(C) Traveling Otter, 2008, Bild: flickr (CC BY 2.0)

Wie es nach Angaben durch das deutsche Auswärtige Amt heißt, soll der in diesem Jahr 70 Jahre alt werdende SPD-Außenpolitiker Gernot Erler, Mitglied des Deutsch-Russischen Forums, künftig sogenannter Russland-Koordinator der Bundesregierung werden. Auf der anderen Seite wolle man als Koordinator der transatlantischen Beziehungen den CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder, der jüngst noch den Renteneintritt mit 70 für "realistisch" hielt, einsetzen. Der SPD-Politiker Erler, welcher fließend russisch spricht, wird Medienberichten zufolge dargestellt als enger Vertrauter des neuen Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD). Erler verlangte in der Vergangenheit auch die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen EU/Türkei.
Über die Personalie Erler, der in der Vergangenheit auch "die kaspische Region und geopolitische Faktoren der europäischen Interessen" beleuchtet hat, habe wohl aber auch erst "Uneinigkeit" innerhalb der Großen Koalition geherrscht. Dies wohl speziell aus dem Grund, da der SPD-Mann als Moskau-freundlich gilt, wie einer entsprechenden AFP-Meldung zu entnehmen ist. Vor Erler hatte man den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff als Russland-Beauftragten eingesetzt. Dieser kritisierte immer wieder die gefahrene Politik des Putin-Clans. So wurde Russland bspw. jüngst erneut vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt (mehr).
Mißfelder als Mitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung, der seit Juni 2013 auch in die Atlantik-Brücke berufen wurde, löst nun als Koordinator der Beziehungen speziell zu den Vereinigten Staaten von Amerika den in den USA geborenen FDP-Politiker Harald Leibrecht ab. Leibrechts Schwerpunkt lag in seiner Zeit auf den zivilgesellschaftlichen Beziehungen mit den USA und Kanada im Bereich der Kultur, Bildung und Wissenschaft. Die USA hatten vor einigen Monaten jene Beziehungen zu Russland aber abgebrochen. Rückblickend hatte der neue Russland-Beauftragte Erler im Jahr 2008 ehemals als Staatsminister Steinmeiers, kurz vor dem Treffen Merkels mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in Sotschi, der georgischen Regierung eine Verletzung des Völkerrechts, wegen des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und Georgien, vorgehalten und Verständnis für die russische Gegenreaktion gefordert.
Erler, der laut Badischer Zeitung zuletzt auf einer Veranstaltung der Stühlinger SPD gewesen sein soll, wo die Band "Rote Socken" für musikalische Ergüsse sorgte, als Ablösung für Schockenhoff von der CDU, genieße laut "Berliner Zeitung" angeblich "das Vertrauen der russischen Führung". Der SPD-Mann unterstrich dies jüngst selbst mit der Forderung: "Schluss mit dem Russland-Bashing". Der seitens Russlands als wilder Mann bezeichnete Schockenhoff kritisierte in seiner Zeit als Russland-Beauftragter unter anderem noch die Verschärfung des Demonstrationsrechts und beklagte allgemein rechtsstaatliche Defizite in Russland.
Die Kreml-Führung wiederum ließ nach diversen Irritationen um Schockenhoff dann mitteilen, dass man ihn nicht länger als Ansprechpartner betrachtet. In russischen Medien hieß es nach der Bekanntgabe der Personalie Erler, dass (nicht näher dargestellte) "Experten" meinen würden, dass die Ernennung Erlers ein Zeichen für eine mögliche Kurskorrektur im Verhältnis zwischen Berlin und Moskau sein wird. Erler kündigte für die Zukunft schon mal an: "Von Lagerdenken - hier die Russland-Versteher und da die Russland-Kritiker - halte ich überhaupt nichts". In anderen Belangen kritisierte Erler im Jahr 2012 bspw. auch, dass US-Atomwaffen weiterhin in Deutschland lagern sollen; die im Vorfeld dargestellte Ankündigung des ehem. Außenministers Westerwelle (FDP) diesbezüglich, die Atomwaffen sollten verschwinden, bezeichnete er als "Luftnummer".
In der Vergangenheit gab der SPD-Mann russischen Medien Interviews. Darin hieß es etwa, er habe sich schon früh "mit russischer und sowjetischer Geschichte befasst". Besonders angetan war er offenbar von der "frühsowjetischen Kulturpolitik". Seine Russisch-Sprachkenntnisse konnte er auch Anfang der 1970er Jahre weiter ausbauen, als er für ein halbes Jahr in Moskau und Leningrad (heute: Sankt Petersburg) war. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angesprochen meinte Erler, diese lege Wert darauf, dass eine "Kontinuität in den deutsch-russischen Beziehungen" notwendig sei. In der Vergangenheit konnte Angela Merkel bei russischen Gesprächspartnern laut Erler auch damit punkten, als diese selbst in russischer Sprache kommunizierte.
Zur weiteren Annäherung an Russland müsse laut Erler nicht nur die strategische Partnerschaft ausgebaut werden, wie in wirtschaftlichen Belangen vor allem im Energiebereich, sondern es schließe auch die weitere Zusammenarbeit bei "internationalen Konflikten mit ein". Erler begrüße es, dass die sog. "Grundausrichtung" des russischen Präsidenten Putin sei, den "europäischen Weg" zu gehen und so Russland nach und nach immer mehr in "europäische Prozesse zu integrieren". Jene Grundausrichtung der "Putinschen Politik" sehe er "durchaus im europäischen Interesse". In Sachen Jugendaustausch glaube Erler, dass gerade die jungen Generationen auf beiden Seiten zur Stärkung gegenseitiger Beziehungen "ein neues Kapitel" aufschlagen können werden.
