(C) Jesco Denzel, 2013, Bild: Wikipedia (PD; WKPD)

Nachdem in Deutschland durch die NPD gegen den Bundespräsidenten Joachim Gauck ein Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingebracht wurde, ist dieser zunächst gescheitert. Man wollte demnach erreichen, dass Gauck es zu unterlassen hat, durch "Verlautbarungen zu ihrem Nachteil" in den Wahlkampf einzugreifen. In der Hauptsache wolle das Bundesverfassungsgericht über das Organstreitverfahren zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
Der Bundespräsident Gauck hatte Ende August in einer Gesprächsrunde vor zahlreichen Schülern eines Schulzentrums gesagt: "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Dazu sind Sie alle aufgefordert [!]" - womit Gauck wohl (Spinner) die NPD-Anhänger gemeint hätte. Jene Ansichten der Partei müsse man jedoch ertragen, solange diese Partei in Deutschland nicht verboten ist. Im Zusammenhang mit Demonstrationsteilnehmern (ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf), welche gegen die NPD auf die Straße gingen, hieß es: "Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger ihre Demokratie verteidigen".
Laut Entscheidung des Zweiten Senats wäre zwar das Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt worden, wenn hier Staatsorgane parteiergreifend zugunsten oder zu Lasten einer politischen Partei in den Wahlkampf einwirkten, wozu Gauck gehört, aber es sei wohl nicht zu erwarten, dass sich der Bundespräsident bis zur Bundestagswahl am 22. September laufenden Jahres nochmal in einer Weise äußern werde (Wiederholungsfall), die dem nicht Rechnung trägt.
In der vergangenen Woche hieß es laut Medienberichten, die rechtsextreme NPD befeuere Proteste gegen die Asylbewerber (Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf). Danach verlangte die Partei von Gauck Auskunft, ob er Gegendemonstrationen öffentlich guthieß und unterstützt habe und ob er sich mit der "Bezeichnung Spinner auf Mitglieder bzw. Aktivisten der NPD bezogen" hat. Gauck ließ erklären, "bei verständiger Würdigung der Medienberichte" beantwortet "sich Ihre Frage von selbst".
Nachfolgend hatte die NPD Organklage gegen den Bundespräsidenten eingereicht, verbunden mit dem angemerkten Eilantrag, ihm solche Äußerungen bis auf Weiteres zu untersagen. Als das Gericht Gauck zur Stellungnahme aufforderte, erklärte der Bundespräsident, er habe zu keinem Zeitpunkt zu Protesten gegen die NPD aufgerufen und "konkrete" Personen als Spinner bezeichnet.
Im August vergangenen Jahres hatte Gauck sich eher skeptisch über einen NPD-Verbotsantrag gezeigt. Der Leipziger Volkszeitung sagte er: "Das muss sehr sorgfältig bedacht werden [...] Solche Verfahren brauchen auch Zeit. Solange können und wollen wir mit unserem Engagement nicht warten". Wobei er hervorhob: "Im Alltag ist es heute so, dass die Bürgergesellschaft vielerorts recht aktiv ist. Überall, wo die Braunen auftreten, sind wir zehn Mal mehr als die".
Die in Deutschland geschaffene rechte Ventilpartei NPD würde es eigentlich seit Jahren nicht mehr geben, wäre nicht das letzte Verbotsverfahren in 2003 eingestellt worden. Stein des Anstoßes war damals, dass 30 der 200 Vorstandsmitglieder als sogenannte V-Personen des Bundesamtes für Verfassungsschutz tätig waren und diese entgegen den Vorschriften einen wichtigen Einfluss auf das Beobachtungsobjekt genommen hatten. Das Material auf dem der Antrag fußte, war eingestuft als "Nur für den Dienstgebrauch" und sogar Mitglieder des Bundestagsinnenausschusses durften es nur unter Aufsicht in einem antispionagegenormten Geheimschutzraum sehen.
