EU: FTT-Steuer soll nun ab 2016 starten


(C) Patrizio Boschi, 2008, Bild: flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Nun wollen nur noch zehn Staaten die sog. Finanztransaktionssteuer einführen, welche laut "Welt" voraussichtlich ab 2016 erhoben werden kann. Bis zum Ende des laufenden Jahres wollen die Beteiligten gesetzliche "Grundlagen" schaffen, wie man schreibt (ex). Man erhofft sich bei umfänglicher Einführung der Steuer (nur noch) bis zu 34 Milliarden Euro pro Jahr, wovon nach Deutschland bis zu 12 Milliarden Euro fließen könnten. Als Gegner der Finanztransaktionssteuer tat sich u.a. Großbritannien hervor. Ende April 2014 berichtete die "WirtschaftsWoche", dass der EuGH eine britische Klage abgewiesen habe, weil es die geplante Steuer noch nicht gibt. Hier schrieb man zudem, dass die FTT (Finanztransaktionssteuer) vor allem durch den deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinem französischen Amtskollegen vorangetrieben würde (ex).

Wenn die geplante Steuer konkreter wird, werde es offenbar aber eine neue Klage vor dem EuGH durch Großbritannien geben. Dem folgenden "Rechtsportal" nach heißt es: "Mit der [letzten] Klage hat Großbritannien die Nichtig-Erklärung eines Beschlusses des Rates über die Ermächtigung von elf Mitgliedstaaten, untereinander im Bereich der Finanztransaktionssteuer eine Verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, beabsichtigt" (ex). In einem Kommentar meinte der Autor unter nächstgenannter Quelle zum Steuerprojekt, dass wohl "höchstwahrscheinlich Staatsanleihen" ausgenommen würden, damit beteiligte Länder mehr Geld am Markt einsammeln könnten, um ihre maroden Haushalte zu finanzieren (ex). In einer gemeinsamen Erklärung der Minister der beteiligten Mitgliedstaaten schrieb man davon, dass vielversprechende Erfahrungen mit solchen Steuern die Bereitschaft bestätigt hätten, das "Projekt" weiter voranzutreiben.

Die Umsetzung werde "zunächst" auf die Besteuerung von Aktien und angeblich einiger Derivate abzielen, wobei man mit jedem Schritt zur vollständigen Umsetzung der Steuer wirtschaftliche Auswirkungen mit berücksichtigen wolle (ex). Beteiligt sind nach der Abkehr Sloweniens noch die Länder: Österreich, Belgien, Estland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Portugal, Slowakei und Spanien. Rückblickend hatten in 2012 neun EU-Länder einen neuen Vorstoß gestartet gehabt, dass die Finanztransaktionssteuer auf der gesamten EU-Ebene eingeführt werden soll. Der Vorstoß scheiterte Medienberichten zufolge vor allem am Widerstand der beiden Nicht-Euro-Länder Großbritannien und Schweden. Die Alternative, die Steuer nur in der Eurozone einzuführen, scheiterte wiederum am Widerstand von Luxemburg und den Niederlanden. Zur jüngsten Lage hätte der deutsche Bundesfinanzminister Schäuble laut folgenden Darstellungen übrigens:

Blockierern aus dem Norden gedroht. "Wenn sie alles blockieren, würden sie uns zwingen, alles mit nationalen Rechtsakten zu machen", wie man zitierte (ex). Schäuble nach müsse man zur Durchsetzung der FTT "Schritt für Schritt" vorgehen, denn derzeit seien die Interessen der teilnehmenden Länder noch so unterschiedlich, dass man erst einmal "nur" eine begrenzte Besteuerung von Aktien und einiger Derivate vornehmen kann. Einem Bericht der österreichischen "DiePresse" zufolge hätte die Deutsche Börse jüngst damit gerechnet, "dass am Ende auch in der EU in erster Linie der Aktienhandel besteuert wird, wie dies in Frankreich und Großbritannien bereits der Fall" sei (ex). Wann möglicherweise weitere Finanzprodukte von der Steuer erfasst würden, stand zuletzt noch nicht fest.

