EU: Ermittlungsanordnung für Zwangsmaßnahmen


(C) igrigorik, 2006, Bild: flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Mittels einer sog. Europäischen Ermittlungsanordnung wolle man künftig grenzüberschreitende polizeiliche und juristische Zwangsmaßnahmen in der EU vollziehen, wie aus der jüngst getätigten "Kleinen Anfrage" (18/1179) im Deutschen Bundestag hervorgeht. Das EU-Parlament hatte den Angaben zufolge im Februar laufenden Jahres beschlossen gehabt, dass die EU-weite Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden forciert werden könne. Über den 5-Jahresplan des Stockholmer Programms sei die entsprechende Richtlinie rückblickend festgeschrieben worden, wie es heißt. Das Programm beinhaltet Themen speziell zur Innen- und Sicherheitspolitik für die Jahre 2010-2014, wie den Ausbau der polizeilichen, militärischen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit. Kritiker hoben die Punkte hervor, wonach es einen weiteren Ausbau der Kapazitäten von Europol (Europäisches Polizeiamt - Den Haag) und Eurojust (Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union) geben, eine Interoperabilität von Polizei-Datenbanken hergestellt werden oder u.a. auch ein zentrales Bevölkerungsregister, grenzüberschreitende Onlinedurchsuchungen und allgemein "mehr Kontrolle" des Internets auf dem Plan stehen würden. Laut den Anfragestellern könne durch die Europäische Ermittlungsanordnung "die grenzüberschreitende Anordnung von Zwangsmaßnahmen" durchgesetzt werden.

Definiert werde die zu vollziehende Umsetzung von "Maßnahmen" eines Mitgliedstaates ("Anordnungsstaat") zur Durchführung in einem anderen Mitgliedstaat ("Vollstreckungsstaat"). Eine ausführende Vollstreckungsbehörde solle zumindest laut der "Kleinen Anfrage" eine an sie übermittelte EEA (Europäische Ermittlungsanordnung) offenbar "ohne jede weitere Formalität" anerkennen. Die Umsetzung müsse unter denselben Modalitäten erfolgen, "als wäre die betreffende Ermittlungsmaßnahme von einer Behörde des Vollstreckungsstaats angeordnet worden". Zurückgewiesen werden könne eine Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) übrigens dann, wenn bei den betroffenen Personen "Immunitäten oder Vorrechte bestehen", wie es heißt. Ebenfalls könne auch eine EEA nach diesem Stand wohl dann zurückgewiesen werden, wenn eine Gefährdung von nationalen Sicherheitsinteressen zu sehen sei oder es etwa um Verschlusssachen von Geheimdiensten geht.

Laut einer anderen Mitteilung, der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer, konnte man sich wohl aber doch noch dazu durchringen, als Minimalentgegenkommen ein Grundrechtsvorbehalt mit aufzunehmen, so dass der angerufene Staat die ersuchte Maßnahme des Anordnungsstaates ablehnen kann, wenn diese nicht genauso innerstaatlich angeordnet und durchgeführt werden dürfe (hier). In der Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik führte Prof. Dr. Böse in einem Fazit unter anderem an: "Eine der Herausforderungen für den Unionsgesetzgeber, aber auch für Wissenschaft und Praxis wird darin bestehen, die bestehenden Grund- und Verfahrensrechte um eine transnationale Dimension zu erweitern und damit der besonderen Gefährdungslage des Beschuldigten in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Rechnung zu tragen" (hier).

In der Kleinen Anfrage schreibt man weiter: In der Regel sollen anfallende Kosten durch den sog. "Vollstreckungsstaat" übernommen werden, in Ausnahmefällen seien auch "Nachverhandlungen" machbar, um etwa Kosten aufteilen zu können. Zu den nutzbaren "Zwangsmaßnahmen" gehören u.a. welche der Überwachung der Telekommunikation sowie die Verarbeitung von Verkehrs- und Standortdaten. Mittels der Europäischen Ermittlungsanordnung sei es möglich, die "Ausspähung von Finanztransaktionen" zu vollziehen, wie man schreibt. Im weiteren Verlauf geht man zum Vorangeführten darauf ein, dass offenbar nicht nur mögliche verdächtige oder beschuldigte Personen ausgeforscht werden könnten, sondern auch "alle anderen Personen", sofern die "zuständigen Behörden etwaige Informationen" für "notwendig erachten". Durch die Europäische Ermittlungsanordnung könnten demnach sämtliche Überweisungs- und Empfängerkonten mit einbezogen werden. Mitgliedstaaten sollten entsprechend "Maßnahmen" ergreifen, damit Banken: betroffene Bankkunden oder sonstige Dritte nicht davon in Kenntnis setzen.

