Luxemburg: Jean-Claude Juncker tritt zurück


(C) Zinneke, 2012, Bild: Wikipedia (CC BY-SA 3.0)

Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker hat seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er stand bereits seit 1995 an der Spitze der luxemburgischen Regierung und leitete acht Jahre lang bis Anfang 2013 die Eurogruppe (ein Gremium der EU, in dem die Staaten der Eurozone ihre Steuer- und Wirtschaftspolitik "koordinieren").

Laut Juncker gebe es "keine andere Wahl als den Rücktritt der Regierung zu erklären". Für Donnerstagmorgen kündigte er Medienberichten zufolge eine letzte Kabinettssitzung an, bevor er dem Großherzog Henri von Nassau (LUX) offiziell das Rücktrittsgesuch übergeben wird. Juncker konnte nach eigenen Angaben kein persönliches Fehlverhalten erkennen. "Aber wenn Sie das anders sehen, dann sollten Sie entsprechend abstimmen", hieß es. Die Beaufsichtigung des Geheimdienstes habe er nicht zu seinen "Prioritäten" gezählt.

Es sei von nebulösen Machenschaften die Rede, wie Attentaten, Bomben, ein Informant oder auch illegale Abhörpraktiken. Kontakte zum britischen Auslandsgeheimdienst MI 6 soll es auch gegeben haben. Auch gehe es um eine Affäre, bei der ein Gespräch mit Juncker selbst aufgezeichnet worden sein soll. Dabei trug der ehemalige Chef des Geheimdiensts Marco Mille 2007 angeblich eine verwanzte Armbanduhr.

In der "Sache" ging es weiterhin um eine luxemburgische Geheimdienstaffäre mit wohl länderübergreifendem "Touch". Juncker war dabei der Service de renseignement luxembourgeois (Srel; "Nachrichtendienst Luxemburgs") unterstellt. Die behandelte Sache, welche Medienberichten zufolge auch Juncker mit angelastet wird, war ursprünglich ein Nebenaspekt der äußerst nebulösen Affäre "Bommeleeër" (Bombenleger).

Dabei ging es um eine Serie von Bombenanschlägen in Luxemburg zwischen 1984 und 1986, die nie aufgeklärt wurden. In anderen europäischen Ländern wurde ähnliches beobachtet, wie in Deutschland, Italien und Co. Der Autor Daniele Ganser hatte zur Thematik ein Buch unter dem Titel "Nato-Geheimarmeen in Europa: Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung" (Stichwort: Stay-Behind-Netzwerk) geschrieben - ISBN: (978-3280061060).

Bei der Affäre, in der angeblich sogar der Großherzog verwickelt gewesen sein soll, gab es in den vergangenen Monaten diverse Medienberichte. Ende vergangenen Jahres wurden Berichte über eine mitgeschnittene Unterredung zwischen Juncker und Staatsoberhaupt Großherzog Henri bekannt, bei der es um die Bombenleger-Affäre gegangen sein soll. In Verdacht geriet der vormalige Thronfolger, der an einem der Tatorte gesehen wurde und seinerzeit mit dem Militär zu tun hatte, berichtete Telepolis. Laut Neue Züricher Zeitung hatten Geheimdienstler des SREL 2005 bis 2006 ein Pädophilie-Dossier konstruiert, um einen für die "Bombenleger"-Affäre zuständigen Generalstaatsanwalt zu diskreditieren. (mehr)

Juncker musste sich einem Misstrauensantrag stellen. Man hatte ihm einen zweideutigen Umgang mit dem Parlament und der Justiz vorgeworfen. Dem Finanzminister Luc Frieden machte man zum Vorwurf, damals Druck auf den Oberstaatsanwalt Robert Biever ausgeübt zu haben. Dieser sollte mit der Druckausübung Untersuchungen zu Sprengstoffanschlägen in Luxemburg in den 1980er Jahren zu den Akten legen. (mehr)

In dem sog. “Stay-Behind”-Netzwerk waren Medienberichten zufolge damals mehrere Länder betroffen. Mit Blick auf die damalige Bundesrepublik Deutschland hieß es im Verlauf der verwobenen Sache, dass etwa auch der Bundeswehr-Major Johannes Karl Kramer (Alias “Cello”) für den Organisation Gehlen Nachfolger (benannt nach dem Nazi-Generalmajor Reinhard Gehlen; mit aufgebaut durch den erfolgreichen aus einer sektenähnlichen Geheimgesellschaftsstruktur entsprungenen OSS-Nachfolger CIA; Central Intelligence Agency) BND tätig gewesen sein soll. Wohl nicht nur dieser soll in jenem in unteren Strukturen autark (jede Zelle denkt ggf. sie wäre die einzige Struktur) scheinenden Netzwerk mit eingebunden gewesen sein. Einem Dokument des luxemburgischen Ministère d’état zufolge soll der BND 1987 an zwei Stay-Behind-Übungen in Luxemburg beteiligt gewesen sein. Cellos Sohn, Andreas Kramer, sagte vor Gericht aus. (mehr)

"Cellos" Sohn Andreas hätte in Gesprächen erfahren, dass sein Vater für das blutige Attentat 1980 auf dem Münchner Oktoberfest mit verantwortlich gewesen war. Dieser wollte seinen Sohn demnach auch als Agenten für das Stay-Behind-Netzwerk anwerben. Auf die Frage vom Gericht hin, warum der Sohn denn nicht an deutsche Behörden herangetreten sei, sagte dieser, dass er Misstrauen gegen diese hegte, im Fall München hätte man gar nicht ermitteln wollen.

Mit Blick auf den Juncker-Rücktritt bleibt an dieser Stelle wohl nur noch zu sagen: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.", Jean-Claude Juncker zitiert von Dirk Koch: Die Brüsseler Republik. Der SPIEGEL 52/1999 vom 27. Dezember 1999, S. 136

  
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