Proteste Türkei - Atalay fabuliert: Die Juden warns


(C) KLMircea, 2008, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0)

Wie nun der türkische Vize-Regierungschef Besir Atalay fabulierte, wären für die wochenlangen Proteste in Istanbul und anderen türkischen Städten "finstere Gestalten" verantwortlich. Seinen Worten zufolge die Juden im Land. In der türkischen Tageszeitung Hürriyet zitierte man ihn derart, dass die Ende Mai begonnen Demonstrationen "von der jüdischen Diaspora organisiert [wurden], die bei dem Ereignis aktiv war".

Neben den Juden wäre seiner "Einschätzung" zufolge auch "die internationale Presse" und "andere ausländische Kräfte" mit involviert. Diese hätten gemeinsam eine "Destabilisierung" der Türkei bewerkstelligen wollen, heißt es. Direkte Beweise konnte er dem Vernehmen nach wohl aber nicht liefern.

An den Protesten hatten sich nach Schätzungen der Polizei etwa 2,5 Millionen Menschen in fast 80 türkischen Städten beteiligt. Die Wut richtete sich im Verlauf der Proteste auch gezielt gegen den Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, dem unter anderem ein autoritärer Regierungsstil und eine Islamisierung der Türkei vorgeworfen wurden. Nach Angaben der türkischen Ärztevereinigung wurden fast 8000 Menschen verletzt, vier Personen verstarben laut Medienberichten.

Mitte Juni hieß es durch Erdogan in einer Rede vor seinen Anhängern der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, dass der britische Sender BBC, der US-Nachrichtensender CNN und die Nachrichtenagentur Reuters „Desinformation“ betreiben würden. Damit wolle man die Türkei destabilisieren.

Die regierungsfreundliche Zeitung "Takvim" klagte nach eigenen Angaben bei der Staatsanwaltschaft gegen den US-Sender CNN International und seine Star-Korrespondentin Christiane Amanpour. Das Blatt warf ihnen vor, die Öffentlichkeit durch "falsche Berichterstattung zu Hass und Feindschaft" anzustacheln.

Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) gab kürzlich in den "Berliner Wirtschaftsgesprächen" im Capital Club Berlin zu verstehen: Die Vorgänge in der Türkei trügen "nicht zur Destabilisierung des Landes bei", sondern eher zur Stabilisierung. Da Erdogan längst abgehoben sei und ihm Gegengewichte wie Parlament, Presse und Gerichte fehlten, komme es jetzt umso mehr auf die Vernetzung der jungen Leute an. Insofern finde in der Türkei gerade jetzt eine "Europäisierung" statt.

 

Auch interessant:

Wegen Protesten wird mit Einsatz der Armee gedroht

Ergenekon: Ehemaliger General soll Präsident Turgut Özal getötet haben

Geheimdienst-Frontgruppe verübte Anschlag

  
Bücherindex Bild Link

Weitere Inhalte