KGB-Mühle: Russland will Abrüstungsvertrag kicken


(C) F. Rabazzo, 2009, Bild: flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Russlands Verteidigungs-Guru Schoigu meinte vor wenigen Jahren auch im Zusammenhang mit dem Europa-Raketenschild, man könne mit russischen Spezialtruppen in einem Kriegs-/Krisenfall politische und gegnerisch-militärische Individuen/Strukturen auch jenseits der Front eliminieren. Der deutsche heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte rückblickend in 2004 beim damaligen vierten Petersburger Dialog zusammen unter anderem mit dem ehemaligen KPdSU-Boss Michail Gorbatschow insgesamt deutlich: "Dieser Dritte Weltkrieg ist ein Kampf mit asymmetrischer Kriegsführung". Eine Grünen-Politikerin aus Deutschland meinte vor wenigen Wochen: Gorbatschow gab Westen Chance

Die russische Kreml-Frontorganisation Ria Nowosti berichtet, die USA "haben mit dem Aufbau von Elementen ihres seegestützten Raketenabwehrsystems in Europa begonnen". Russland drohe nun offiziell mit dem Ausstieg aus dem sogenannten Abrüstungsvertrag. In 2012 berichtete die "Linke Zeitung" noch online: "Russland kontert den US-Raketenabwehrschild auf den Meeren". In der Vergangenheit berichtete Fred C. Ikle, Abrüstung sei nur ein Mittel der Langfriststrategie der roten Aristokraten gewesen. Schon mit den sowjetischen Abrüstungsinitiativen wurde deutlich, wonach erreicht werden sollte, dass es zu einer strategischen Überlegenheit über den westlichen Gegner kommt. Dies bei minimalem Risiko für die sowjetische Militärmacht. Verträge sollten damals möglichst so formuliert werden, dass nur der Gegner verpflichtet war, die Vereinbarungen einzuhalten, gleichzeitig wollte man durch Kontrollen deren Militär-Potenziale auskundschaften.

Der sog. Sicherheits- und Abrüstungs-Beauftragte des russischen Außenministeriums, Michail Uljanow, hätte nun verkündet, dass Russland aus dem START-Vertrag aussteigen könnte. Der US-amerikanische Verteidigungsminister Chuck Hagel meinte kürzlich, dass mit dem Aufbau von Aegis-Zerstörern in Europa begonnen worden sei. Im Laufe von zwei Jahren wolle man offiz. drei weitere US-Kriegsschiffe mit Abwehrraketen hinzunehmen. Hagel gab in der Vergangenheit zu verstehen, dass solange es Nuklearwaffen gibt, die USA wirkungsvolle Abschreckungsmittel behalten müssten. Angeblich würde aber die Weiterführung der Nuklearwaffenpolitik des Kalten Krieges bis zur damaligen Selbstauflösung der Sowjetunion heute nicht mehr den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen und sei nicht im Interesse der nationalen Sicherheit der USA.

Die New York Times berichtete Ende Januar noch, dass Russland wohl entgegen eines Abkommens Mittelstreckenraketen getestet hätte. Demnach sollen seit 2008 landgestützte Marschflugkörper des Typs RS-26 getestet worden sein, was der INF-Vertrag verbiete. Jener Vertrag galt offiziell auch als "Meilenstein" auf dem Weg hin zur Beendigung des veranstalteten Kalten Krieges. Die Zukunft des INF-Vertrages (Intermediate Range Nuclear Forces) erschien schon in der Vergangenheit fraglich. Der russische Präsident Putin hatte am 10. Februar 2007 erklärt, der Vertrag diene nicht länger, angesichts der von den USA beabsichtigten Aufstellung von Teilen eines bodengestützten Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen, den russischen Sicherheitsinteressen.

Anhang:

Vor einigen Jahren kündigte man von russischer Seite her noch an, dass die Strategischen Raketentruppen ein weiteres Regiment mit mobilen Startanlagen für Topol-M-Raketen (SS-27 Stalin) - Kern der landgestützten Atomstreitkräfte - bekommen sollten. Angeblich würden diese gegen zahlreiche ABM-Raketenabwehrsysteme "immun" sein. Die Raketen könnten Ausweichmanöver vollziehen und somit einem Angriff von Abfangraketen in der Flugendphase ausweichen. Auch diverse Täuschungsmanöver seien machbar. Dazu sei die Topol-M-Rakete gegen Strahlung, elektromagnetische Pulse und Kerndetonationen abgeschirmt und könne außerdem Laserwaffenangriffe überstehen.

Wie man in der Publikation: "Transatlantische Renaissance?" (Riecke, Schmucker, Mildner) vor geraumer Zeit ausführte, galt Deutschland wohl bei US-amerikanischen Sicherheitsexperten wegen seiner engen wirtschaftlichen und energiepolitischen Verflechtung mit Russland lange Zeit als "unsicherer Kantonist". Die deutsche Regierung hätte sich z.B. lange einer NATO-Raketenabwehr mit Hinweis auf die russische Bedrohungswahrnehmung verweigert.

Im Jahr 2011 berichtete "Bundeswehr aktuell" (Nr.18), dass sich die USA mit Rumänien einigten, ein Raketenabwehr-System aufzustellen. Der rumänische Staatspräsident Traian Basescu meinte damals, das System sei "defensiv" und richte sich nicht gegen Russland. Der Stützpunkt Deveselu (im Kreis Olt) bleibe laut damaligen Angaben "unter rumänischem Kommando". Sobald sich die NATO auf einen gemeinsamen Raketen-Schutzschild geeinigt habe, werde der Stützpunkt aber Teil des NATO-Schutzschildes.

