(C) vanhookc, 2009, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY-NC-SA 2.0)

Kinder in der Europäischen Union (EU) sollen laut einem Vorschlag vom ersten Grundschuljahr an eine Fremdsprache erlernen, wofür sich der deutsche EU-Kommissar für Energie, Günther Hermann Oettinger (CDU), gegenüber "BILD" ausgesprochen hat. Hier wird er folgendermaßen zitiert: "Kinder sollten schon ab der ersten Klasse Grundschule Fremdsprachen lernen". "Ich fände es gut, wenn das in der ganzen EU so wäre." Bisher wird die erste Fremdsprache in vielen EU-Ländern erst auf weiterführenden Schulen gelehrt.
Laut einer Umfrage durch das sog. "Eurobarometer" (eine in regelmäßigen Abständen von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene öffentliche Meinungsumfrage) aus dem vergangenen Jahr hieß es, dass die meisten "EU-Bürger" die Fähigkeit für wichtig hielten, Fremdsprachen zu sprechen. Neun von zehn der Befragten gab an, man halte die Fähigkeit Fremdsprachen zu sprechen, für sehr nützlich und 98 Prozent sagten laut Eurobarometer, die Beherrschung von Fremdsprachen sei gut für die Zukunft ihrer Kinder. Eine durchgeführte Untersuchung (Studie) der EU-Kommission machte im Juni 2012 aber deutlich, dass die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität noch recht deutlich war.
Tests hätten demnach ergeben, dass Schüler im Teenageralter in 14 europäischen Ländern nur 42 Prozent ihrer ersten erlernten Fremdsprache wirklich beherrschten - bei der zweiten Fremdsprache war es nur ein Viertel der in die Untersuchung mit einbezogenen Personen. In 2002 hatten die Staats- und Regierungschefs in Barcelona erklärt, dass mindestens zwei Fremdsprachen ab einem sehr frühen Alter unterrichtet werden sollten. Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr erklärt, man wolle das "Sprachenlernen" durch das neue Programm "Erasmus für alle" noch stärker fördern.
Androulla Vassiliou, die griechisch-zypriotische Politikerin, welche seit 2010 EU-Kommissarin für Bildung, Kultur und Jugend sowie für Mehrsprachigkeit ist, hatte letztes Jahr im September erklärt: "Der Fremdsprachenerwerb fördert die Verständigung zwischen Völkern und Ländern ebenso wie die grenzüberschreitende Mobilität und die Integration von Migranten. Ich freue mich, dass selbst unsere jüngsten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, den Spaß am Fremdsprachenlernen zu entdecken".
Nach der Vorstellung von Juni vergangenen Jahres der Eurobarometer-Umfrage, bezgl. erlernter "Fremdsprachen", lag Deutschland nur im Mittelmaß, teilte die EU-Kommission in einer Mitteilung auf der offiz. Website mit. Demnach konnten sich "nur" zwei Drittel der Deutschen in mindestens einer Fremdsprache unterhalten, womit man im EU-Sprachenvergleich hinter Luxemburg, Niederlande oder Schweden zurücklag.
Dort sprachen demnach über 90 Prozent aller sog. "EU-Bürger" eine andere Sprache, neben ihrer Muttersprache. Seit der damals zuletzt durchgeführten und umfassenden EU-Umfrage zu den Sprachkompetenzen der EU-Bürger im Jahr 2005 waren die Zahlen für Deutschland fast unverändert geblieben. Im Durchschnitt sprachen aber laut EU-Auswertung weniger Menschen eine oder zwei Fremdsprachen, obwohl 88 Prozent der Befragten Fremdsprachenkenntnisse für nützlich hielten und sogar 98 Prozent wollten, dass ihre Kinder Fremdsprachen erlernen sollten.
Die benannte EU-Kommissarin für Bildung, Kultur und Jugend sowie für Mehrsprachigkeit, Androulla Vassiliou, hatte damals zu diesen Ergebnissen angemerkt: "Wir müssen mehr dafür tun, das Lehren und Lernen von Fremdsprachen zu verbessern. Die Fähigkeit, in einer fremden Sprache zu kommunizieren, erweitert den Horizont und öffnet Türen. Sie verbessert die Beschäftigungsfähigkeit und öffnet Unternehmen mehr Chancen auf dem Binnenmarkt".
Die EU-Lobbyistin, Vorstandsmitglied von Europa-Professionell der Europa-Union Deutschland, Ulrike Guérot, hatte kürzlich für eine Vision geworben, die viele in der EU teilen würden. Sie träume demnach davon, dass alle EU-Bürger Englisch sprechen sollten. In einem Beitrag für die Heinrich Böll-Stiftung (parteinahe Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen) schrieb Guérot, welche seit der Gründung das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations leitet und auf den Gebieten des europäischen "Integrationsprozesses", der europäischen Institutionen sowie der deutsch-französischen und deutsch-amerikanischen Beziehungen forscht:
"Ich möchte den gerade ins 21. Jahrhundert Hineingeborenen trotzdem zurufen: lernt Englisch, Denglish, Frenglish, lernt Englisch, lernt Englisch! Ja, wir werden das Englische verflachen, beleidigen, schlecht aussprechen, vereinfachen, verhunzen, verunglimpfen, ihm Gewalt antun, wir alle, die wir 2.000 Wörter davon sprechen, das internationale Verständigungsvokabular. Oscar Wilde wird uns verfluchen, Ernest Hemingway auch, und wir werden antworten: Was sollen wir denn sonst sprechen? Um uns mit den Chinesen, den Indern, den Amerikanern, den Südafrikanern zu verständigen? Englisch ist die Sprache von Google und damit der Welt. Die Sprache der Computer, der Science und der World of Finance. Neben der Welt der Mode, Fashion oder Music, generell die Welten der Jugend. Alles Dämonen, aber auch Domänen, in denen Europa mitsprechen möchte, sollte, global impact haben sollte (wie sagt man das gleich noch auf Deutsch?)."
Anmerkung zur Zitierung: Ob in diesem Fall gleichwohl frühkindliche Reizüberflutungen des Gehirns stattfanden, kann spekuliert werden.