Der österreichische Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) gab in Richtung der Projekt-Kritiker Großbritannien, Schweden und Dänemark den Kommentar ab, bezogen auf einen angeblich für ihre Finanzplätze befürchteten "Mehraufwand", es handele sich um eine "Propagandamaschinerie" (ex). Dem "Standard" zufolge habe Spindelegger die eine Seite umfassende Brüsseler Erklärung als "Durchbruch" gefeiert (ex). Mit Blick auf Spanien, welches an der FTT mitwirkt, hätte der dortige Wirtschaftsminister Luis de Guindos (PP) noch im April verkündet gehabt, dass die Steuer "in sechs Monaten" erhoben werden könnte. Das südeuropäische Land hätte für den Haushalt 2015 bereits entsprechende Einnahmen von rund 640 Millionen Euro eingeplant (ex). Der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloom meinte derweil zum jüngsten Beschluss: "Ihr gemeinsamer Nenner ist sehr klein - aber sie haben sich entschlossen, vor den Europa-Wahlen etwas vorzulegen" (ex).

Bei Focus-Online meldete man, unter Anführung des neuen französischen Finanzministers Michel Sapin, dass der jüngste Beschluss ein: „entscheidender Schritt“ gewesen sei. Nachdem erst einmal Aktien und einige Derivate besteuert würden, sollen laut Focus im zweiten Schritt später "alle Derivate und Finanztransaktionen mit der Abgabe belegt werden" (ex). Bei "Spiegel" brachte man von den Kritikern den britischen Finanzminister George Osborne ins Spiel, der meinte, dass die Steuer nicht Banken belasten, sondern Arbeitsplätze und Renten gefährden würde (ex). Wenn sich die Steuer auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Europäischen Union (EU) auswirken sollte, wollen die Briten dagegen vorgehen. Unter folgender Quelle spekulierte man derweil, dass letztlich "nur" so etwas wie eine Börsenumsatzsteuer übrig bleiben könnte. Zur Kasse gebeten würden vor allem Anleger wie Käufer von Investmentfondsanteilen (ex).

In einer Ausarbeitung (Positionspapier) des Deutschen Aktieninstituts sprach man im vergangenen Jahr davon, dass die Schätzung der EU-Kommission, wonach durch die Steuer jährlich Einnahmen zwischen 30 und 35 Milliarden Euro zu sehen seien, "sehr ambitioniert" wären. Man betonte, dass die Finanztransaktionssteuer wie die Ökosteuer zu den sog. Lenkungssteuern gehöre. Daher würde sich die Steuerbasis in dem Maße reduzieren, wie der "Lenkungszweck", etwa die Eindämmung der "Spekulation", erreicht wird. Zudem sprach man mögliche Ausweichreaktionen der Marktteilnehmer an, welche in nicht-besteuerte Jurisdiktionen fliehen könnten. Als ein "abschreckendes Beispiel" führte man übrigens Schweden an. Nach dortiger Einführung der Börsenumsatzsteuer in den 1980er Jahren war dies mit der Konsequenz verbunden, dass im Verlauf nach und nach ein insgesamt großer Teil des Handels mit Finanzprodukten dauerhaft auf die Londoner Börse verlagert wurde. Entsprechend war das Aufkommen aus der Steuer gering, was auch ein wesentlicher Grund Schwedens war, das fehlgeschlagene Experiment 1991 abzubrechen (ex).

Berichten zufolge sei auch das französische "Experiment" keine Erfolgsgeschichte. Die Besteuerung von Transaktionen mit Aktien größerer französischer Emittenten hätte das Handelsvolumen in diesen Wertpapieren deutlich gedrosselt. Hingegen sei der Handel mit Aktien nicht-französischer Unternehmen, die in Paris gehandelt werden, stark gestiegen. Zudem griffen die Anleger vermehrt bei Wertpapieren zu, deren Wertentwicklung an den Kurs des besteuerten Dividendentitels gekoppelt war, anstatt direkt in die Aktie zu investieren. Diese Ausweichbewegungen könnten Expertendarstellungen nach dazu führen, dass die erhofften Steuereinnahmen wohl nicht erreichbar sind. Der französische Staat müsse mit deutlich weniger rechnen. Eine ähnlich gelagerte Entwicklung deutete sich offenbar auch in Italien an.

