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In der Türkei wird der Umbau der Armeespitze weiter fortgeführt. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hatte als Vorsitz des Obersten Militärrates neue Kommandeure für die drei Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe ernannt, heißt es laut der Nachrichtenagentur AFP. Bekir Kalyoncu wurde in den Ruhestand versetzt. Dieser war zuvor Befehlshaber der paramilitärischen Gendarmerie. Er galt eigentlich als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Heereskommandeurs.
Seine Berufung wurde demnach durch Erdogan verhindert, weil Kalyoncus Name im Zusammenhang mit den Prozessen um Putschversuche gefallen war. Nun sei der General Hulusi Akar zum Heereschef aufgestiegen. In 2015 soll dieser auch den Generalstabschef Necdet Özel ablösen. Der Vizeadmiral Bülent Bostanoglu wurde zum Marinekommandeur ernannt und der Generalleutnant Akin Öztürk zum Chef der türkischen Luftwaffe.
Seit Erdogans Amtsantritt vor über zehn Jahren wurde der Einfluss der Armee weiter beschnitten und verkrustete Strukturen aufgebrochen. In den vergangenen Jahrzehnten gab es mehrere Putsche in der Türkei, da sich Strukturen des türkischen Militärs als Hüter des säkularen Staates (Säkularismus; mentaler Prozess der Trennung von Religion und Staat) sehen. Im türkischen Ergenekon-Prozess (Ergenekon = nationalistische mutmaßliche Untergrundorganisation) stehen derweil fast 300 Angeklagte vor Gericht, wie auch ranghohe Militärs.
Jene müssen sich unter anderem bezgl. des Vorwurfs verantworten, gegen Erdogans Regierung einen Putsch geplant zu haben. Bei einer möglichen Verurteilung könnten Personen wie dem Ex-General Ilker Basbug lebenslange Haftstrafen drohen. In einem abgetrennten Putsch-Prozess waren im letzten Jahr mehr als 300 Angeklagte, wie auch hohe Offiziere, zu teils langen Haftstrafen verurteilt worden. Diese planten unter dem Titel "Vorschlaghammer" einen Staatsstreich.
Erdogan selbst war in seiner Jugend Mitglied im Verein der Vorkämpfer, eine türkisch-islamistische Untergrundorganisation. Sie wurde als Jugendorganisation der Nationalen Heilspartei (MSP) gegründet und agierte im weiteren Verlauf zunehmend militant. Die Gründung war eine Reaktion auf die Grauen Wölfe (rechtsextreme türkische Partei der Nationalistischen Bewegung), eine von der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) gegründete Organisation.
Erstmals musste sich in der Türkei auch ein EX-Generalstabschef der Armee vor einem zivilen Gericht verantworten. Ex-General Ilker Basbug sitzt seit Anfang Januar in Untersuchungshaft. Dieser war in den Jahren 2008 bis 2010 an der Spitze der zweistärksten (Türkei) NATO-Streitmacht. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn, Chef einer bewaffneten Terrororganisation gewesen zu sein. Kritiker warfen der Regierung um Erdogan vor, die Ergenekon-Prozesse zur Abrechnung mit politischen Gegnern zu missbrauchen. Ein Strafgericht in Ankara hatte im April auch Anklage gegen einen ehemaligen Armeegeneral (pensionierter Militär Levent Ersöz) wegen dessen angeblicher Verwicklung in den Tod des früheren Staatschefs Turgut Özal (es wurden offenbar bei einer Exhumierung Spuren von Schwermetallen gefunden) erhoben.