Im Koalitionsvertrag (Union und SPD) von 2013 heißt es unter anderem: "Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren bündnispolitischen Zusagen und wird ihren Beitrag zum Aufbau der NATO-Raketenabwehr leisten, die wir für den effektiven Schutz vor der Bedrohung durch Raketen in den Händen von Risikostaaten benötigen [...] wollen die Modernisierungspartnerschaft auf weitere Bereiche ausdehnen [...] werden dazu mit der russischen Führung offen über unterschiedliche Vorstellungen einer Modernisierungspartnerschaft sprechen [...] streben die Weiterentwicklung des Petersburger Dialogs an [...] streben eine weitere Liberalisierung der Visaregelungen für Unternehmer, Wissenschaftler, zivilgesellschaftliche Akteure und Studenten an [...] verfolgen auch weiterhin die Ziele eines neuen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und Russland [...] Sicherheit in und für Europa lässt sich nur mit und nicht gegen Russland erreichen".

Vor den Anschlägen des 11. Septembers 2001 wurde der deutsche CDU-Politiker Horst Teltschik (Mitglied des International Advisory Board des Council on Foreign Relations) in der Publikation "DIE ENTSCHEIDUNG 11/2000" zur Thematik allgemein zitiert: "Die USA sind als einzige Weltmacht einer unipolaren Welt in einer sehr bequemen Lage, die manchem Amerikaner gefällt. Ein Raketenabwehrsystem würde eine solche Situation absichern und noch verstärken. Daraus ergibt sich das Unbehagen in Moskau [Russland], Delhi [Indien] oder Beijing [China]. Sie werfen Washington vor, alle potentiellen Gegenspieler politisch und wirtschaftlich schwächen zu wollen. Dieses weltweite Misstrauen wächst, und dies kann uns Europäern nicht Recht sein. Deshalb brauchen die USA einen konstruktiven Widerpart, der zugleich ein Freund ist".

In der Vergangenheit sollen sich Unterfangen im Rahmen der Raketenabwehr noch als Bluff erwiesen haben. Unter dem Titel "Die Raketenabwehr erwies sich als Bluff" meinte der Autor Georgi Watschnadse, in seiner Publikation "Zeitbombe RUSSLAND": "Listenreich haben die USA die UdSSR gezwungen, Milliarden von Dollars auszugeben [...] Bush und Jelzin haben das START-II-Abkommen unterzeichnet, doch um Rache an beiden Führern zu nehmen, vereitelte die Opposition die Ratifizierung des Vertrages im russischen Parlament [...] Je größer die Zahl der Atomraketen, desto größer der Stolz eines jeden Bürgers auf die Heimat [...] erweckten den Eindruck, als ob sie diese Waffe fürchteten und warfen uns gleichzeitig immer wieder ein sehr gut dosiertes Gemisch von richtigen und falschen Informationen als Köder vor".

Der Autor Horst Afheldt meinte in seinem Buch "Atomkrieg. Das Verhängnis einer Politik mit militärischen Mitteln": "[...] was man sicher nicht nur auf die Furcht vor einem Eindringen in ihr damals noch viel geschlosseneres System zurückführen kann, sondern auch darauf, dass die Sowjetunion ja auf manchen Gebieten - z.B. bei Interkontinentalraketen und Nuklearbombern - fast gar nichts zu kontrollieren hatte, jede Kontrolle den sowjetischen Bluff also aufgedeckt hätte". Im weiteren Verlauf heißt es unter anderem noch: "Die aufgebauten Mittelstreckensysteme müssen durch Abwehrraketen geschützt werden [...] ein solches Raketenabwehrsystem zum Schutz der in Europa stationierten Kernwaffen zu entwickeln, wurde schon 1980 in Erwägung gezogen".

Der Sowjet-General Jan Sejna meinte in 1971 noch: "Die atomare Überlegenheit Amerikas war überwältigend [...] Die UdSSR war damals einfach noch nicht vorbereitet [...] Sie war erst dabei ihre Flotte aufzubauen [...] hatten sich am Mittelmeer und im Nahen Osten noch nicht nachhaltig festgesetzt". Später änderte sich die Situation. "Im Kriegsfall müssten wir drei Situationen ins Gesicht blicken [...] Der Westen greift uns mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln in einem Überraschungsschlag an [...] um das verhindern zu können, müssen wir unsere eigenen Anstrengungen auch auf dem Gebiet der Spionage verstärken". Anderes Szenario: Wir greifen als erstes an. "Diese Lösung ist [...] langfristig am vorteilhaftesten".

Der sowjetische Überläufer Anatoliy Golitsyn meinte 1989 zum sogenannten "Weltoktober" (siehe auch gleichnamiges Buch von T. Mann) - "In Westeuropa und den Vereinigten Staaten wird später die Konvergenz von Blutbädern und politischen Umerziehungslagern begleitet sein". Golitsyn betonte damals auch, dass der KGB im Rahmen der kommunistischen Langfriststrategie Studien über die Durchführbarkeit eines nuklearen Überraschungsangriffs gegen die USA angefertigt hatte.

Älteres, auch interessant:

Raketenschirm: Putin löst NATO Arbeitsgruppe auf

Aggressionen werden mit Kernwaffen erwidert

Russen rüsten an Westgrenze mit tödlichen Raketen

Finden Sie passende Bücher:
» Zum Thema Putin und Russland

  
Bücherindex Bild Link

Weitere Inhalte