DE: Bundesrat winkt Gesetzentwurf zur Auskunft von Bestandsdaten durch


(C) Paul L Dineen, (symbolisch; kein Bezug), 2010, Bild: flickr (nicht portiert) (CC BY 2.0)

In Deutschland hat der Bundesrat zuletzt den umstrittenen Gesetzentwurf bezgl. der Reform über die Bestandsdatenauskunft durchgewunken. Damit kann das durch den Deutschen Bundestag im Vorfeld verabschiedete Vorhaben in Kraft treten. Der Bundespräsident muss das Gesetz unterzeichnen und danach muss es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

Man wolle mit dem Gesetz zur Reform der Bestandsdatenauskunft in Deutschland regeln, unter welchen Bedingungen Ermittler von deutschen Bundesbehörden Informationen über einen Anschlussinhaber manuell bei TK-Anbietern abfragen dürften. Dabei ist nun erstmals auch die Rede von dynamischen IP-Adressen. Demnach dürfen Provider die Netzkennung dem jew. Inhaber eines Internetzugangs automatisch zuordnen.

Bei NetzPolitik.org gab man zu verstehen, dass entsprechende Behörden "ganz einfach die Personalien von Menschen ermitteln" könnten, von denen sie nur eine Telefonnummer oder eine IP-Adresse kennen. Informationen müssten laut Heise im sogenannten „manuellen“ Auskunftsverfahren an Sicherheitsbehörden herausgeben werden. Betroffene sollen davon im Nachhinein "prinzipiell" in Kenntnis gesetzt werden.

Der Zugriff auf PINs, PUKs oder auch Passwörter von TK-Diensten werde demnach mit einer richterlichen Genehmigung erlaubt. Wollen Sicherheitsbehörden an z.B. entsprechende Zugangsdaten heran, müsste dies die zuständige parlamentarische G10-Kontrollkommission absegnen. Verschiedene Datenschützer und Bürgerrechtler sehen jedoch speziell in diesem Punkt abermals massive verfassungsrechtliche Mängel gegeben.

Über z.B. ein klassisches Email-Konto könnte man sich ebenfalls theoretisch Zugangsdaten einer Person von noch weiteren Diensten einverleiben, wie etwa zu Sozialen Netzwerken, Shopping-Seiten oder anderen Diensten, wo sich eine jew. Person angemeldet hat. Die Identifizierung von Nutzern, bei denen nur die IP-Adresse bekannt ist, könnte auch bei Ordnungswidrigkeiten unternommen werden, dieses Vorgehen sei demnach nicht an einen Richtervorbehalt geknüpft.

TK-Dienstleister sollen verpflichtet werden, die Einrichtung von Schnittstellen umzusetzen, um so die einfachere Abfrage von Daten zu ermöglichen. Patrick Breyer von der Partei "Piraten" hatte u.a. gefordert, dass derartig massive Überwachungsmaßnahmen nur auf schwerste Straftaten zu beschränken sind. Die Abfrage von Passwörtern, PINs oder anderen Zugangsdaten, wie auch der Zugriff der Geheimdienste auf die Bestandsdaten, müssten nach Breyers Auffassung ganz ausgeschlossen sein. Ebenso auch die verpflichtende Einführung von Überwachungs-Schnittstellen bei Telekommunikations-Dienstleistern.

Polizeien oder Sicherheitsbehörden in Deutschland könnten durch die Neuregelung demnach vereinfacht Nutzer identifizieren. Auch in einer Berichterstattung von NetzPolitik.org beschrieb man, dass schon geringfügige Ordnungswidrigkeiten, wie etwa Falschparken, ausreichend sein könnten, um so "ins Visier" zu geraten. Ebenfalls geht man auf weitere "interessante Nutzungsmöglichkeiten" ein, wie die bereits benannte Abfrage per elektronische Schnittstelle bei den Providern.

Damit könnten laut Experten auch viele Nutzer auf einmal abgegrast werden, z.B. mutmaßlich Verdächtige, wie bei der berüchtigten Funkzellenabfrage oder bei Homepageüberwachungen. Seitens des stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, erklärte man zur Thematik: "Dass bei einfachen Ordnungswidrigkeiten und teilweise ohne richterliche Genehmigung Handy- und Internetzugriffsdaten abgefragt werden, ist und bleibt ein schwerer Angriff auf die Privatsphäre".

Auch der CCC (Chaos Computer Club) wetterte gegen dieses Gesetz. Von deren Seite kommentierte man: "Wir sind einigermaßen bestürzt über diesen massiven Eingriff in die Grundrechte". Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP gab man zu verstehen, dass sich diese Neuregelung "haarscharf" am Rande des Grundgesetzes bewegen würde, wenn nicht darüber hinaus.

Trotz der Aufforderung mehrerer Organisationen hatte der deutsche Bundesrat den Gesetzentwurf durchgewunken. Unter den Organisationen war etwa auch der deutsche Journalistenverband (DJV) wie auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie. Auch von deren Seite prangerte man an, dass schon bei Bagatelldelikten und ohne richterliche Zustimmung Auskünfte möglich seien. Auch lehnt man die geplante Schaffung einer elektronischen Schnittstelle zur Automatisierung der Auskünfte ab.

Zu der inneren Fassung des Gesetzes sei auch die Anforderung bezgl. "konkreter Gefahren" nicht ausreichend bestimmt worden, kritisierten verschiedene Seiten. Ebenfalls hätte der Bereich der "Ordnungswidrigkeiten" differenzierter behandelt werden müssen. Demnach sind die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben noch immer nicht erfüllt, heißt es. Die eingeführten Mittel zur Rechtskontrolle wirken eher nebulös und sind löchrig wie ein Schweizer Käse. Auch die Regelungen für das ZKA (Zollkriminalamt) und den Verfassungsschutz seien zu unbestimmt. Kritik gab es u.a. auch von der Neuen Richtervereinigung, welche den Entwurf als "halbherzig, intransparent und unplausibel" charakterisierte.

  
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