DE: Klage von Opfern des Kunduz-Angriffs gescheitert


(C) USAF; M.B. Keller, 2009, Bild: Wikipedia

In Deutschland war nun die Klage im Zivilverfahren der Opfer gegen die Bundesrepublik gescheitert, welche in erster Instanz Schadenersatz wegen des tödlichen Luftangriffs bei Kunduz erlagen wollten. Gut vier Jahre nach dem Luftschlag wiesen die Richter damit zwei Musterklagen zurück. Jene an der militärischen Aktion beteiligten Personen könne keine schuldhafte "Amtspflichtverletzung" vorgeworfen werden, so das Bonner Landgericht. Ein Kläger-Anwalt kündigte Medienberichten zufolge Berufung gegen das Urteil an.

In dem Verfahren wollte ein Vater (Abdul Hannan), dessen Kinder damals bei der Bombardierung getötet worden sind, 40.000 Euro und eine Witwe/Mutter (Qureisha Rauf) von sechs Kindern 50.000 Euro von der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Insgesamt wären mittlerweile auch Sammelklagen von 77 Opfern beim Bonner Gericht eingegangen, welche mit dem damaligen NATO-Laufangriff zu tun haben. Die Kläger, welche selbst durch ihre Anwälte vertreten wurden und rückblickend für den Prozess kein Visum bekommen hatten, warfen der Bundesrepublik Deutschland unter anderem auch Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht vor.

Zu der nun gescheiterten Klage vor dem Bonner Gericht habe der Richter Heinz Sonnenberger aber klargestellt, dass Einzelkläger keinen Anspruch auf Schadenersatz hätten, da dies im Völkerrecht lediglich unter Staaten möglich sei. Der umstrittene deutsche Bundeswehr-Oberst Georg Klein (mittlerweile befördert zum Offizier der Bundeswehr im Dienstgrad Brigadegeneral) hätte dem Gericht zufolge damals in Afghanistan mit dem erteilten Befehl für den Bombenabwurf "nicht schuldhaft" gegen seine Amtspflicht zum "Schutz von Zivilisten" verstoßen. Bei dem damaligen Angriff kamen weit über hundert Menschen ums Leben, darunter zahlreiche als Zivilisten anzusehende Personen. Der Kläger-Anwalt Karim Popal wird zitiert, wonach man das nun ergangene Urteil von Bonn, welches demnach auch schwach begründet wurde, vor dem Oberlandesgericht zu Köln anfechten wird.

Das deutsche Gericht folgte laut Publikation "Die Welt" der Beklagtenseite auch nicht dahingehend, dass sogar damals die US-amerikanischen Jet-Piloten per Funk angemahnt hätten, man solle zunächst eine "Show of Force" fliegen, also einen warnenden Tiefflug ehe man bombardiere. Wenige Tage nach dem Luftangriff sollen laut Bericht der Süddeutschen-Zeitung die beiden US-Piloten auf Betreiben des Oberkommandierenden Stanley A. McChrystal (ehemals Kommandeur der ISAF in Afghanistan sowie der US Forces Afghanistan) wegen "Verletzung von Einsatzregeln" vom Einsatz abberufen und strafversetzt worden sein.

Durch das sogenannte "Komitee für Grundrechte und Demokratie" (deutsche Bürgerrechtsorganisation) reagierte man nach dem Bonner Richterspruch empört. Man sprach von deren Seite von einer Niederlage für das Völkerrecht und auf der anderen Seite gleichzeitig einem "großen Sieg", für die deutsche Bundesregierung. Diese könne sich nach dem Urteil nun künftig bei weiteren völkerrechtswidrigen Kriegen und Bombardements gestärkt sehen. Die Nachrichtenagentur DPA berichtete zu dem Urteil, dass bei der Urteilsverkündung hinzugefügt wurde, dass das erarbeitete Urteil der Kammer zwar "recht schwer gefallen" sei, doch müsse man sich bei der Entscheidung an Recht und Gesetz orientieren und "nicht an irgendwelchen Gefühlen".

Im April des Jahres 2010 stellte rückblickend die Bundesanwaltschaft der Bundesrepublik Deutschland die Ermittlungen gegen Oberst Klein ein. Später, im Dezember des Jahres 2011 endete ein forcierter Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages ohne eindeutige Ergebnisse. Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung zwischen Klägern und der beklagten Bundesregierung hatten die Regierungsvertreter abgelehnt - mit dem Ziel, "Rechtsklarheit" herzustellen. Eine Vernehmung des genannten Oberst Klein zur damaligen Lagebeurteilung hatte das Gericht überraschenderweise nicht vorgenommen, da dies "unerheblich" gewesen wäre. Das deutsche Gericht von Bonn habe aber auch betont, dass sich der Oberst Klein damals immerhin gegen eine 2.000-Pfund-Bombe zugunsten von zwei 500-Pfund-Bomben entschieden hätte.

Mit dem damals erteilten Befehl, in der Nacht zum 4. September des Jahres 2009, zwei entführte Tankwagen in der Nähe von Kunduz zu bombardieren, führte dies im Endeffekt zu einem der offiziell bekanntgewordenen und opferreichsten Angriffe den die Bundeswehr seit ihrer Gründung zu verantworten hatte. Auch von der deutschen Eliteeinheit KSK sollen Personen damals beim Feldlager in Kunduz "aktiv" vor Ort gewesen sein. Im Jahr 2009 wurden bundeswehrinterne Dokumente bekannt, nach denen das Kommando Spezialkräfte (KSK) Soldaten für eine Task Force 47 (TF 47) in Kunduz gestellt hatte, die bspw. beim Luftangriff bei Kunduz vom 4. September 2009 eine wichtige Rolle gespielt hatten.

Im Vorfeld und ebenfalls kurz nach der Aktion von Kunduz hätten Medienberichten zufolge das deutsche Bundeskanzleramt, der Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan, der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), sowie KSK-Kommandeure und Geheimdienstkoordinatoren in Abstimmung mit dem US-amerikanischen Skull-and-Bones OSS-Nachfolger Geheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) eine Eskalation des militärischen Einsatzes in Afghanistan vereinbart, wie man seitens der Süddeutschen Zeitung im Dezember des Jahres 2009 berichtete.

Rückblickend waren schon wenig später zur Sache Medienberichte veröffentlicht worden, auch über zivile Opfer. Doch höchste deutsche Regierungs- und Militärkreise versuchten das Massaker ganz offensichtlich zu vertuschen. Presseveröffentlichungen und Untersuchungsberichte amerikanischer Stellen ließen das wahre Ausmaß des Infernos später aber bald erkennen. Der angeführte Oberst Klein war im August des Jahres 2012 vom neuen deutschen Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) zum General befördert worden.

  
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