesse erhöhen zu können. Betont laut nächstangeführter Quelle hatte man: "Vor allem von der Türkei wurde in diesem Zusammenhang der Panturkismus propagiert". In Zentralasien und Transkaukasien würden islamische Netzwerke existieren, welche türkisch beeinflusst sind. Am stärksten mache sich dieser gesehene Einfluss auch in Kasachstan und Aserbaidschan, wesentlich schwächer jedoch in Usbekistan bemerkbar (ex).
Zu den Formen des (Osmanismus), der sich vor der Ersten Verfassungsära des ehemaligen Osmanischen Reiches entwickelt hatte, und dem (Panislamismus), dessen Ziel die Einheit aller Muslime in einem islamischen Staat oder Kalifat sei, trat Ende des 19. Jahrhunderts bereits der sog. Panturkismus (siehe: Turanismus) - gut siebzig Jahre nach Auftreten des griechischen Nationalismus - verstärkt auf, der Elemente auch des (Panslawismus) mit (einbezog). Es kann aber auf den reaktionären Charakter des Panturkismus gegen den irredentistischen (s.a. Irredentismus) Panslawismus hingewiesen werden. Der (Panslawismus) sei wie gleich seinen Gegenstücken auf anderen Kontinenten - z.B. dem (Panturkismus), (Panarabismus), (Panafrikanismus) oder (Panamerikanismus) - siehe auch allgemein die (Pan-Bewegungen) - nur situativ als transnationales Identifikationsmuster wirksam (ex). Dem Panturkismus stehen hauptsächlich der Panarabismus (auch: Arabischer Nationalismus) im arabischen Kulturkreis und der (Paniranismus) im persisch-iranischen Kulturkreis gegenüber.
Die Beteiligung der Osmanen am Ersten Weltkrieg (Ergänzend: eine Liste der Türkenkriege findet sich hier) auf der Seite der Mittelmächte war aus heutiger Sicht in erster Linie ein Ergebnis der engen Beziehungen, die in den Vorkriegsjahren zwischen den militärischen Führern des Komitees für Einheit und Fortschritt, eine politische Organisation im Osmanischen Reich (ex), und auch des Deutschen Reichs gepflegt wurden. Die Beteiligung der Osmanen am Ersten Weltkrieg soll aber all denjenigen Kräften starken Auftrieb gegeben haben, die im vorherigen Jahrhundert dort Fuß fassen konnten: der Nationalismus, Liberalismus, Konservativismus, Zentralisations- und Dezentralisationsbestrebungen, Osmanismus, Panislamismus, Panturkismus, allg. Verwestlichung, Toleranz und Intoleranz. Und hätte nicht der forcierte Krieg selbst das Osmanische Reich zerstört, wäre es wohl sicherlich später im "Spiel" jener Kräfte regelrecht zerrieben worden.
Diverse europäische Mächte waren offenbar auch dazu übergegangen in die inneren Angelegenheiten des Osmanischen Reichs einzugreifen und man besetzte etwa osmanisches Gebiet und ermunterte zu Aufständen. Man verlangte zudem Reformen, welche aber die nicht-muslimischen Untertanen innerhalb des Osmanischen Reichs höher stellen sollten als die muslimischen selbst. Es wurden zudem verschiedene Geheimgesellschaften etabliert, von denen jene der Bulgaren, Griechen, Serben und Armenier heute als "besonders aktiv" beurteilt werden können. Sehr häufig wurden solche Strukturen mit dem festen Ziel gegründet, die Erfüllung ihrer Wünsche meist durch Terrorismus zu erzwingen. Man verübte terroristische Akte, um z.B. die Osmanen zu Konzessionen (Verleihung eines Nutzungsrechts an einem Gemeingut) zu bewegen. Man behinderte und schwächte aber auch die osmanische Verwaltung selbst und versuchte dadurch die Osmanen zu Unterdrückungsmaßnahmen zu provozieren, damit möglichst eine europäische Intervention erzwungen werden hätte können.
