Türkei - Geheimbund Ergenekon: Ehemaliger General soll Präsident Turgut Özal getötet haben


(C) World Economic Forum, Klaus Schwab, 1986, Bild: Wikipedia (CC BY-SA 2.0)

In der Türkei soll sich nun ein ehemaliger General bezgl. des Vorwurfs des Mordes an den EX-Präsidenten Turgut Özal im Jahr 1993 vor Gericht verantworten. Das zuständige Gericht in Ankara hätte nun die Anklageschrift gegen Ex-General Levent Ersöz angenommen. Demnach soll der früherer General Ersöz den Ex-Präsident Özal vergiftet haben. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe jedoch zurück.

Offiziell wird der Tod von Özal am 17. April 1993 auf einen Herzinfarkt zurückgeführt. Doch bereits kurze Zeit nach dem Tod des kurdischstämmigen Staatschefs machten Gerüchte über eine Ermordung die Runde. Die Familie von Özal behauptet, dass er wegen seines Engagements für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts vergiftet worden sei. Özal hatte ein schwaches Herz und musste sich schon etwa in den 1980er Jahren einer dreifachen Bypass-Operation unterziehen.

Im vergangenen Jahr hatte ein Expertengremium den Tod von Özal als "verdächtig" eingestuft. Es wurde eine Exhumierung der Leiche durch den Staat angeordnet. Anschließend fanden sich zwar Spuren von Schwermetallen, man konnte die genaue Todesursache aber nicht klären. Seitens der eingesetzten Staatsanwaltschaft geht man davon aus, dass Özal durch kleine Giftmengen über einen Zeitraum von rund sechs Wochen getötet worden sein könnte.

Laut Medienberichten hätte der ehemalige unter Verdacht stehende General Levent Ersöz in seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass er zur Zeit von Özals Tod auf Posten in Südostanatolien gewesen war. Der EX-General sitzt dabei als mutmaßliches Mitglied des rechtsgerichteten Geheimbundes Ergenekon in Haft.

Dieser nebulöse Geheimbund soll einen Putsch gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geplant haben. Auch wurden von einem Zeugen Vorwürfe gegen Ersöz erhoben, bezgl. der Ermordung von zwei türkischen und einem deutschen Christen im ostanatolischen Malatya im Jahr 2007. Laut diesen Informationen soll eine Sondereinheit, zu welcher auch Ersöz gehört haben soll, den Mord an Özal und auch die Ermordung der Christen eingefädelt haben.

Laut Presseberichten liegt aus dem Prozess um "Ergenekon" eine ähnliche Zeugenaussage vor. Nach diesen Informationen war in den Aussagen von einer Schwermetall-Vergiftung Özals die Rede, noch bevor das Grab des ehemaligen Staatspräsidenten geöffnet und untersucht wurde.

Seit Jahren hält die Witwe und der Sohn Ahmet den Tod Özals für ein Mordkomplott. Am damaligen Todestag (17. April 1993) soll es zu auffälligen Häufungen von bizarren Umständen gekommen sein. So war etwa der Leibarzt an jenem Tage nicht im Präsidentenpalast. Hier soll es angeblich auch an Ausrüstung zur ersten Hilfe gemangelt haben. Ein Notarztwagen sei wegen mechanischer Probleme damals "nicht sofort einsatzbereit" gewesen. Nach dem Tod wurde seinerzeit keine Autopsie angeordnet. Der Arzt von Özal behauptete, dass die Familie keine Autopsie verlangt hätte. Die Angehörigen bestreiten dies jedoch bis heute.

Die türkische Staatsanwaltschaft hatte im Herbst vergangenen Jahres die sterblichen Überreste von Ex-Präsident Turgut Özal in Istanbul exhumieren lassen. Zur "Hebung" der sterblichen Überreste sollen Baumaschinen und Fahrzeuge der Spurensicherung der Polizei vor dem Grabmal Özals auf dem Topkapi-Friedhof vorgefahren sein. Mit Sichtbarrieren versperrte man den Blick auf die Tätigkeiten vor Ort. Im November vergangenen Jahres berichtete die englischsprachige Zeitung "Today's Zaman", dass bei der im Oktober (2012) angeordneten Autopsie das Insektizid DDT, das Schwermetall Cadmium sowie die beiden radioaktiven Substanzen Polonium und Americium in der Leiche festgestellt wurden.