In einer Sonderbeilage der Börsen-Zeitung schrieb man davon, dass: "Eine solche Steuer […] die Finanzkrise nicht vermieden [hätte] und [sie] könnte auch neue Krisen nicht vermeiden. Die Steuer wird lediglich dazu führen, dass Handelsaktivitäten auf andere Börsenplätze verlagert werden, zumal unter anderem Großbritannien und Luxemburg als große und konkurrierende Finanzplätze ausgenommen bleiben" (ex). Zahlen müssten auch diesem Bericht zufolge deshalb in erster Linie Kleinsparer und mittelständische Gewerbetreibende, die nicht auf andere Finanz-Zentren ausweichen können. In einem "Hintergrundpapier" (G20 – Gipfel der Ratlosigkeit?) fantasierte man seitens "Südwind", einem Institut für Ökonomie und Ökumene, davon: "Die Einnahmen aus dieser Steuer könnten zur Armutsbekämpfung und zur Eindämmung weiterer Folgen des "Klimawandels" genutzt werden. Somit ließen sich die Ziele von Armutsbekämpfung, Nahrungsmittelsicherheit und der Vermeidung einer erneuten Finanzkrise in einem Mechanismus verbinden" (ex).

In der deutschsprachigen Ausgabe der Le Monde diplomatique hieß es im November vergangenen Jahres, auch wegen der TTIP-Verhandlungen (zum sog. „Freihandelsabkommen“ zwischen EU und USA), dass die US-Amerikaner gegen die Finanztransaktionssteuer seien. US-amerikanische Finanzinstitutionen wollen diesen Darstellungen zufolge: "über die TTIP-Tafta-Verhandlungen ein Verbot von gesetzlichen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs erreichen". Man hob hier hervor, dass die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) dazu aufgefordert hätten, die Steuer in zuvor geplanter Weise nicht einzuführen - es käme nur eine "abgewandelte, mildere Form" in Betracht - womit das Thema letztlich dann auch für die US-Unterhändler "wahrscheinlich an Bedeutung verlieren" könnte (ex). Angemerkt worden war im Quellenverweis, dass schon in 2010 durch die EU-Kommission in einem Memorandum davor gewarnt worden sei, dass die Einführung der Steuer mit Verpflichtungen im Rahmen der WTO kollidieren könnte.

In der Bundesrepublik Deutschland hatte man übrigens laut dem Beschluss des 24. Parteitages der CDU (Starkes Europa – Gute Zukunft für Deutschland) dargestellt: "Wir setzen uns für die schnelle Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein. Wenn deren Einführung im Rahmen eines gemeinsamen Vorgehens von EU und USA oder auch innerhalb der gesamten EU nicht möglich ist, werden wir eine Umsetzung in der Eurozone unterstützen und weiterhin auf eine EU-weite und globale Umsetzung drängen. Die Steuer solle so ausgestaltet sein, dass die Interessen des Finanzplatzes Deutschland angemessen gewahrt bleiben" (ex). Im "ausgehandelten" Koalitionsvertrag (2013) zwischen CDU, CSU und SPD sprach man unter anderem davon:

"Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene stärkt die Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise und an den Zukunftsaufgaben von Wachstum und Beschäftigung [...] Wir wollen eine Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz zügig umsetzen [...] Besteuerung sollte möglichst alle Finanzinstrumente umfassen, insbesondere Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Devisentransaktionen sowie Derivate-Kontrakte" (ex). Im deutschen "Regierungsprogramm 2013 – 2017" (Gemeinsam erfolgreich für Deutschland) von CDU/CSU schrieb man: "Nur als ein starker und wettbewerbsfähiger Finanzplatz kann Deutschland auch weiterhin aktiv die Regulierung der internationalen Finanzmärkte mitgestalten. Unser Ziel bleibt es dabei, die Steuer nicht nur in Europa, sondern langfristig weltweit einzuführen" (ex).