Der damalige Sultan (Abdülhamid II.) begegnete erst wohl erfolgreich europäischen Einwirkungen, nationalistische Ideen unter den Millets, von den Osmanen anerkannte Glaubensnationen, zu verbreiten, indem er selbst verschiedene Ideologien verbreiten ließ. Im Osmanischen Reich übernahm man die Doktrin des Osmanismus, d.h. die einst von Intellektuellen vertretene Konzeption, dass alle Osmanen ohne Unterschied der Religion gleiche Bürger seien. Außerhalb sorgte man für die Verbreitung der Ideologie des Panislamismus, womit die Einheit aller Muslime unter des Sultans Führung als "Kalif" angestrebt worden sei und was ihm die Unterstützung aller Muslime einbringen sollte, die unter europäischer Herrschaft lebten. Mit Blick auf Indien und Ägypten also unter britischer, in Nordafrika unter französischer und in Zentralasien unter russischer Herrschaft.
Im Osmanischen Reich hatte sich in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens die türkische Nationalidee entwickelt gehabt, die für die türkische Außenpolitik bis heute eine bestimmende Kraft bildet. "Bis zum 19. Jahrhundert wurde in den osmanischen Schriften bzw. Dokumenten der Begriff Türkei [als heute bekannte Republik] nicht verwendet [...] Die Nationalität als identitätsstiftende Basis tauchte im Osmanischen Reich erst viel später, nämlich durch die Beeinflussung der von den nach Europa geschickten Studenten mitgebrachten turkologischen Studien auf" (hier). Der Grundsatz des Osmanismus soll folgenden Anmerkungen nach übrigens einst gelautet haben: "Unabhängig von Religion und Rasse werden alle Bestandteile der Identität unter die Priorität der Idee der Osmanischen Union gestellt [...] So wurde versucht, den Begriff des Osmanen als oberstes Identitätsmerkmal zu definieren [...] ist in diesem Sinne mehr als das Osmanische Reich, das die territoriale Integrität schützt. Die Inspiration dieses Geistes waren die Freimaurerei und ihre Logen" (ex).
Der Begriff "Türkei" fiel jedoch in deutschen Publikationen, wie z.B. später im Januar 1915 in der "Orientalistischen Literaturzeitung", worin man unter nächster Quelle davon schrieb, von welcher Bedeutung z.B. das Eindringen "zahlreicher, intellektuell und erziehlich hochstehender russisch-islamischer Elemente in die Gesellschaft von [Istanbul]" gewesen sei. Zudem ging man damals davon aus: "Es scheint zu einem militärischen Aufschwung zu kommen, der eine erhebliche Mehrung politischer Macht mit sich bringen wird [...] ist abzuwarten, ob sich dem ein kultureller Aufschwung [hinzu]gesellt, ob namentlich die einseitig religiöse Orientierung so weit wird zurückgedrängt werden können, dass aus dem Osmanischen Islamstaat ein Rechtsstaat in modernem Sinne" werden kann (ex). In seinem bereits 1885 veröffentlichtem Werk "Das Türkenvolk" hatte sich z.B. auch der vermutliche Geheimagent in britischen Diensten (Hermann Vámbéry), ein ungarischer Orientalist und Turkologe, den irredentistischen Bestrebungen des Panturkismus angenommen gehabt.
Für die Doktrin des Panturkismus sollte als Basis die "Identität" der türkischen Sprache und die Abstammung genutzt werden. Neben linguistischen wurden also auch ethnische - rassische - Zusammenhänge konstruiert. Damals wurden (folgenden) Darstellungen nach auch Gruppen mit einbezogen, die außerhalb des Osmanischen Reichs lebten. Dies seien die turksprachigen Völker im "Russischen Reich" oder in Mittelasien (Kasachen, Usbeken sowie die Uighuren in Nordwest-China) gewesen. Die Gemeinschaftsidentität bildete sich nicht nur auf der religiösen Grundlage, sondern war; ist gekoppelt an das "Verbindende" der Turkvölker. Je nachdem welche Strömung man nimmt, fand; findet eine unterschiedliche Gewichtung des religiösen oder des ethnisch bzw. kulturellen Aspektes statt. Die Identitätskonflikte, die dem Osmanischen Reich inhärent waren, haben die osmanischen Politiker und Vordenker, teils aus europäischen Kerngefilden, aber nicht lösen können.
