Umstrittenes Abkommen zwischen den USA/EU: Auch engere Abstimmungen geplant


(C) reivax, 2004, Bild: flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

In Zukunft wollen sich im Zusammenhang mit dem geplanten sog. Freihandelsabkommen USA/EU beide Seiten frühzeitig und enger für Gesetzesvorhaben und Regulierungspläne gegenseitig abstimmen, soll es in einem bekanntgewordenen Positionspapier heißen, wie Handelsblatt berichtet. Dazu wurde aus dem Papier unter anderem zitiert, dass man sich im Rahmen des Transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommens (TTIP) mindestens zwei Mal pro Jahr für regulatorische und gesetzgeberische "Initiativen mit potenziellen Auswirkungen auf den Handel in der Planungsphase" zusammensetzen möchte. Beobachter gehen derzeit insgesamt von einer zu schaffenden größten Planwirtschaft der Welt aus.

Die EU und USA wollen sich bei möglichen Bedenken bei etwa Regulierungen auch dazu verpflichten, gegenseitig und umfangreich entsprechende Informationen zur jeweiligen Sache zur Verfügung zu stellen. Desweiteren müsste es Folgeabschätzungen für Gesetzesvorhaben geben und gleichzeitig als Ergänzung dazu müssten die potenziellen Auswirkungen auf die transatlantischen Handels- und Investitionsströme mit aufgenommen werden. In Zukunft wolle man eine sogenannte Kooperationskommission für Regulierungsfragen etablieren. Der Verhandlungsprozess zum geplanten Freihandelsabkommen, der Mitte 2013 offiziell gestartet worden war, wird als stark intransparent kritisiert.

Kritiker kamen zu diesen oben dargestellten neu bekanntgewordenen Informationen auch schon zu Wort und sehen durch die Regulationsansätze teils erhebliche Probleme aufziehen. Es gehe nämlich um eine langfristige regulatorische Kooperation. Zudem könnte eine solch weitreichende "Kooperation" gewissen Strukturen als Lobbykräfte neue "Türen der Einflussnahme öffnen". Die Kooperationskommission für Regulierungsfragen gehe zu weit, auch deshalb, weil großen Konzernen bspw. sehr viel Mitspracherecht bei der Gesetzgebung eingeräumt werden wird. Ebenfalls kritisch sah man unter anderem das sogenannte ISDS (die Investor- Staat- Schiedsgerichtsverfahren).

Damit werde an der Gesetzgebung vorbei etwa Konzernen die Möglichkeit an die Hand gegeben, einen Staat wegen Gesetzesänderungen oder neuer Standards zum Schutz der Umwelt und seiner Bürger zu verklagen - Kritiker sehen einen wahren "Sturm" von Klagen aufziehen. Als Beispiel führte man kürzlich bei "GEO" etwa ein US-Unternehmen an, welches aktuell um Entschädigung von 250 Millionen US-Dollar vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada klagt - im Zusammenhang mit dem umstrittenen Fracking (Methode vor allem der Erdöl- und Erdgasförderung). Die deutsche Regierung um Kanzlerin Merkel hatte sich deutlich dafür ausgesprochen, einen solchen Investitionsschutz im Freihandelsabkommen zu verankern.

Rückblickend war der Start der Verhandlungen (TTIP) auch speziell durch Kooperation mit einflussreichen Unternehmenslobbyisten vorbereitet worden. Seitens der Europäischen Union (EU-Kommission) und US-Regierungsstrukturen hatte man das Beratungsgremium (Transatlantic Economic Council; TEC - "transatlantischer Wirtschaftsrat") damit beauftragt, eine Arbeitsgruppe für das Unterfangen zu organisieren. Das nebulöse Transatlantic Economic Council wurde während eines USA-EU-Gipfels im Jahr 2007 durch den US-Präsidenten George W. Bush, der damaligen Vorsitzenden des europäischen Rates Angela Merkel (CDU) und dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso gegründet.

