DHKP-C: Bislang Ermittlungsverfahren gegen 43 Personen eingeleitet


DHKP-C

In einer aktuellen Antwortgabe durch die deutsche Bundesregierung (Inneres/Antwort - 12.09.2013) heißt es zu entsprechenden Fragestellungen aus der Kleinen Anfrage (17/14496), dass seit dem Jahr 2002 der deutsche Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof wegen Straftaten gemäß Paragraph 129b StGB (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; ggf. Erweiterter Verfall und Einziehung), im Zusammenhang mit der verbotenen türkischen "Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C), laut der Bundesregierung Ermittlungsverfahren gegen 43 Personen eingeleitet hatte. Von diesen Verfahren seien 13 an Staatsanwaltschaften der Länder abgegeben worden - zehn dauerten noch an, heißt es in der Antwort (17/14597). Von den durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof abgeschlossenen Verfahren hätten 13 dieser Verurteilungen zu Freiheitsstrafen geführt - sieben der Verfahren seien eingestellt worden.

Im Zusammenhang mit einem Konzert (sog. "Grup-Yorum-Konzert" im Juni laufenden Jahres; Oberhausen/DE) gibt die deutsche Bundesregierung zu möglichen Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof keine Stellungnahme ab. Trotz ihrer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier wohl nach Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter den berechtigten Geheimhaltungsinteressen zurück. Die angemerkte Musikgruppe Grup Yorum bzw. deren Mitglieder in der Türkei seien laut Antwortgabe wiederholt - teils unter Anwendung von Gewalt - durch die Polizei in Gewahrsam genommen und zu Haftstrafen verurteilt worden - wobei auch Musikstudios durchsucht und Tonträger der Gruppe verboten worden waren.

Medien aus Österreich berichteten kürzlich, dass sich hier die linken Aktivisten Yusuf T. und Özgür A. (welche wohl auch zum Dunstkreis der DHKP-C gehören würden) mit einem Hungerstreik gegen die Überstellung nach Deutschland wehren würden. Das Oberlandesgericht zu Wien hatte einem Auslieferungsantrag im Falle Yusuf T. wohl aber trotzdem stattgegeben. Die Personen waren Ende Juni laufenden Jahres in Wien festgenommen worden, per europäischen Haftbefehl. T. soll demnach per Paragraf 129b angeklagt werden, heißt es. Yusuf T. und Özgür A. wird die Unterstützung der linksextremistischen Terrororganisation Revolutionäre Volksbefreiungsfront (DHKP-C ) vorgeworfen. Sie sollen zu einer Zelle (mögliche Kreise der externen/äußeren Unterstützung) gehört haben, welche in Deutschland und Österreich die finanziellen und logistischen Mittel für den bewaffneten Kampf in der Türkei sammelt.

Die angeführte "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" oder DHKP-C ist eine marxistisch-leninistische (bezeichnet die offizielle politische Ideologie der Sowjetunion ab Mitte der 1920er Jahre) Untergrundorganisation in der Türkei. Man verfolgt auch das Ziel, die Staatsordnung in der Türkei durch einen bewaffneten revolutionären Akt zu zerschlagen. Dabei bedient sie sich in der Türkei auch terroristischer Methoden. Ihr Generalsekretär (eine verbreitete Bezeichnung für eine Führungsposition) war seit Gründung (1994) der im August des Jahres 2008 verstorbene Dursun Karatas. Wer derzeit die Organisation führt, ist offiziell wohl nicht bekannt.

Im Juni berichtete FOCUS-online, islamistische Terroristen hätten möglicherweise einen Anschlag mit Modellflugzeugen geplant. Es wurden damals Wohnungen und Objekte in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen oder auch Belgien durchsucht. Durch die deutsche Generalbundesanwaltschaft hatte man dem Sender SWRInfo bestätigt, insgesamt waren 90 Beamte im Einsatz. Man führte den "Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat" und der Geldwäsche" an. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die ins Visier geratenen Individuen waren mehr als ein Jahr beobachtet worden. Jene hatten wohl ein gesteigertes Interesse an Sprengstoff und Modellflugzeugen gezeigt, die Pläne befanden sich laut damaligen Angaben wohl aber noch in einem frühen Stadium.

Eine erhöhte Gefahr durch Anschläge bestand damals eher nicht, hieß es. Laut Bundesanwaltschaft ging es um zwei unterschiedliche Ermittlungsverfahren. Einmal bezgl. Ermittlungen gegen Personen, die durch Geldüberweisungen aufgefallen waren und bei denen Geldwäscheverdacht zur Unterstützung des sog. "Heiligen Krieges" bestanden hätte. Durchsuchungen im Bereich Stuttgart und Belgien waren auf Personen ausgerichtet, welche wohl tunesischer Herkunft waren. Jene wurden verdächtigt, sich Informationen und Gegenstände für radikal-islamistische Sprengstoffanschläge mit ferngesteuerten Modellflugzeugen beschafft zu haben.

Zwischenanmerkung: Vor wenigen Tagen hieß es laut deutschen Medien, die Polizei ist in Baden-Württemberg mit einer Razzia gegen mehrere Verdächtige aus der rechtsextremen Szene vorgegangen, die möglicherweise einen Sprengstoffanschlag geplant hatten. Laut „Spiegel“ habe es Überlegungen gegeben, einen selbst gebauten Sprengsatz mit einem Modellflugzeug bei einer Veranstaltung politischer Gegner einzusetzen, wie das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart mitgeteilt hätte. Konkrete Pläne gab es demnach aber noch nicht.

