Reporter ohne Grenzen: Überwachungstechnik des Westens in den Händen von Diktatoren


Reporter ohne Grenzen

Auf der einen Seite werden meist nur autoritäre Staaten genannt, wenn es um die Unterdrückung kritischer Stimmen im Internet geht. Doch auch Unternehmen aus westlichen Staaten spielen hier eine schmutzige Rolle, um so unerwünschte Informationen im Netz jeweils Diktatoren-konform zu filtern.

In diesem Jahr geht der Bericht "Feinde des Internets" der Reporter ohne Grenzen deshalb nicht nur auf Staaten, sondern auch auf Unternehmen ein. Der Bericht wurde am 12. März 2013 zum Welttag gegen Internetzensur veröffentlicht.

In diesem heißt es etwa, dass autoritäre Regierungen zunehmend komplexe Techniken einsetzen, um so unliebsame Inhalte im Internet zu blockieren und um kritische Journalisten und Blogger auszuforschen oder diese gar zu verfolgen. In der Regel finden sich westliche Anbieter von „Sicherheits“-technologien hinter der Möglichmachung dieser Zustände.

Man liefert die nötige Überwachungsinfrastruktur und nimmt zudem billigend in Kauf, dass ihre Produkte in die Hände von notorischen Menschenrechtsverletzern geraten. Der Einsatz dieser Technologie ist schon unter strenger rechtsstaatlicher Aufsicht umstritten, doch in den Händen von autoritären Regimen verwandeln sie sich in digitale Waffen, gab das Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen, Matthias Spielkamp, in Berlin zu verstehen.

Aus diesem Grund fordert man seitens Reporter ohne Grenze erneut die EU-Staaten dazu auf, den Export von Überwachungs- und Zensurtechnik generell zu kontrollieren. Dies gelte ebenfalls für die Vereinigten-Staaten. Derartige Technologien sollten unter dem Wassenaar-Abkommen über Exportkontrollen für konventionelle Waffen und Dual-Use-Güter und -Technologien aufgenommen werden.

Der diesjährige Bericht von Reporter ohne Grenzen hebt fünf Staaten hervor: SYRIEN, CHINA, IRAN, BAHRAIN und VIETNAM - die wichtigsten, aber keineswegs die einzigen Feinde des Internets. Die Regierungen dieser Länder überwachen mit Hilfe von Späh- und Zensurtechnologie gezielt Journalisten und Medien. Damit sind sie verantwortlich für schwere Verstöße gegen die Presse- und Informationsfreiheit und andere Menschenrechte.

In CHINA etwa werden Web-Anrufe mit der lokalen Version von Skype automatisch auf Schlüsselwörter gefiltert und unter Umständen blockiert oder mitgeschnitten. 69 Blogger und Online-Aktivisten sitzen dort zurzeit im Gefängnis. Auch Telefone und E-Mail-Verkehr ausländischer Korrespondenten werden überwacht. Der IRAN treibt seit September letzten Jahres den Plan voran, ein vollständig überwachtes und zensiertes "nationales Internet" zu schaffen. Selbst Journalisten, die Präsident Mahmud Ahmadinedschad unterstützen, geraten dabei zunehmend zwischen die Fronten eines innenpolitischen Machtkampfs. Der Golfstaat BAHRAIN hat offenbar die Computer von Oppositionellen und Dissidenten mit Trojanern infiziert, die E-Mails mitlesen, Internet-Telefonate abhören und sogar auf die eingebaute Kamera zugreifen können.

Auch in demokratischen Staaten wächst die Bereitschaft, im Namen der Bekämpfung von Online-Kriminalität die Informationsfreiheit im Internet weiter einzuschränken. So wirbt die Regierung der NIEDERLANDE z.B. für ein Gesetz, das der Polizei weitreichende Befugnisse geben würde, Computer online zu durchsuchen und Daten zu löschen - sogar im Ausland. In den USA wurde im April 2012 in letzter Minute ein Vorhaben gestoppt, das die Weitergabe umfangreicher Nutzerdaten erlaubt hätte; eine überarbeitete Fassung könnte schon im Frühjahr im Kongress beraten werden.

Mit solchen Vorhaben spielen demokratische Staaten letztlich autoritären Regimen in die Hände, die mit den gleichen Argumenten Kritik an ihren eigenen Überwachungsregimen zurückweisen.

Zu den Feinden des Internets zählt der Bericht auch die IT-Sicherheitsfirmen GAMMA INTERNATIONAL (UK/Deutschland), TROVICOR (Deutschland), HACKING TEAM (Italien), AMESYS (Frankreich) und BLUE COAT (USA). Mit Produkten dieser Firmen spüren autoritäre Regime kritische Journalisten auf, nehmen sie fest und blockieren ihre Webseiten. Die Anbieter verkaufen ihre Software entweder selbst an solche Regierungen und nehmen Übergriffe damit in Kauf, oder sie haben es versäumt, den Export ihrer Software so zu kontrollieren, dass Missbrauch ausgeschlossen ist.

Immer wieder berichten Journalisten und Dissidenten aus autoritär regierten Staaten, dass sie in Verhören mit Protokollen ihrer vertraulichen Skype-Telefonate, E-Mails oder SMS-Nachrichten konfrontiert wurden. Recherchen von Journalisten und Bürgerrechtlern zufolge ist etwa in Ländern wie Syrien, Bahrain oder Libyen Überwachungstechnologie eingesetzt worden, die von westlichen Herstellern stammt.

Die Produkte mancher Hersteller (darunter Blue Coat und Amesys) sind zur flächendeckenden Überwachung des Internets geeignet. Auf diese Weise können etwa Nutzerprofile erstellt werden oder es lässt sich der Zugang zu bestimmten Webseiten oder die Suche nach einzelnen Stichwörtern blockieren. Die andere Art von Programmen (etwa von Gamma oder Hacking Team) zielt darauf, mit Hilfe sogenannter Staatstrojaner einzelne Journalisten, Blogger oder Dissidenten gezielt zu überwachen, indem die Programme etwa auf Festplatten zugreifen, Passwörter ausspionieren, E-Mails mitlesen und verschlüsselte Internettelefonate mithören. Auf diese Weise können autoritäre Regime Journalisten aushorchen, ihre Informanten aufspüren und so eine freie Berichterstattung behindern.

 

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