Mitte Juni 2010 startete in Istanbul ein Prozess gegen 33 Angeklagte, denen Verschwörung gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen wurde. Diese hätte einen Plan namens "Kafes" (Käfig) ausgeheckt. Dieser sollte darauf abzielen, die Regierung durch Anschläge im In- und Ausland als radikale islamistische Gruppe zu diskreditieren. Der sogenannte Käfig-Prozess gehörte dabei zur juristischen Klärung der Vorwürfe gegen die Geheimorganisation Ergenekon.

Im Vorjahr, Juli 2009, hatte ein Prozess gegen 56 Angeklagte begonnen. Auch diesen warf man einen Putsch gegen die türkische Regierung vor. Die angeklagten Personen, darunter mehrere Ex-Generäle, bekannte Journalisten, Politiker und auch Geschäftsleute, standen dabei ebenfalls im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die rechtsgerichtete Organisation Ergenekon vor Gericht. Aus Sicherheitsgründen fanden die Verhandlungen in einem Gefängnis in Silivri bei Istanbul statt. Vor dem Gefängnis hatten sich etwa 200 Demonstranten versammelt, welche gegen den Prozess protestierten. Laut der Staatsanwaltschaft im Jahr 2009 war das Ziel der nationalistisch-laizistischen Organisation Ergenekon, dass die Türkei durch Attentate und Anschläge ins Chaos gestürzt und so ein Militärputsch gegen die Regierung provoziert werden sollte.

Im Vorjahr (2008) lief bereits ein Prozess gegen 86 mutmaßliche Mitglieder der Organisation Ergenekon. Im März 2009 hatte man Anklage gegen die weiteren 56 Verdächtigen erhoben. Es hieß zur damaligen Zeit, dass die beiden Verfahren bald zusammengefasst werden sollten. Seitens der türkischen Opposition hatte man der Regierung um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan damals vorgeworfen, dass man die Ergenekon-Ermittlungen als Vorwand nutzen würde, um gegen politische Gegner in Politik, Medien und Militär vorzugehen.

Im Verlauf hatte es immer wieder Drohungen gegen Erdogan gegeben. Im März 2010 hieß es z.B. in türkischen Medienberichten, dass Sicherheitsbehörden des Landes Hinweise auf Pläne für einen Mordanschlag auf Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erhalten hätten. Angeblich sei zur damaligen Zeit eine E-Mail mit einer Anschlagswarnung an die Polizei gegangen. Danach hatte man die Sicherheitsvorkehrungen im Parlament in Ankara auf die höchste Stufe angehoben.

Anfang Januar 2012 wurde erstmals in der Geschichte der türkischen Republik auch ein ehemaliger Generalstabschef (Ilker Basbug) der Streitkräfte in Haft genommen. Diesem hatte man zur Last gelegt, eine "terroristische Organisation" geleitet und versucht zu haben, die Regierung zu stürzen. Er soll angeblich auch, so die damaligen Vorwürfe, Drahtzieher einer Kampagne zur Diskreditierung der Regierungspartei AKP gewesen sein. Basbug selbst wies damals die Anschuldigungen laut der Nachrichtenagentur Anadolu zurück. Basbug war von 2008 bis 2010 Generalstabschef der türkischen Armee. Zu den Vorwürfen gehörte auch, dass es Pläne gegeben hätte, Internetseiten zur Destabilisierung des Landes einzurichten.

In dieser Sache standen bereits mehrere Angeklagte wegen des sogenannten Internet-Memorandums des Generalstabs vor Gericht. Einige der beschuldigten Personen gab zu verstehen, darunter ehemalige hochrangige Offiziere, dass die Verantwortung bezgl. dieser Sache bei der Militärführung gelegen hätte. Der Prozess bezgl. des sog. "Internet-Memorandums" wurde damals mit einem Verfahren verschmolzen, in dem es um einen ebenfalls im Generalstab angefertigten Plan zur Destabilisierung der Regierung ging. Die beiden Angelegenheiten standen demnach ebenfalls im Zusammenhang mit den seit Jahren laufenden Ermittlungen gegen die mutmaßliche Verschwörer-Gruppierung Ergenekon.