Das Magazin Focus berichtete rückblickend unter dem Titel: "SPD und Grüne mit Regierung einig über Fiskalpakt" im Juni 2012 davon, dass der damalige Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) darüber sprach, dass ein ausgehandeltes "Paket" eine Finanztransaktionssteuer beinhalten würde - "die notfalls auch nur mit einzelnen EU-Staaten kommen soll" (ex). Laut damaligem Bericht von "Spiegel" werde "der Wille aller Beteiligten zum Ausdruck gebracht, die Finanztransaktionssteuer in Europa auf den Weg zu bringen" (ex). Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnete damals in 2012 den Fiskalpakt sowie die Einführung der Finanzmarktsteuer und ein sog. Wachstumspaket als "gutes Ergebnis". Daneben warf er die Frage auf: Wie befreien wir uns aus der Erpressungssituation der Finanzmärkte? (ex). Im November 2012 hieß es in einem Antrag (Finanztransaktionssteuer im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit einführen) der SPD-Fraktion mit durch u.a. Steinmeier: "Steuervermeidung, Verzerrungen und Verlagerungen in andere Hoheitsgebiete sind zu vermeiden" (ex).

Eine Mehrheit von befragten Personen in Deutschland soll die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) laut folgenden Darstellungen vom vergangenen Jahr (2013) offenbar abgelehnt haben. Dies dann, wenn sie auch Privatanleger zahlen müssten. Die repräsentative Umfrage war von TNS Infratest im Auftrag des deutschen Fondsverbands BVI durchgeführt worden. Den Ergebnissen zufolge waren 78 Prozent der bundesweit 1.000 Befragten gegen eine FTT. Weniger als 19 Prozent akzeptierten eine FTT, wenn sie die Sparer träfe. Nur drei Prozent der Befragten hatten dazu keine Meinung. "Sobald die Bevölkerung die Wirkung einer Finanztransaktionssteuer versteht, lehnt eine breite Mehrheit diese Steuer ab", sagte damals laut folgender Publikation Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI (ex).

In einer Veröffentlichung der "Deutschen Kreditwirtschaft" schrieb man davon: Die mit der Steuer verfolgten Ziele widersprechen einer Reihe von zentralen Regelungen, die aus der Krise resultieren. So fordert Basel III (CRD IV) von Banken die Vorhaltung von Liquiditätspuffern für Krisenzeiten, die hochliquide Wertpapiere enthalten sollen. Auch die regulatorisch geforderte stärkere Besicherung z.B. von Derivate-Transaktionen verlangt als Sicherheiten liquide Wertpapiere (oder Geld). Demgegenüber untergräbt die Finanztransaktionssteuer (FTT) genau diese Liquidität, insbesondere auf den Repo-Märkten. Dabei nennt die CRD IV ausdrücklich aktive Repo-Märkte als ein zentrales Kriterium für Liquidität (ex).

Im folgenden Fazit (eines Argumentationspapiers der Deutschen Börse Group, zu fiskalischen und ökonomischen Auswirkungen) schrieb man, es sei davon auszugehen, dass die gesamtwirtschaftlichen Kosten der Einführung der Transaktionssteuer deren Nutzen übersteigen würden (ex). In einem "Statement" vom vergangenen Jahr, des deutschen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik), meinte man: "Die EU-Finanztransaktionssteuer sei nicht das richtige Mittel der Wahl, um die noch nicht überwundene jüngste Finanzkrise zu meistern und künftige Krisen zu vermeiden" (ex). Beim Centrum für Europäische Politik schrieb man: Die Finanztransaktionssteuer erreicht zwar in gewissem Umfang ihr fiskalisches Ziel, verfehlt allerdings klar ihr Lenkungsziel. Sie kann die Finanzbranche weder von riskanten Geschäften abhalten noch künftigen Bankenkrisen vorbeugen. Sie kann die Stabilität der Finanzmärkte gefährden, weil Mindeststeuersätze zu Verlagerungen innerhalb der EU führen (ex).

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