DE: Vorratsdatenspeicherung kann kommen


(C) tk-link, 2010, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY-NC-SA 2.0)

Der ehemalige deutsche Botschafter in Washington und aktuelle Bundesminister des Innern, Hans-Peter Friedrich (CSU), gab der CDU-nahen Rheinischen Post zu verstehen, er halte eine schnelle Umsetzung und Etablierung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung in der kommenden Großen Koalition für wahrscheinlich. Mit dem ehemaligen Koalitionspartner FDP hatte es noch Probleme bei der Umsetzung gegeben. Friedrich sei mit Blick auf die Große Koalition nun deutlich optimistischer, dass die Vorratsdatenspeicherung kommen wird.

Der Rheinischen Post teilte er mit, er denke, dass man in der Sache einen Kompromiss finden können wird. Die EU-Vorgabe zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung sei, anders als in anderen Ländern, hier noch nicht umgesetzt worden, heißt es. Diese Sache müsse die neue Koalition nun schnell angehen. Schon vor der Bundestagswahl hatten Kritiker gesehen, dass beide Parteien (CDU/CSU und SPD) für die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung innerhalb Deutschlands, aber auch innerhalb der EU sind.

Der FDPler Christian Lindner sagte vor gut einer Woche im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung dem Deutschlandfunk, er rechnet mit der Einführung dieser durch die kommende Regierung. Seiner Meinung nach spiele das Thema auch keine Rolle in den stattfindenden Gesprächen zwischen Union und SPD. Von jedem die Daten zu speichern gehe seiner Einschätzung nach über die Sicherheitsinteressen des Staates hinaus. "Jetzt droht dieser empfindliche Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte beim Datenschutz", so Lindner.

Anderer Meinung war kürzlich der CDU-Mann Volker Bouffier, der als Innenminister von Hessen zweimal einen Big Brother Award in der Kategorie Politik erhielt. Der Burda-Publikation "Focus" sagte er im September vor der Bundestagswahl, dass er die kommende Regierung dazu dränge, die Einführung der Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Der offenbar das Werk "Propaganda" von Edward Bernays konsumierende Bouffier merkte an, als Begründung zur schnellen Einführung der umfassenden Vorratsdatenspeicherung: "Ich möchte nicht am Grab von Terroropfern stehen".

Anfang Juli laufenden Jahres hatte sich die deutsche FDP-Politikerin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger deutlich gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Der Springer-Publikation "Die Welt" sagte Schnarrenberger, sie spreche sich für ein endgültiges "Aus" der EU-Richtlinie aus. Sie wurde zitiert, wonach die anlasslose Vorratsdatenspeicherung der EU in die "Geschichtsbücher und nicht in die nationalen Gesetze" gehört. Im Zusammenhang mit der NSA-Debatte merkte Schnarrenberger damals an, dass "auch das EU-Vorhaben [...] jeden EU-Bürger pauschal unter Generalverdacht" stellt.

Hans-Peter Friedrich von der CSU sprach sich im Verlauf der vergangenen Jahre, wie diverse andere Personen, für die Vorratsdatenspeicherung aus. Im Sommer teilte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit, man lehne einen Kurswechsel der Union in der Sache ab und zudem gäbe es ja auch ein klares Bekenntnis zu Mindestspeicherfristen. Zur gleichen Zeit Anfang Juli sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier erneut, er wolle die Vorratsdatenspeicherung so schnell wie möglich, da sich der Staat "nicht vorsätzlich blind machen" dürfe.

Im Juni forderte der Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sollte noch vor der Bundestagswahl die Vorratsdatenspeicherung umsetzen. Nach der Wahl könnte sie offenbar keine Möglichkeit mehr dazu haben und zudem seien auch mit einem millionenschweren Urteil aus Schweden Strafzahlungen der EU für Deutschland näher gerückt, da man die EU-Richtline nicht umgesetzt hat. Man rechnete damals durch das Bundesinnenministerium mit einer Strafzahlung von rund 115 Millionen Euro pro Jahr.

Trotz mehrfacher Aufforderungen hatte die Bundesrepublik Deutschland auch wegen Gerichtsurteilen die von der EU-Kommission vorgegebene Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht ins deutsche Recht umgesetzt. Man zog durch die EU vor Gericht. Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström teilte im vergangenen Jahr mit, Deutschland gefährde den EU-Binnenmarkt mit seiner verweigernden Haltung. Im Mai 2012 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Zwangsgeld gegen Deutschland solle bei täglich 315.036,54 Euro (rund 120 Millionen Euro im Jahr) liegen, sollte der Staat vom EU-eigenen Gerichtshof später verurteilt werden. Den Betrag legen allerdings die EU-Richter fest, zahlen muss Deutschland erst nach Verkündung eines Urteils.

Im Juli laufenden Jahres berichtete man, dass der EU-Gerichtshof (EuGH) über die Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verhandelt hatte. Die Kläger vertraten die Ansicht, dass die anlasslose Speicherung der Verbindungsdaten von Telefon- und Internetnutzern gegen ihre Grundrechte verstößt. Durch ein, laut damaligem Stand wohl in einigen Monaten zu erwartendes, Urteil könnten noch weitergehende Änderungen der EU-Richtlinie möglich sein, was auch für Deutschland von Bedeutung ist. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte die Umsetzung der EU-Richtlinie ins deutsche Recht im März 2010 für verfassungswidrig erklärt.

In 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die damals bisherige Speicherung der Telekommunikationsdaten aller Bürger auf Vorrat gekippt und zudem mussten sämtliche gesammelten Daten umgehend gelöscht werden. Das Gericht urteilte, es handele sich um einen besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, gesammelte Daten könnten inhaltliche Rückschlüsse "bis in die Intimsphäre" oder auch Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile ermöglichen.

Der deutsche Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hatte im Verlauf der vergangenen Jahre die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung immer wieder kritisiert oder "Korrekturen" gefordert. Die deutsche Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte damals Forderungen aus der Union und Sicherheitsbehörden zurückgewiesen, das Gesetz so schnell wie möglich neu zu regeln. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich im Verlauf ebenfalls für die schnelle Neuregelung und Einführung der Vorratsdatenspeicherung aus. Man müsse "mit neuem Schwung Gespräche aufnehmen".

Im ersten Halbjahr 2012 gab es Spekulationen, dass der deutsche Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Mahnung durch die EU-Kommission provoziert haben soll. Neue Nahrung erhielten diese Spekulationen, als ein Schreiben auftauchte, in dem sich der Minister darüber beklagte, dass wegen fehlender Verkehrsdaten mögliche Straftaten nicht aufgeklärt werden konnten. Es drängte sich damals laut Medienberichterstattungen zur Sache zwangsläufig der Eindruck auf, dass der Innenminister über Bande gespielt und mit seinem Klagen die EU-Kommissarin Malmström ermuntert haben könnte.

  
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