Den ehemaligen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Sergejewitsch Gorbatschow, angesprochen gab Erler im russischen Interview zu verstehen, dass dieser im Westen immer viel mehr anerkannt gewesen sei als im eigenen Land. Laut Erler habe man Gorbatschow "vor allem mit der Perestroika verbunden". Putin selbst in den heutigen Tagen zeichne aus, dass angeblich die meisten Russen mit ihm das Gefühl von mehr Sicherheit verbinden würden, wie auch eine "Stärkung des Zentrums". Auf der anderen Seite sprachen kritischere Beobachter in ungeschminkten Worten davon, Putin installiere vielmehr ein "autoritäres System". In der Vergangenheit forderte Putin mit Blick auf die EU ein "visafreies Regime einzuführen". Auch speziell diese Frage müsse auf der Agenda der europäisch-russischen Beziehungen stehen.
Der SPD-Mann Erler, Autor/Beisteurer der nebulösen Werke: "Eine menschlichere Welt für alle", "Mission Weltfrieden", "Augenzeuge im Staate Lenins" oder auch "Russland kommt", warb beim 4. Petersburger Dialog in Hamburg (Partnerstadt St. Petersburg), wo Gorbatschow anwesend war und der erste Dialog-Tag unter dem Titel "Russland und Deutschland in Europa – Blick in die Zukunft" geführt wurde, insgesamt für eine nachhaltige Beziehung zu Russland. Der Hamburger Oberbürgermeister Ole van Beust (CDU) wollte unterdessen den deutsch-russischen Jugendaustausch auf "eine neue Stufe" heben. Weitere Teilnehmer waren u.a. Wolfgang Schäuble (CDU) oder auch die Gouverneurin von St. Petersburg, Walentina Matwijenko.
Die zu vertiefenden Verflechtungen zwischen EU/Russland bewarb Gorbatschow in der Vergangenheit genauso wie Erler unter anderem im sogenannten Deutsch-Russischen Forum, ein Verein mit Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin. Dem Deutsch-Russischen Forum gehören von wirtschaftlicher Seite her hauptsächlich Großunternehmen (DAX-30) an, im Kuratorium findet sich der deutsche Wirtschaftsmanager Bernhard Reutersberg, der dem Vorstand der E.ON AG angehört. Andere Mitglieder sind neben Erler auch Roland Berger der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants, die ehemalige Korrespondentin im ARD-Studio Moskau Gabriele Krone-Schmalz oder auch der deutsche SPD-Politiker Manfred Stolpe, der als Förderer der EU-Ost-Integration gilt.
Der Rothschild-Vertreter Dr. Klaus Mangold warb beim Petersburger Dialog in Hamburg in der Vergangenheit unter anderem zusammen mit Gorbatschow für den Kampf gegen Terror, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen aus Deutschland/Russland, mehr "kulturelle Veranstaltungen" oder auch für die "Chancen der jungen Generation in den beiderseitigen Beziehungen". Gorbatschow wollte ein "Zusammenstehen" der "internationalen Gemeinschaft", im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und ein "gemeinsames Haus Europa" mit Russland. Wolfgang Schäuble (CDU) meinte beim 4. Petersburger Dialog unterdessen: "Dieser Dritte Weltkrieg ist ein Kampf mit asymmetrischer Kriegsführung".
Bei der Zusammenkunft in Hamburg unterstützten alle Seiten den vom Kreml angekündigten Kurs, den "internationalen Terrorismus" notfalls auch mit Präventivschlägen auszumerzen. Der außenpolitische Sprecher des russischen Föderationsrates, Michail Margelow, meinte damals dazu: "Das ist normaler internationaler Brauch". Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" kritisierte damals die russische Seite: "Der Geheimdienst [Anm: in Russland] kontrolliert nicht nur die Zeitungen selbst, sondern auch noch die Zählwerke an den Druckern der Verlage".
Zur Pfingstaktion von RENOVABIS (ein Verein der römisch-katholischen Kirche in Deutschland) Anfang Mai des Jahres 2009 meinte der SPD-Mann Erler als Staatsminister bei seiner Ansprache unter anderem gerichtet an die Deutsche Bischofskonferenz, den Erzbischof Dr. Zollitsch oder auch an die Teilnehmer des RENOVABIS-Jugendwettbewerbs "GoEast" einleitend zum Fall der Mauer im Jahr 1989, dies sei auch ein "Wendepunkt" für Europa selbst gewesen - wie man der Rede auf der offiziellen Webseite des deutschen Auswärtigen Amts entnehmen kann. RENOVABIS steht übrigens für "Du wirst erneuern".
Erler führte unter anderem Punkte an wie das heilvolle Ende des Prager Frühlings im Jahr 1968, die KSZE-Konferenz in Helsinki, die "mutigen Kämpfer" der Solidarnosc oder halt auch die Politik der Perestrojka von Gorbatschow. Zu der genannten Solidarnosc-Rebellion ist an dieser Stelle nur so nebenbei angemerkt bekannt, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in damaligen DDR-Zeiten wohl eine polnische Einladung fälschen ließ, um so ins deutsche Nachbarsland reisen zu können. Auf ihrer Rückreise wurde sie erwischt mit Fotos und Dokumenten der Solidarnosc-Rebellion. Laut Forschungen sollen Merkels Vorfahren aus Polen stammen (mehr).
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