NSU Terror: Befragung von ehem. Innenminister Schily - Neue Erkenntnisse eher spärlich


(C) Andre Zahn, 2005, Bild: Wikipedia (CC BY-SA 2.0 DE)

Im zweiten Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus) bezgl. des NSU (Zelle: Nationalsozialistischer Untergrund) am vergangenen Freitag blieben die neuen Erkenntnisse bei der Befragung des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD; ehemaliger Innenminister) und seiner damaligen Referatsleiterin Christine Hammann eher spärlich.

Doch in seinem Statement zum Anfang der Befragung beeindruckte der ehemalige Minister Schily der Regierung Schröder den Ausschuss mit einer Feststellung, dass er die politische Verantwortung übernehme. Von der Seite der Opposition und Koalition erntete er dafür Anerkennung, heißt es laut Bundestag-Meldung.

Hier wird der ehemalige Minister mit den Worten zitiert, dass es den deutschen Sicherheitsbehörden nicht gelungen sei, der "Mörderbande, die sich selbst den Namen Nationalsozialistischer Untergrund [NSU] gegeben hat“, rechtzeitig auf die Spur zu kommen, dies sei „ein höchst schockierender und äußerst bedrückender Sachverhalt, für den ich die politische Verantwortung übernehme".

Über Jahre hinweg wäre in Berichten des Verfassungsschutzes nicht erkennbar gewesen, dass es im deutschen rechtsextremen Milieu die Bildung terroristischer Strukturen gegeben hat. Nach dem damals im Jahr 2003 vereitelten Anschlag auf eine Münchner Synagoge hätte der Generalbundesanwalt erstmals Anklage gegen Rechtsextreme wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung erhoben.

In dem Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz für das Jahr 2003 hätte sich jedoch nicht erkennen lassen, dass es darüber hinaus derartige Strukturen gab. Schily merkte an, dass möglicherweise Einzelpersonen oder Kleinstgruppen Anschläge hätten verüben können, um so ein Fanal zu setzen. Bei der Befragung durch die Ausschussmitglieder ging es speziell um den Anschlag des NSU mit einer Nagelbombe in Köln-Mülheim am 9. Juni 2004, bei dem damals 22 Menschen überwiegend türkischer und kurdischer Herkunft teils schwer verletzt wurden.

Am Tag nach dem damaligen Anschlag hatte Schily erklärt, dass es bisher keine Hinweise auf eine terroristische Tat gegeben hätte und man ging von einem kriminellen Hintergrund aus. Auf welche Informationen er sich dabei stützte, vermochte Schily allerdings nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. Auch auf andere Fragen hin erklärte er immer wieder, sich an Details der Vorgänge vor fast 10 Jahren nicht mehr zu erinnern.

Im weiteren Verlauf hatte Schily, auf eine Frage des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) hin, einen Bericht des Magazins Spiegel-Online fast zwei Wochen nach der damaligen Tat zitiert, wonach Ermittler rassistische oder extremistische Hintergründe nicht ausgeschlossen hätten. Hier stellte der ehemalige Minister fest, dass die Behörden damals wohl in alle Richtungen ermittelten.

Doch auf die zentrale Frage des Untersuchungsausschusses, warum denn die Ermittlungen in die rechtsextreme Richtung nicht konsequent fortgesetzt worden seien, hatte auch Schily keine Antwort. Seitens Clemens Binninger (CDU) wurde er insbesondere danach befragt, was die Rolle des damaligen Innenministers von Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens (SPD) gewesen war.

Nach den bisherigen Erkenntnissen des deutschen Untersuchungsausschusses hatte ein für Rechtsextremismus zuständiger Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wenige Stunden nach dem damaligen Anschlag in Köln beim örtlichen Lagezentrum der Polizei angerufen, mit der dringenden Bitte, einen Kontakt zum Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) herzustellen. Etwa eine Stunde danach habe Behrens im Lagezentrum angerufen „mit der ungehaltenen Frage“, so Binninger, warum der Verfassungsschutz einbezogen werde.

Die Frage, ob ihn der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, auf diesen Vorgang angesprochen habe, beantwortete Otto Schily ebenso mit fehlender Erinnerung wie die Frage, ob Behrens ihn bei seiner Beurteilung am Tag danach beeinflusst habe. Er halte es zwar für wahrscheinlich, dass er irgendwann nach dem Anschlag mit Behrens gesprochen hat, wisse es aber nicht mehr, erklärte Schily.

Im Jahr 2000 wurde Fromm Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz unter dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). 2006 wandte er sich gegen die Fusion der Abteilungen zur Beobachtung des Links- und Rechtsextremismus durch den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und nannte sie eine „Vernachlässigung“ der Schwerpunktaufgabe Rechtsextremismus. Erst nachdem 2011 die sogenannte „Zwickauer Zelle“ enttarnt worden war, wurden die Zuständigkeiten für politischen Extremismus wieder getrennt.

Mit Nachdruck hatte im weiteren Verlauf Hartfrid Wolff (FDP) darauf hingewiesen, dass die Opfer des damaligen Anschlags in Köln „sehr früh und sehr deutlich“ geäußert hätten, dass „ein rassistischer Hintergrund sehr wahrscheinlich“ sei. Schily antwortete dazu, er gehe davon aus, dass diese Tatsache auch Gegenstand der Sicherheitsrunde gewesen war, in der er sich in seinem Haus ständig habe unterrichten lassen. Nachdem Petra Pau (Die Linke) auszugsweise den Brief einer Kurdin verlas, deren Wohnung kurz nach der Tat von Sicherheitskräften gestürmt und durchwühlt worden sei, äußerste sich Schily sehr betroffen über den Umgang von Sicherheitskräften mit Opfern und Zeugen der NSU-Straftaten.

Gar nicht ging Schily auf die Vorhaltung von Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) ein, die deutschen Sicherheitsbehörden hätten die Medienarbeit bewusst so gesteuert, dass sich der Eindruck festsetze, die Taten hätten einen normalen kriminellen Hintergrund. Stattdessen entsponn sich ein Streit zwischen Wieland und dem Ausschussvorsitzenden Edathy über die Rolle Nordrhein-Westfalens bei der Weitergabe von Informationen, in dessen Verlauf Wieland Edathy als „Verteidiger Schilys“ titulierte.

Unmittelbar vor Schily hatte der zweite Untersuchungsausschuss Ministerialdirigentin Christine Hammann befragt, die zur Zeit des Kölner Anschlags das Referat „Politisch motivierte Kriminalität rechts/links“ im Bundesinnenministerium geleitet hatte. Sie hatte kurz nach dem Kölner Anschlag in einem Vermerk an den Minister dafür plädiert, auch in Richtung politischer Hintergründe weiter zu ermitteln. Dieser Vermerk wurde allerdings von einem Vorgesetzten Hammanns mit dem Vermerk zurückgeschickt, er enthalte nichts, was der Minister nicht schon wisse. Auch Hammann konnte sich allerdings in der knapp zweistündigen Befragung kaum mehr an Einzelheiten zu erinnern.

Bild-Quelle: Wikipedia (symbolisch)

  
Bücherindex Bild Link

Weitere Inhalte