(C) Friedemann Wulff-Woesten, (symbolisch; kein Bezug), 2010, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY-NC-SA 2.0)

Verfassungs- und Europarechtler würden lauf Informationen von "Welt am Sonntag" Verfassungsklagen gegen die Anleihenaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) nur wenig Chancen auf Erfolg einräumen. Man bezeichnet die Klageanstrengungen als "reinen Verzweiflungsakt" der Euro-Gegner, so Christoph Schalast, Professor für Europarecht an der Privathochschule Frankfurt School of Finance & Management.
Die Euro-Rettungspolitik wird am 11. und 12. Juni 2013 durch das deutsche Bundesverfassungsgericht geprüft. Einige der Europa- und Verfassungsrechtler würden die gefahrene Politik der Europäischen Zentralbank zwar für rechtlich problematisch halten, doch seien Anleihenaufkäufe kompetenzwidrig, sagte der Europarechtler und frühere deutsche Verteidigungsminister Rupert Scholz zur Thematik.
Man gehe nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht der Klage stattgeben wird. "Ich denke, dass sich die Verfassungsrichter scheuen werden, der [Europäischen Zentralbank] so gravierende Kompetenzverstöße vorzuwerfen, dass sie nicht nur gegen Europarecht verstoßen, sondern auch gegen deutsches Verfassungsrecht", sagt Helmut Siekmann, Professor für Währungs- und Notenbankrecht an der Universität Frankfurt.
Ein solches Urteil könnte dramatische Auswirkungen haben."Mit einer solchen Entscheidung wäre nicht nur die gemeinsame Geldpolitik am Ende, sondern auch die [Europäische Union] insgesamt", sagt der Speyerer Verfassungsrechtler Joachim Wieland. Hinzu würde auch noch eine andere Hürde kommen.
So hatte sich das deutsche Bundesverfassungsgericht "quasi" dazu verpflichtet, keine derart gravierenden Kompetenzverletzungen zu rügen, ohne den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit einzubinden. "In Karlsruhe hat man sicherlich Hemmungen, den Fall dem [Europäischen Gerichtshof] vorzulegen, zumal das Risiko besteht, dass man die Sache dort ganz anders beurteilt und keinerlei Verstoß gegen EU-Recht sieht", sagt Oliver Sauer, Staatsrechtler beim Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg.
"Die bisherigen Erfahrungen sprechen eher dafür, dass sie den OMT-Beschluss für noch eben zulässig erklären werden, aber die engen Grenzen aufzeigen, bis zu denen die Europäische Zentralbank gehen darf", so Siekmann in seinen Ausführungen zur Sache. Auch Wieland erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht das Programm zwar billigt, aber auch sagen wird, was die Europäische Zentralbank nicht darf - nämlich "dass ein Anleihenkaufprogramm eben nur zulässig ist, wenn es der Stabilisierung der Finanzmärkte dient und nicht der Staatsfinanzierung."
Damit, so hofft man, hätte das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht doch noch eine Wirkung. "Im Ergebnis werden dadurch die Spielräume für künftige Maßnahmen der Europäischen Zentralbank deutlich eingeschränkt werden", glaubt Siekmann. Es könnte der Europäischen Zentralbank schwerer fallen, die eng gefassten Bedingungen des OMT-Programms wieder über den Haufen zu werfen, wenn es die Not eines Krisenlandes geboten erscheinen lässt.
Doch auch derartige Bedingungen wären für die Europäische Zentralbank wohl nicht bindend. "In diesem Fall zeigt sich einmal mehr Macht und Ohnmacht des Bundesverfassungsgerichts", sagt der Staatsrechtler Wieland. Es könne eben nicht für sich in Anspruch nehmen, abschließend über Europarecht zu urteilen.