Bei der sog. "Ergenekon" handelte es sich um eine mutmaßliche Untergrundorganisation in der Türkei. Das Netzwerk hätte seit 2003 durch Desinformation und Terror den Sturz der islamisch geprägten Regierung um Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zum Ziel gehabt. Zu den mutmaßlichen Mitverschwörern sollen Ex-Militärs, Rechtsanwälte, Geschäftsleute, Politiker und Journalisten gehören. Bis April 2011 hatte man mehr als 300 Individuen als Unterstützer oder Mitglieder der von Ergenekon in Haft genommen. Der Anklageschrift zufolge, soll es sich bei Ergenekon um eine Nachfolgeorganisation gehandelt haben, welche bis Ende der 1990er Jahre als "tiefer Staat" existiert hätte. Die Organisation sei dann durch eine Umstrukturierung um zivile Abteilungen erweitert worden.

Schon zum Anfang des damals eingeleiteten Verfahrens mahnte der langjährige Vorsitzende des Menschenrechtsvereins, Hüsnü Öndül, ein faires Gerichtsverfahren an. Er bemängelte, dass viele Schlussfolgerungen der Staatsanwaltschaft auf abgehörten Telefonaten beruhen würden, ohne dass ersichtlich gewesen sei, ob diese Beweise mit legalen Mitteln "beschafft" wurden. Universitätsdekane, oppositionelle Politiker, Anwaltskammern und türkische Tageszeitungen kritisieren die harte Vorgehensweise gegen mutmaßliche Mitglieder dieser Organisation. Sie warfen der AKP-Regierung u.a. vor, auch unschuldige Fürsprecher eines liberalen, säkularen Staats in die Ermittlungen hineinzuziehen, um sie einzuschüchtern.

Die Kritiker fordern dabei außerdem eine Beschleunigung der Ermittlungen, die seit Monaten laufen und ihrer Ansicht nach politisch missbraucht werden. Einige Kritiker sprechen gar von einem Tiefen Staat der AKP und werten die Ermittlungen als Racheakt der AKP für das gescheiterte AKP-Verbotsverfahren. Im sogenannten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission, bezgl. der Erweiterung der Europäischen Union, vom 9. November 2010, zeigte man sich besorgt über die Vielzahl von Verfahren gegen Journalisten, die zum Ergenekon-Verfahren berichten.

Bezüglich Untergrundorganisationen wurde zur Türkei im Verlauf rückblickend ebenfalls bekannt, dass der türkische Gladio-Zweig (NATO Stay-Behind-Organisation - siehe ggf. Literatur "Nato-Geheimarmeen in Europa"; ISBN: 978-3280061060; Autor: Daniele Ganser) unter dem Namen Counter-Guerilla oder Kontra-Guerilla geführt worden war. In dieser damals aktiven Organisationsstruktur waren Personen der Counter-Guerilla und maßgeblich auch der Rechtsextremist und Drogenhändler Abdullah Çatli aktiv. Dieser hatte ebenfalls großen Einfluss bei der rechtsextremen Partei Graue Wölfe. Man hatte Straßenkämpfe und die Ausbildung von jungen Anhängern für den Kampf gegen Linksradikale organisiert.

Laut der französischen "Le Monde diplomatique" soll sich Çatli mehrfach mit Stefano Delle Chiaie in Lateinamerika und im September des Jahres 1982 in Miami getroffen haben. Daraus kann folgendes zitiert werden: "Er [die Person Abdullah Çatli] gilt als einer der Haupttäter der verdeckten Operationen, die vom türkischen Zweig der Gladio-Organisation ausgeführt wurden und spielte eine Schlüsselrolle in den blutigen Ereignissen des Zeitraums 1976–1980, welche den Weg für den Militärputsch vom September 1980 ebneten". Ein weiteres Mitglied soll auch Mehmet Ali Agca gewesen sein, der "Papst-Attentäter".

