Untersuchung: 80 Prozent junger Menschen in Heimen sind belastet


(C) Thomas Hawk, 2012, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY-NC 2.0)

In schweizerischen Heimen wären laut einer durchgeführten Untersuchung etwa 80 Prozent der Kinder traumatisiert und psychisch belastet. Man hatte seitens der Forscher der kinder- und jugendpsychiatrischen Universitätskliniken in Basel und Ulm 64 Einrichtungen (Institutionen) unter die Lupe genommen und fast 600 Kinder und Jugendliche mit einbezogen, berichtet die Publikation "Die Zeit".

Durch das schweizerische Bundesamt für Justiz (BJ) wurde die Untersuchung finanziert, demnach die größte je in Europa durchgeführte zur Thematik, heißt es. In den Ergebnissen der unternommenen Studie zeigte sich, dass etwa 80 Prozent der untersuchten Heimkinder eine Vorgeschichte hatten, welche von Traumatisierungen geprägt war. Die Gegenwart sei durch psychische Probleme belastet gewesen. Laut Studie litten 75 Prozent der mit in die Untersuchungen einbezogenen Jugendlichen und Kinder an Störungen im Zusammenhang mit dem Sozialverhalten ("Verhalten im sozialen Gefüge").

Aber auch Depressionen (v.a. "psychische Störung mit Zuständen psychischer Niedergeschlagenheit als Leitsymptom"), Schizophrenie (v.a. "schwere psychische Erkrankung; durch Störungen des Denkens, der Wahrnehmung und der Affektivität gekennzeichnet"), Persönlichkeits- und Aufmerksamkeitsstörungen, Sucht- und andere psychische Erkrankungen stellte man fest. Drei von vier Personen im Heimaufenthalt hätten Delikte verübt, wie Diebstähle, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder auch Sachbeschädigungen.

Laut Untersuchungsergebnissen der Studie zeigte sich, dass die meisten der Heimkinder im Laufe ihres Aufenthaltes Fortschritte machen konnten. Die Ergebnisse zeigten aber auch auf, wo die Grenzen der Einrichtungen sind: Einer von sechs Jugendlichen tritt vorzeitig aus der Institution aus.

Vor geraumer Zeit kam Prof. Dr. Roland Schleiffer vom Seminar für Heilpädagogische Psychologie und Psychiatrie der Universität zu Köln zu dem Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche, welche in Heimen leben, oft auffällige Verhaltensmuster zeigen, denen auch unbewusste Bindungswünsche zu Grunde liegen könnten. Daher kann erfolgreiche Heimerziehung letztlich auch nur durch Beziehungsarbeit erreicht werden, hieß es. In dem schwierigen Bereich der Betreuung von Jugendlichen war untersucht worden, wie sich in der Praxis der Heimerziehung die Folgen frühkindlicher Beziehungsstörungen zeigen und wie damit umgegangen werden kann und sollte.

Die deutsche Bundespsychotherapeutenkammer gab in 2011 bekannt, dass 60 Prozent der Heimkinder psychisch krank wären. Studien zufolge litten derart viele Kinder und Jugendliche in der stationären Jugendhilfe unter einer psychischen Störung. Dabei zeigte sich, dass die häufigsten Diagnosen Störungen des Sozialverhaltens (26%) und hyperkinetische Störungen des Sozialverhaltens (22%) waren, gefolgt von Depressionen (10%). Fast die Hälfte der Kinder (47%) erfüllten die Kriterien für mehr als eine Diagnose.

Jugendliche und Kinder, die in stationären Jugendhilfemaßnahmen leben, waren oder sind häufig auch starken psychosozialen Belastungen ausgesetzt, wie zerrüttete Familienverhältnisse, chronische Konflikte innerhalb der Familie, beengte Wohnverhältnisse, inkonsequenter und/oder strafender Erziehungsstil, erzieherisches Versagen beziehungsweise auch mangelnde pädagogische Kompetenzen, die Trennung der Eltern, frühe Elternschaft der leiblichen Eltern, psychische Störungen der Eltern, traumatische Erfahrungen, Kindesmisshandlungen, Deprivation, neg. Bindungserfahrungen oder auch mangelnde soziale Unterstützung (siehe dazu ggf. etwa "Psychische Gesundheit von Heimkindern"; Marc Schmid; ISBN: 978-3779916949)

  
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