Notiert: NATO-Programm Alliance Ground Surveillance


(C) U.S. Air Force, 2006, Bild: Wikipedia (PD; US GOV)

Parallel zu der Beschaffung von Euro Hawk Drohnen für Aufklärungszwecke will sich die Bundeswehr in Deutschland auch am NATO-Programm Alliance Ground Surveillance (AGS) beteiligen. Bei diesem Programm handelt es sich um eines zum Aufbau einer Fähigkeit zur Gefechtsfeldaufklärung und -überwachung unter Nutzung unbemannter Luftfahrzeuge vom Typ RQ-4B Global Hawk. Stationiert werden soll das System auf dem italienischen Militärflugplatz Sigonella (Catania, Sizilien).

Zunächst sollen fünf Spionagedrohnen des Typs „Global Hawk“ angeschafft werden, die dann auf der sizilianischen Insel Sigonella stationiert werden. Während die Bundeswehr für den „Euro Hawk“ die fehleranfällige Baureihe „Block 20“ bestellt hat, sollen für die NATO die neuen „Block 40“ fliegen. Die Einrichtung des Alliance Ground Surveillance (AGS) geht auf eine Absichtserklärung von (13) NATO-Mitgliedern aus dem Jahr 2009 zurück.

Hierzu gehören etwa Bulgarien, Estland, Deutschland, Italien, Luxemburg, Norwegen und Rumänien. Die AGS besteht aus einem Luft- und einem Bodensegment (das sogenannte AGS Core). Am Boden werden Anlagen zur Steuerung errichtet, die auch die Flugkontrolle übernehmen. Die Auswertung der Informationen erfolgt zunächst ebenfalls in Sigonella. Weil die Daten aber auch von den NATO-Mitgliedern in nationalen Lagezentren analysiert werden, werden Relaisstationen mit breitbandigen Übertragungsraten benötigt. Beim NATO-Gipfel im vergangenen Jahr in Chicago wurde der endgültige Vertrag über 1,2 Milliarden Euro mit dem Hersteller Northrop Grumman Corporation unterzeichnet. Zu den Ausrüstern der Riesendrohne gehört die deutsch-französische Firma EADS Deutschland GmbH Division Cassidian, die sich als „Schlüsselpartner“ bezeichnet.

Ähnlich wie beim „Euro Hawk“ haben die beiden Firmen zur Auftragsabwicklung eine „Alliance Ground Surveillance Industries GmbH“ gegründet. Finanziell sollen sich eigentlich alle 28 NATO-Staaten an der AGS beteiligen. Zu den Kosten gehören unter anderem jährliche Zahlungen von geschätzten 70 Millionen Euro. Mehrere Mitgliedstaaten hatten sich – meist aus finanziellen Gründen – zurückgezogen. Dadurch wird der Beitrag für die verbliebenen Länder immer höher. Zu den Aussteigern gehören etwa Frankreich, Belgien, die Niederlande, Griechenland, Dänemark, Spanien und (zeitweise) Polen.

Die „Global Hawks“ der NATO sollen die Drohnen gleichen Typs ergänzen, die von der US-Armee seit 2010 auf Sigonella stationiert sind. Die Northrop Grumman Corporation verpflichtet sich, die „Global Hawk“ für die NATO mit einem sogenannten Multi Platform Radar Technology Insertion Program Radar (MP-RTIP) auszustatten, um sich langsam bewegende Objekte am Boden oder auch in niedrigen Höhen zu erfassen. Ursprünglich hatte die deutsche Bundesregierung darauf gedrungen, den „Transatlantic Cooperative AGS Radar“ (TCAR) einzubauen. Dabei handelt es sich um die Entwicklung durch ein Konsortium von Firmen aus Europa und den USA, die sich im Gemeinschaftsunternehmen „TCAR Industries GmbH“ zusammengetan hatten.

Deutschland will sich offenbar mit 483 Millionen Euro an der AGS beteiligen (Bericht des Bundesministers der Verteidigung am 5. Juni 2013 im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages). Das Bundesministerium der Verteidigung will aber neben der finanziellen Beteiligung weitere Drohnen der Klasse MALE oder HALE beisteuern. Im Bericht zur Technikfolgenabschätzung vom Mai 2011 heißt es dazu: „zusätzliche nationale Fähigkeiten sind perspektivisch vorgesehen“.

In einer Fragestunde des Deutschen Bundestages erklärte die Bundesregierung, das NATO-Programm solle mit einer durch eine „interoperable nationale Beistellung von HALE IMINT“ ergänzt werden (siehe auch ggf. Plenarprotokoll 17/161, Frage 62). Es gebe bisher keinerlei Überlegungen, eine solche nationale Beistellung im Ausland zu stationieren. Die deutsche Beteiligung an der NATO-AGS wird aber weitere Folgekosten beinhalten. Denn wegen der Reichweite des „Global Hawk“ von über 20.000 Kilometern erfordert der Datenaustausch mit der Auswerte- und Steuereinheit in Deutschland breitbandige Satellitenkommunikationsverbindungen. Zunächst dürfen die „Global Hawk“ nur im militärischen Luftraum operieren. Weitere Ausgaben stünden also an, um eine erforderliche Zulassung für den italienischen Luftraum zu erhalten.

Ein hierfür notwendiger Ausweichsensor ist in den finanziellen Planungen nicht kalkuliert. Nach dem Debakel um die deutschen „Euro Hawk“ kündigen sich also ähnliche Probleme für die „Global Hawk“ der NATO an. Demnach wäre es wohl geboten, auch bezüglich der AGS eine öffentliche Debatte zur Beschaffung neuer Aufklärungsdrohnen zu führen. Dies insbesondere unter dem Aspekt, dass die Riesendrohnen auch für „Military Operations in Urban Terrain“ (MOUT) in städtischem Gelände genutzt werden könnten (siehe: Bundestagsdrucksache 17/8693).

Seitens der Fraktion "DIE LINKE" im Deutschen Bundestag wolle man in der Kleinen Anfrage laut Drucksache 17/14018 in 43 Hauptfragepunkten unter anderem wissen, aus welchen Systemelementen bzw. Komponenten das NATO-Programm AGS besteht? Von welchen Gesamtkosten die deutsche Bundesregierung für das gesamte AGS-Programm ausgeht, und wie sich diese auf die NATO-Mitgliedstaaten verteilen? Auch fordert man, dass die deutsche Bundesregierung dem Beispiel anderer Mitgliedstaaten folgen sollte und sich ebenfalls aus dem AGS zurückzieht. Sie sollte sich darüber hinaus bei der NATO für ein Moratorium einsetzen.

  
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