(C) AtomiTaco, 2012, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0)

In Deutschland wird künftig weiter spioniert, bis die Schwarte kracht. Traditionell ins Visier genommen werden dabei konkurrierende Unternehmen, welche nicht geheimdienstverbandelt sind - also in der Regel der innovative Mittelstand, welcher gerade den größeren Konkurrenzstrukturen der global agierenden Konzerne ein Dorn im Auge ist und nach und nach ausgedünnt werden soll.
Deutsche Medien berichten nun, dass es mit den USA/Deutschland kein No-Spy-Abkommen geben wird. Ein solches Abkommen zwischen der National Security Agency und dem deutschen Organisation Gehlen Nachfolger BND als Verhandlungsführer wird man nicht umsetzen, heißt es. Der "Spiegel" berichtet, dass Hans-Georg Maaßen (Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz) und Gerhard Schindler (Präsident des BND) bei angeblichen Gesprächen in den USA feststellten, dass die USA lediglich eine "vage Übereinkunft" zwischen den Geheimdiensten für denkbar halten würden.
Es handele sich um eine nebulöse "Kooperationsvereinbarung". Darin sind auch Bereiche definiert worden, in denen man künftig eng zusammenarbeiten will. Laut Spiegel gehe es nur um Themen wie Terrorabwehr, Proliferation, Menschenhandel und Cyber-Crime. In einem zweiten Teil der "Kooperationsvereinbarung" würde es heißen, der allgemeine Spielraum im Zusammenhang mit "No-Spy" sei "eng" gehalten worden. Ein expliziter Verzicht auf Spionage-Operationen könnte als Eingeständnis gewertet werden.
Außerdem sei es denkbar, dass ein solches Abkommen auf Spionageverzicht "Begehrlichkeiten" anderer Staaten wecken könnte. In Videokonferenzen wolle man sich bald zwischen deutschen Strukturen und US-amerikanischen "abstimmen", was die weitere Zusammenarbeit angeht. In deutschen Sicherheitskreisen würde es Spiegel zufolge heißen, man sei "zu einer neuen Art der Zusammenarbeit" bereit - ob diese neue Art noch ein wenig krasser ausfallen wird als die alte, kann spekuliert werden.
Gegenüber dem Magazin "FOCUS" machte kürzlich ein Cyber-Crime-Experte deutlich, dass in Deutschland mittlerweile, auch wenn diese es meist nicht selbst wissen, jedes vierte Unternehmen von Spionage betroffen ist. Neben professionellen Geheimdienst-Spionageunterfangen verzeichnete man laut Alexander Geschonneck auch durch nicht-geheimdienstliche Strukturen, also die unteren Cyberkriminellen, einen "massiven Anstieg" der Spionage. Insbesondere wegen der NSA-Affäre sehe der Experte nun "großen Nachholbedarf" was Sicherheitsfragen anbelangt.
Das öffentlich-rechtliche Magazin "MONITOR" berichtete kürzlich, dass die deutsche Bundesregierung nun den umfassenden Überwachungsstaat plant. Vor der Bundestagswahl hatte man sich in der Debatte noch zurückgehalten, wobei die fertigen Ausarbeitungen schon in der Schublade schlummerten. In der Sendung heißt es einleitend: "Mitten hinein in den wohl größten Abhörskandal der Bundesrepublik platzierte der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nun ein Papier, das eine lückenlose Überwachung der Bundesbürger ermöglichen soll - ganz im Stil der NSA".
Es sieht fast danach aus, als setze der Minister darauf, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung sowieso nur am Rande für die bisherigen Enthüllungen interessiert und beim Thema Datenschutz eher wegschaut. Dabei geht es um das wichtigste Grundrecht unserer Verfassung (in Deutschland das sog. "Grundgesetz") - um unser Privatleben, um unsere Intimsphäre und am Ende um unsere Menschenwürde.
MONITOR zitiert aus dem Papier "Themen der AG Inneres/Justiz". In dem 30-seitigen Papier ist allerdings an keiner Stelle von mehr Datenschutz die Rede - im Gegenteil sogar, es wird ein deutlicher Ausbau der Videoüberwachung gefordert, wie bspw. als Vorbild England, ein neuer Vorstoß zur umfänglichen Vorratsdatenspeicherung und als besonders pikant gelte "MONITOR" zufolge die Telekommunikationsüberwachung nun auch direkt (und offiziell) an deutschen Internetknoten.