Die durch den nachfolgend eingesetzten US-Präsidenten Barack Hussein Obama gestartete "High Level Working Group on Jobs and Growth" (HLWG) wurde rückblickend zwar durch den US-amerikanischen Handelsbeauftragten Ron Kirk aus Texas/USA und dem belgischen Politiker und Befürworter von ACTA Karel De Gucht geleitet, zu den Mitgliedern des Transatlantic Economic Council gehören aber insbesondere einflussreiche Unternehmenslobbys wie Businesseurope (europäischer Arbeitgeberverband mit Sitz in Brüssel), der Transatlantic Business Dialogue (TABD), der Atlantic Council (Denkfabrik und Public Policy-Gruppe in Washington, D.C.) oder die elitäre Bertelsmann Stiftung. Eine Liste der Mitglieder wurde erst auf mehrfache Anfrage von NGOs wie Corporate Europe Observatory und durch diverse Gruppen aus den USA bekannt.

Geheimoperation Freihandelsabkommen

Im folgenden Video ist der Prof. Dr. C. Scherrer, Leiter des Fachbereichs "Globalisierung und Politik" an der Universität Kassel, zu sehen. Er erzählt kurz und knapp, um was es beim sog. Freihandelsabkommen gehen könnte. Das Video (Ausschnitt) stammt vom öffentlich-rechtlichen Sender ARD (Ausstrahlung) - des "Bayerischen Rundfunks". Anbei als Sicherung die Textform, was in diesem knapp dreieinhalb minütigen Videoausschnitt gesprochen wurde.

Frage: Herr Prof. Scherrer, was bringt das Freihandelsabkommen, was derzeit verhandelt wird - zwischen EU und USA - den Bürgern der Europäischen Union?

Antwort: Ich vermute sehr wenig, es gibt eher Gefahren für die Bürger, das gewisse Rechte wieder eingeschränkt werden. Vor allem liegt die Gefahr darin, dass Unternehmen das Recht bekommen könnten, Staaten zu verklagen, wenn Regeln geändert werden und zwar auch hinsichtlich zukünftiger Profite und das kann dann sehr teuer werden. Ich denke das ist eine Einschränkung der Demokratie.

Frage: Es geistern da ja Zahlen rum, die werden teilweise von der EU-Kommission genannt, aber auch von anderen Institutionen bezgl. Wachstum, Beschäftigung. Sind Sie ebenso euphorisch?

Antwort: Die Zahlen sind gar nicht so euphorisch. Der Zeitraum, in dem sich das realisieren soll, liegt bis 2027 - also 15 Jahre fast. Und letztlich geht es um weniger als ein Prozent des Bruttosozialproduktes, was sich erhöhen soll - angeblich, bis 2027. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass solche Prognosen häufig danebenliegen. Sie basieren häufig auf recht unrealistischen Annahmen und sie vergessen auch häufig die Währungen.

Ein ganz typisches Beispiel war das Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und den USA, wo recht bald nach dem Abkommen dann die mexikanische Währung zusammenbrach. Und damit verändert sich das ganze Spiel der Berechnungen. Weil dadurch natürlich die mexikanischen Produkte sehr viel billiger wurden und die amerikanischen Produkte sehr viel teurer wurden. Die Währungen zwischen den transatlantischen Partnern [schwanken] auch sehr stark.

Wir haben in den letzten Jahren immer wieder erlebt, dass innerhalb eines Jahres bis zu 20 Prozent Veränderungen stattfinden können. Also das wäre diese eine Schiene, wo diese Studien einen wichtigen Faktor nicht in den Blick nehmen. Dann in unserem ganz konkreten Fall, fehlt auch noch eine andere Dimension. Weil die USA nicht nur mit Europa [Anmerkung: EU] verhandelt, sondern auch mit Japan und Südkorea. Es gibt sogar Pläne China mit reinzunehmen.

Das heißt, dass zum Schluss wahrscheinlich eine Großhandelszone steht, und da ist es natürlich viel unsicherer, was dann die Folgen sind. Und die bisherigen Studien, die die EU und auch andere Akteure auf den Tisch gelegt haben, waren immer Studien, die sich nur auf einen Bereich bezogen haben - nämlich auf die transatlantischen Beziehungen und nicht dann auf die pazifischen Beziehungen. Aber zum Schluss geht man davon aus, dass ist das ganz deutlich erklärte Ziel der USA, einen großen Wirtschaftsraum vom Pazifik bis nach Europa zu schaffen.

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