Nachfolgend geht man in der Einleitung der "Kleinen Anfrage" auf den Punkt der Zusammenarbeit ein, im Rahmen derer die verdeckten Ermittlungen geregelt würden. Ein "Vollstreckungsstaat" könnte den Angaben zufolge auch dazu veranlasst werden, dass Angehörige von Sicherheitsbehörden mit falschen Papieren zur Erlangung von Beweisen eingesetzt werden, wobei der Einsatz von Beamten unter "falscher Identität" für verdeckte Maßnahmen laut diesem Stand unter einer "gebührenden Beachtung" der nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren im Einzelfall getroffen werden könne. Zu dieser Thematik führt man als Beispiel an, dass wenn keine Einigung bezgl. der Ausgestaltung erzielbar ist, so könne der "Vollstreckungsstaat" offenbar "ablehnen".

Deutschland könnte demnach z.B. eine entsprechende Europäische Ermittlungsanordnung verweigern, sollten dabei Personen von inländischen Sicherheitsbehörden, welche mit falschen Papieren auftreten, in dem anordnenden ausländischen Staat unter ihrer echten Identität vor Gericht aussagen müssen. Fraglich erschien bis zuletzt wohl, laut Anfragestellern, immer noch, ob mittels der Europäischen Ermittlungsanordnung zudem mehr "Rechtssicherheit" für Beschuldigte zu sehen sei, mit Blick auf etwa polizeiliches Fehlverhalten. Nachfolgend gibt man zu verstehen, dass Beamte des Anordnungsstaates bei der möglichen Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates dortigen Beamten gleichgestellt werden müssten - was im strafrechtlichen wie im zivilrechtlichen Sinne gelten soll.

Laut dem österreichischen Politiker Josef Weidenholzer sei die Ermittlungsanordnung: "ein sehr wichtiges Gesetz", denn die damit umsetzbaren Maßnahmen würden grenzüberschreitende Strafverfolgung erheblich erleichtern können, weil auch viele derzeit bestehende Hürden, vor allem bürokratische, in der gegenseitigen Rechtshilfe beseitigt werden. Er gehe fest davon aus, dass mittels der Europäischen Ermittlungsanordnung "für mehr Sicherheit" gesorgt werden kann. Auf der Webseite der litauischen EU-Ratspräsidentschaft (2013) betonte man bereits im Dezember: "Die Richtlinie zielt darauf ab, ein einheitliches, umfassendes System für die Beweiserhebung in grenzüberschreitenden Strafsachen zu erstellen" (hier). Weidenholzer, der seit der 7. Wahlperiode Mitglied des EU-Parlaments und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) ist, führte weiter an:

"Künftig kann zum Beispiel ein österreichischer Staatsanwalt eine Hausdurchsuchung [...] in Frankreich anordnen, die dann von den französischen Behörden weitgehend automatisch vorgenommen werden muss". Die Europäische Ermittlungsanordnung könne in allen Ländern der EU, mit Ausnahme von Dänemark, ab 2016 in Kraft treten. Zur Überarbeitung des Europäischen Haftbefehls führte man auf der offiz. Webseite des EU-Parlaments Ende Februar 2014 zur entsprechenden Plenartagung aus: "Zwischen 2005 und 2009 wurden 54.689 europäische Haftbefehle ausgestellt, jedoch nur 11.630 tatsächlich durchgeführt".

Bei Heise-online fasste man die neuen zu sehenden Befugnisse wie folgt kurz zusammen: Anordnungen für Hausdurchsuchungen, Spitzeleinsätze, Telekommunikationsüberwachungen, Trojanern und zur Aufhebung des Bankgeheimnisses würden nun unter allen EU-Mitgliedstaaten möglich gemacht (mehr). Bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) berichtete man bereits im November vergangenen Jahres darüber, dass der Vorschlag für die Ermittlungsanordnung von sieben Mitgliedstaaten - Belgien, Bulgarien, Estland, Spanien, Österreich, Slowenien und Schweden - gekommen sei. Auch die deutsche Bundesregierung unterstützte das Vorhaben (mehr). Grundidee wäre übrigens gewesen, so schrieb man in der FAZ, den heutigen Aufwand möglichst durch die Einführung eines Automatismus zu begrenzen. Durch Datenschützer forderte man zuvor laut NetzPolitik unter anderem, dass Grundrechtsgarantien nicht ausgehebelt werden dürften (hier). Polen angesprochen schrieb man im "Spiegel" im vergangenen Jahr davon: "Sollten die Polen auch nach Inkrafttreten der EU-Regelung die Rechtshilfe verschleppen [...hätten deutsche] Strafverfolger immerhin ein Druckmittel in der Hand [...] könnten das Land wegen Vertragsverletzung vor den Europäischen Gerichtshof bringen" (hier).

  
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