Der ehemalige Bundesinnenminister a.D. Gerhart Baum gibt zu verstehen: "Das Papier ist insgesamt doch erschreckend, weil es auf die heutige Situation überhaupt nicht eingeht. Man kann doch nicht einfach so weiter machen [...] es ist immer nur von Verschärfungen die Rede".
Wenn es nun aber nach dem neuen Forderungskatalog des deutschen Innenministeriums geht, würde künftig die Internetkommunikation einer Person lückenlos überwacht werden können. Egal ob nun Smartphone, WLAN oder auch Internetcafe, es soll sämtliche Kommunikation angezapft/analysiert werden, was laut einem Kommentator in dem MONITOR-Beitrag "NSA pur" ist. Unklar sei noch, wer die Geheimdienst-Datenabgrasorgien dann kontrollieren soll/wird, bei einer solch massiven Überwachung.
Auch müsste wohl ähnlich wie bereits in den USA ein Persilschein ausgestellt werden, um allgemein "alles zu überwachen", anstatt die Kommunikation einzelner Personen gezielt zu überwachen. Ein zu Wort kommender Politiker in dem TV-Beitrag nannte dies eine "absurde Vorstellung". Gerhart Baum meinte, man dürfe nun nicht einfach selber derartige Methoden nutzen und weiter ausbauen. MONITOR schlussfolgert, dass die deutsche Bundesregierung nicht auf mehr Datenschutz setze, sondern vielmehr auf die Interessen der Geheimdienste und neue Spielzeuge für Datenabgrasorgien.
Die Dienste, welche man bekanntlich nicht wählen kann, würden schon seit geraumer Zeit Druck machen, weil nun ihnen bekannte technische Lücken geschlossen werden könnten. Der britische Geheimdienst bescheinigte dem deutschen Geheimdienst BND kürzlich sogar ein "riesiges technologisches Potential und einen guten Zugang zum Herzen des Internets". Die Briten helfen dabei den deutschen Strukturen schon lange lästige in Deutschland geltende Gesetze zu umgehen. In dem TV-Beitrag von MONITOR zitiert man dazu etwa: "Wir haben den BND geholfen, Argumente für eine Reform oder Neuinterpretation der sehr restriktiven Überwachungsgesetze in Deutschland zu finden".
Die meisten Menschen auch in Deutschland glauben noch immer, sie hätten nichts zu verbergen und man könne sie ruhig überwachen. Diese psychologische "Leck mich am Arsch"-Haltung hatte man unter anderem bei den Sowjets dem Volk antrainiert. Doch mit den heutigen Datensammelbecken, wie bspw. das durch die CIA-Tarnfirma In-Q-Tel beflügelte Facebook oder Google, und der allgemeinen Datenflut, kann diese psychologische Haltung schnell zur Gefahr werden. In MONITOR kommt ein britischer Geheimdienstexperte zu Wort, der zur Thematik meint:
"Es besteht das Risiko, dass Menschen unter Verdacht geraten, obwohl sie völlig unschuldig sind. Die stehen dann plötzlich auf einer bspw. No-Fly-Liste und dürfen nicht mehr in die USA einreisen. Oder es wird eine Anstellung verweigert [...] weil Geheimdienste wie jede andere Organisation auch Fehler machen und diese Fehler haben dann gravierende Folgen für die Menschen". Und nicht nur das, denn der Datenhunger der Dienste sei schon jetzt eine Gefahr für die Demokratie.
"Die andere Gefahr bei der massenhaften Datenüberwachung ist, dass man möglicherweise sein politisches Verhalten ändert. Nehmen wir an Sie denken darüber nach sich einer Protestgruppe anzuschließen, an einem Protestmarsch teilzunehmen oder eine Petition online zu unterschreiben. Wenn Sie dann aber im Hinterkopf haben, dass das aufgezeichnet werden könnte, dann ändert das möglicherweise ihr Verhalten".
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