Zum Beispiel in Italien wurde Gladio zwecks Verhinderung einer Regierungsteilnahme der Kommunistischen Partei aktiv, die zeitweilig die stärkste Partei im italienischen Parlament war. In diesem Zusammenhang ist auch die in Gerichtsverfahren festgestellte Verbindung zu der Geheimloge Propaganda Due (Die Organisation Propaganda Due (P2) war ursprünglich eine italienische Freimaurerloge, die in den 1970er Jahren zur Tarnung einer politischen Geheimorganisation zweckentfremdet wurde. Ein konspiratives Netzwerk aus Führungspersonen der Polizei, des Militärs, der Wirtschaft, der Politik, der Mafia und von Geheimdiensten.) relevant. Das 1990 wegen Mordes an drei Carabinieri verurteilte Gladio- und Ordine Nuovo-Mitglied Vincenzo Vinciguerra erklärte zu den Hintergründen der Verbrechen: "Man musste Zivilisten angreifen, Männer, Frauen, Kinder, unschuldige Menschen, unbekannte Menschen, die weit weg vom politischen Spiel waren. Der Grund dafür war einfach. Die Anschläge sollten das italienische Volk dazu bringen, den Staat um größere Sicherheit zu bitten. […] Diese politische Logik liegt all den Massakern und Terroranschlägen zu Grunde, welche ohne richterliches Urteil bleiben, weil der Staat sich ja nicht selber verurteilen kann."

Ebenfalls waren rückblickend Operationen (Stay-Behind) in weiteren europäischen Ländern zu sehen. So solle zum Beispiel hinter Bombenattentaten in Luxemburg, welche mithilfe von BND- und MI6-Agenten und zehn luxemburgischen Unterstützern vollzogen wurden, der Stay-Behind-Leiter des Bundesnachrichtendienstes, Johannes Kramer (Alias Cello) gestanden haben. Die zehn luxemburgischen Unterstützer sollen demnach eigens weitere Helfer rekrutiert haben. Auch hätte sein unter Eid vor Gericht aussagender Sohn (Andreas) in Gesprächen erfahren, dass sein Vater für das blutige Attentat 1980 auf dem Münchner Oktoberfest verantwortlich gewesen sei. (siehe ggf. Archiv unter "Deutscher BND-Mann bei Stay Behind Terroranschlägen involviert)

Im Jahr 2011 (August – vor dem auffliegen der sog. „NSU“) berichtete "Der Spiegel" in der Ausgabe "34/2011" (Titel des Beitrags: "Versteck in der Schweiz"): "Seit elf Jahren halten die sogenannten Döner-Morde die Polizei in Atem. Nun könnte die Serie womöglich aufgeklärt werden, doch die Staatsanwaltschaft verprellt ihren Informanten". Es ging um den "Schlüssel" im Fall der damals benannten Dönermorde, die danach als NSU weitergeführt wurden. Die Person "Mehmet" wollte die Tatwaffe zu der wohl unheimlichsten Mordserie in Deutschland liefern. Er hatte demnach angeboten, in die Schweiz zu fahren, um dort das Versteck auszuheben (bezgl. Ceska, Typ 83, Kaliber 7,65 Millimeter - "mit Schalldämpfer"). Doch die Staatsanwaltschaft Nürnberg stellte sich damals quer. Die Person Mehmet wollte, dass man ihr 40.000 Euro zahlt und die Umwandlung einer Haftstrafe wegen Fahrens ohne Führerschein (gefälschter Führerschein) in eine Bewährungsstrafe vollzogen wird. Im Spiegel schrieb man damals, dass seit Jahren Staatsanwälte und Polizisten Täter und Waffe jagen würden, und Verfassungsschützer versuchten, die mafiöse Organisation türkischer Nationalisten in Deutschland zu durchdringen. Hierzu hieß es ebenfalls, dass Mehmet Brisantes zu berichten hätte. Etwa über die Zusammenarbeit von ein paar Abtrünnigen seiner Organisation mit Beamten des Verfassungsschutzes.

  
Bücherindex Bild Link

Weitere Inhalte