Die (Jungtürken) als eine politische Bewegung im Osmanischen Reich zielten einst erst einmal darauf ab, ein "Osmanisches Rumpfreich" zu etablieren, mit all denjenigen Gebieten, die türkische Mehrheits- oder zumindest erhebliche Minderheitsbevölkerung hatten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Panturkismus in der Oberschicht der osmanischen Gesellschaft als eine der "bedeutenden Ideologien" etabliert worden. Damals seien zudem deutsche Diplomaten in dem Gebiet weit verbreitet gewesen und sie hätten "großen Einfluss" auf das osmanische Reich gehabt (ex). Die Koalitionen des Ersten Weltkriegs nahm sich die Partei der Jungtürken später zum Anlass, eine durchaus expansionistisch geprägte Außenpolitik an der Seite der Zentralmächte zu betreiben. Der Panturkismus sei übrigens als Bewegung u.a. mit durch Strukturen im ehem. Russischen Reich der 1880er Jahre entstanden, etwa durch den Krimtartaren Gaspirali Ismail Bey - Ismail Gasprinski (ex) - inspiriert worden (ex), neben Kayyum Nasiri (siehe auch: Krimtatarische Sprache) oder Figuren wie dem tatarisch-osmanischen Aktivisten (Yusuf Akcura) und z.B. (Munis Tekinalp) zählte zu den führenden Köpfe der panturkistischen Strömung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Der Panturkismus von Gaspirali Ismail Bey beinhaltete, wie die meisten anderen Konzepte derselben politischen Richtung, ein Modernisierungsprogramm welches dem europäischen Modell entsprach. Der Krimtatar sah es (offenbar) als notwendig an, als damals "neu und modern" zu bezeichnende Methoden im Bildungswesen anzuwenden beziehungsweise die klassischen islamischen Bildungsmethoden zu modernisieren. Ein anderer turksprachiger Denker mit dem Namen Hüseyinzade Ali Bey - bzw. Bäy - aus Aserbaidschan beeinflusste (wohl) das panturkistische Gedankengut ebenso wie der oben angeführte Ismail Bey. Auch jene Person hielt sich oft in der osmanischen Hauptstadt Istanbul auf und machte sich dort mit dem Panturkismus vertraut. Nachfolgend propagierte er das Konzept des kulturellen und politischen Panturkismus in Aserbaidschan.
Zwischenanmerkung: Später kam es nach der Erlangung der Unabhängigkeit Aserbaidschans, von der Sowjetunion am 18. Oktober 1991, dort zu einer Art Kampf zweier Ideologien, der des Panturkismus und der des Panislamismus, mit der sich frühzeitig u.a. auch Ausländer wie Max von Oppenheim vertraut gemacht (hatten). Laut folgenden Darstellungen sei der Panturkismus mit dem Westen in Verbindung gebracht worden, sollte doch die Europäisierung Aserbaidschans über die Türkei erfolgen können (ex). Die Basis sei eine "gemeinsame Sprache, Religion und Kultur" des Staatsvolkes.
Nach der einst vollzogenen (Oktoberrevolution) war der Begriff "(Turkestan)" als "Land der Türken", dem vermeintlichen "Ursprungsland" der türkischen Rasse (ex), von den Sowjets abgeschafft worden, um so den Autonomie- und Einigungsbestrebungen der einheimischen Bevölkerungsgruppen und der Idee des Panturkismus entgegenzuwirken. Für das Gebiet des ehem. Russisch-Turkestan wurde stattdessen von sowjetischer Seite her die Bezeichnung "Sowjet-Mittelasien" - in anderer Literatur auch als Sowjet-Zentralasien bezeichnet - (eingeführt). Die Sowjets fabulierten, dass der: "Panturkismus, der sich zum Ziel setzt, alle Turkvölker der türkischen Herrschaft zu unterwerfen, [...] in der Periode der Balkankriege 1912-1913 [entstanden sei...] Während des Krieges von 1914 bis 1918 entwickelte er sich zu einer äußerst aggressiven und chauvinistischen Ideologie" (ex).
In Mittelasien schürte rückblickend einst (Enver Pascha), einer der führenden Jungtürken und ehm. Generalleutnant und Kriegsminister, in 1916 im Zusammenhang mit dem Aufstand der Basmatschi gegen die Zarenherrschaft pantürkische Träume, für die Bildung eines neuen Kalifats, was angeblich auch zu einer Vertrauenskrise in der deutschen Heeresführung geführt hätte. Wegen teils sehr schwerer Führungsfehler des Militärs, der Beteiligung am Völkermord an den Armeniern, den Enver Pascha zusammen mit dem Innenminister und Großwesir Talat Pascha mit zu verantworten hatte, und seiner abenteuerlichen pantürkischen Großmachtpläne, hatte sich Enver Pascha selbst Feinde im Offizierskorps und bei den Jungtürken gemacht gehabt.