Im April wurde vom deutschen Kammergericht Berlin ein DHKP-C–Mitglied zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die 43-jährige türkische Staatsangehörige Gülaferit Ü. wurde demnach (Pressemitteilung Nr. 24/2013 vom 16.05.2013) wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach der Überzeugung des Ersten Strafsenats stand damals fest, dass die Angeklagte Mitglied der Organisation "Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C)" war. Die DHKP-C verfüge auch in Europa über feste Organisationsstrukturen, über die sie Gelder sowie Waffen und sonstige militärische Ausrüstung für ihre terroristischen Aktivitäten beschaffe. Zudem nutze die DHKP-C Europa als sicheren Rückzugsraum für ihre Mitglieder. Nach den Feststellungen des Gerichts hat die Angeklagte die DHKP-C zumindest von August 2002 bis zum 18. November 2003 in Europa geleitet und ist dabei unter anderem in Berlin tätig geworden.

Als Europaverantwortliche habe ihr Tätigkeitsgebiet neben Deutschland auch England, Frankreich, Schweiz, Italien, Österreich, Belgien und die Niederlande umfasst. Sie sei vor allem dafür zuständig gewesen, durch Spenden- und Beitragssammlungen, kommerzielle Veranstaltungen und den Verkauf parteieigenen Propagandamaterials Geld für die terroristischen Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei zu beschaffen. Darüber hinaus habe sich die Angeklagte daran beteiligt, Kuriere für die Übermittlung von Nachrichten und den Transport von Waffen in die Türkei zu rekrutieren und Ausweispapiere zur Schleusung von Organisationsmitgliedern zu verfälschen. Ab November 2003 sei die Angeklagte bis zu ihrer Festnahme im Juli 2011 als einfaches Mitglied für die DHKP-C aktiv gewesen.

Laut Publikationen der Sicherheitsbehörden aus Deutschland findet wohl auch eine Aufsplittung der "Szene" statt. Die eine ungeteilte islamistische Szene gibt es demnach nicht. In Deutschland und auch weltweit würde man beobachten können, dass sich die "Szene" in viele verschiedene Gruppierungen aufspaltet. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz in Deutschland würde sich die Anhängerschaft extremistischer türkischer Organisationen in Deutschland auf rund 3.100 Personen belaufen. Die bedeutendste Organisation, mit etwa 650 Anhängern (offiz. Stand wohl: 2006-2012), ist die hier seit August 1998 verbotene DHKP-C. Mitgliederpotenzial extremistischer Ausländerorganisationen (ohne Islamismus) - Linksextremisten (2012): 17.970 - Vorjahr 2011 (18.570). Extreme Nationalisten 10.840 - Vorjahr: 2011 (7.840) - mehr

Laut Zielsetzung der angeführten DHKP-C heißt es zum "Programm der Revolutionären Volksbefreiungspartei": "Unsere Partei hat sich die marxistisch-leninistische Weltanschauung zu eigen gemacht und kämpft dafür. Das Endziel der DHKP ist, eine Gesellschaft und eine Welt ohne Ausbeutung und ohne Klassen zu schaffen. Aber unser heutiges Ziel ist die Errichtung der Revolutionären Volksmacht – der Macht aller Volkskräfte, die gegen Oligarchie und Imperialismus sind". Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C zielt auf die revolutionäre Beseitigung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei und strebt die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft an. Sie propagiert unverändert den bewaffneten Volkskampf unter ihrer Führung.

Laut Verfassungsschutz habe man seit dem Verbot (Verbotsverfügung vom 6. August 1998) damals feststellen können, dass Aktivitäten in Nachbarländer verlagert wurden. "Versammlungen und Kultur[-] bzw. Parteiveranstaltungen, die früher in Deutschland stattfanden, wurden beispielsweise in die Niederlande und nach Belgien verlegt". Deutschland blieb jedoch weiterhin auch ein wichtiges Betätigungsfeld, da hier sehr viele Landsleute leben, was die Bundesrepublik nach der Türkei zum wohl zweitwichtigsten Betätigungsfeld der DHKP-C macht. Von der EU ist die in Deutschland seit 1998 verbotene Organisation seit dem 2. Mai 2002 als terroristische Organisation gelistet.

Laut der Publikation Yürüyüs (Marsch) – wöchentliche Zeitschrift (in der sich die DHKP-C auch als "Speerspitze" des bewaffneten Kampfes bezeichnet), die seit Mai 2005 erscheint, heißt es in Nr. 304, 19. Februar 2012, S. 21: "Da in unserem Land eine revolutionäre Lage herrscht, sind die objektiven Bedingungen für den bewaffneten Kampf gegeben. Das bedeutet, dass die Massen dazu neigen, sich um Organisationen zu scharen, die den bewaffneten Kampf führen. [...] Sich organisieren, das Volk organisieren und es in den Krieg führen. Das sind die beiden Bedingungen der Revolution. [...] Entscheidend jedoch ist die bewaffnete Propaganda. Wenn wir nur bei Worten bleiben, glaubt das Volk ohnehin nichts. [...] Kurzum, wenn Revolutionäre in unserem Land Revolution machen wollen, müssen sie zur Waffe greifen".

 

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