Gerade der sog. Völkermord an den Armeniern signalisierte frühzeitig die rassistische Politik, die hinter der Idee des Panturanismus (Turanismus und Panturkismus sind Varianten des türkischen Nationalismus) stand. Ein durch Pascha gegebener Befehl an die Armee der Ostfront lautete: "Eur[e] erste Pflicht ist es, mit eurer Einheit im Iran einzumarschieren, Teheran zu besetzen, die iranische Regierung von den Russen zu säubern, wenn möglich in der Umgebung von Türkistan einen Aufstand zu provozieren und im Aufmarschgebiet Propaganda gegen die Russen und Engländer zu verbreiten. Eine Einflussnahme auf Afghanistan wäre wünschenswert. Um Bagda[d] nicht an die Engländer zu verlieren, muss alles Erforderliche unternommen und Bagdad erobert werden" (ex).
Der (Ceditcilik) als Modernisierungskonzept des Reformismus vom oben benannten Gaspirali Ismail Bey existierte heutigen Darstellungen zufolge für eine gewisse Zeit auch nach der Oktoberrevolution von 1917 als eine politische Bewegung weiter und bildete die ideelle Basis der Widerstandsbewegung Basmaci (gegen) die russische Fremdherrschaft in den entsprechenden Regionen. Die Anhänger jener Bewegung seien jedoch zwischen 1920-1925 größtenteils von der sowjetischen Autorität unter Kontrolle gebracht worden. Später, ab 1929, wurden die "(Basmaci)" - auch als: Basmatschi bezeichnet - verboten, viele der Anhänger hatte man verhaftet bzw. exekutiert (ex).
Da die Sowjets damals die Entstehung einer auf dem Panturkismus beruhenden panislamistischen Gesinnung befürchteten, begann man damit, entsprechende "kulturelle Gefüge" zu zerschlagen. Identitäten seien durch jene aufgrund von Volkszugehörigkeiten speziell durch die Sprache definiert worden (ex). In 1925 hätte auch Mustafa Kemal (seit 1934 Atatürk) - s.a. (Kemalismus) - empfohlen gehabt, "die pantürkistischen Führer ins Gefängnis oder ins Exil" zu befördern, da jene das "brandgefährliche Ideengut einer türkischen Machtausbreitung über Sowjetisch-Turkestan" propagierten. In einer später in 1927 gehaltenen Rede meinte er: "Man sieht in der Geschichte nicht, wie die Politik des Panislamismus oder Panturanismus hätte Erfolg haben oder wie sie auf dieser Erde ein Gebiet zu ihrer Durchführung hätte finden können" (ex).
Für gewisse Kreise erschien es schon seit Urzeiten interessant, neue Ideologien zusammenzustellen, um diese in gegnerisch klassifizierte Gesellschaften als mögliches Polarisierungswerkzeug zu implementieren oder; und um potenzielle Verbündete dort "zu halten". Die zuvor jeweils ins System eingeflochtene Ideologie z.B. des Panturkismus nutzten offenbar einst auch Strukturen der Nazis aus. Im Rahmen der betriebenen SS-Propaganda und Rekrutierungsaktivitäten unter osteuropäischen und mittelasiatischen Kriegsgefangenen und Freiwilligen wollte man Individuen für den (Osttürkischen Waffenverband) einsammeln.
Die Politik zum "Panturkismus" der SS war in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Politik von Wehrmacht, Ostministerium, also dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und Auswärtigem Amt entstanden. Man nutzte folgenden Darstellungen nach die Instrumentalisierung des pantürkischen Faktors, der die Türkei zum Kriegseintritt - auf der deutschen Seite - bewegen sollte. Mit dem "panislamischen Faktor" zielte man darauf ab, die islamische Welt auf die deutsche Seite zu ziehen. Gelehrte und Diplomaten hätten frühzeitig in der ersten Phase des Krieges den sog. pantürkischen bzw. panturanischen Faktor nutzen wollen, "um die Türkei als Heimatland aller Turkvölker zum Eintritt in den Krieg auf deutscher Seite zu bewegen und in Deutschland ein attraktiveres Bild von den Turkvölkern der Sowjetunion zu schaffen" (unter).
