(C) ORG: NASA/USA/GOV, ED: Flockedereisbaer, 2010, Bild: Wikipedia (CC-by-sa 3.0/de)

Das militärische Eingreifen Frankreichs in Mali scheint auf den ersten Blick wenig mit der "Neuausrichtung" der Vereinigten-Staaten auf Asien zu tun zu haben. Da die französische Intervention von den Vereinten Nationen aber vermutlich in eine von den afrikanischen Nachbarstaaten Malis angeführte Aktion umgewandelt werden soll, die nicht nur einige Wochen andauert, sondern die Rückeroberung ganz Malis zum Ziel hat, wird sich die Einmischung der Franzosen zu einer Intervention des gesamten Westens ausweiten. In dem Konflikt um Mali geht es also um viel umfassendere strategische Interessen, die - das wird immer deutlicher - letztlich aus der Neuausrichtung der Vereinigten-Staaten auf Asien erwachsen. Die geopolitische Ausuferung der französischen Intervention in Mali auf die ganze Region wird auch durch öffentliche Statements aus London und Washington unterstrichen.
Der britische Premierminister David Cameron (UK/Conservative Party) erklärte, die Krise in Mali erfordere "eine Antwort, die eher Jahre oder sogar Jahrzehnte als Monate in Anspruch nehmen" werde. Zur Untermauerung dieser Ankündigung soll Großbritannien die Franzosen bereits mit Spezialkommandos und einem Spionageflugzeug unterstützen. Auch in Washington wird schon über einen langen Krieg geredet, der sich auf die gesamte afrikanische Sahel-Zone ausweiten könnte. Ein US-Offizieller, der sich Anfang der Woche zur westlichen Intervention in Mali äußerte, warnte: "Sie könnte lange dauern, und mit lange meine ich mehrere Jahre." Auch der deutsche Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) sprach zuletzt, im der Zeitung „Tagesspiegel“, davon, dass der Einsatz eher Jahre dauern könnte.
Diese Äußerungen spiegeln auch die Auffassung der scheidenden US-Außenministerin Hillary Clinton wider. "Das wird wohl eine sehr ernste, lang andauernde Bedrohung werden, denn der Norden Malis ist sehr groß und besteht – was die Topografie angeht – nicht nur als Wüsten, dort gibt es auch viele Höhlenverstecke, die uns an Afghanistan erinnern", merkte Clinton zur Sache an. "Wir stehen vor einem neuen Kampf, und das wird ein notwendiger Kampf sein. Das nördliche Mali darf nicht zu einem sicheren Hafen (für Terroristen) werden."
Nach einem Bericht in der Los Angeles Times kursiert der Refrain vom "sicheren Hafen" auch schon wieder in den Fluren des Pentagons. "Einige Spitzenleute und höhere Offiziere im Pentagon warnen davor, dass Mali ohne ein aggressiveres Eingreifen der USA zu einem sicheren Hafen für Extremisten werden könnte – wie Afghanistan vor den Terroranschlägen am 11. September 2001." Nachdem man die US-Öffentlichkeit mit solchen Behauptungen auf die Eröffnung einer neuen Front im "Krieg gegen den Terror" vorbereitet hat, kann die „Intervention“ der Vereinigten-Staaten in Afrika beschleunigt werden.
Nach einem Bericht der Washington Post haben die USA bereits "die Luftbetankung französischer Kampfflugzeuge und Transportmaschinen für Soldaten aus anderen afrikanischen Staaten angeboten". Geheimdienste der USA sollen schon Pläne machen, "wie die französischen Kampfflugzeuge mit besseren Zieldaten für Angriffe auf Militante versorgt werden könnten". Und Falken im Pentagon setzen sich bereits für Angriffe mit US-Drohnen ein. Nach einem Bericht in der New York Times erwägen die USA, "eine Basis für [vorerst] unbewaffnete Drohnen in Nordwestafrika zu errichten, um die lokalen Al-Kaida-Ableger und andere extremistische islamische Gruppierungen besser überwachen zu können".
Die Zeitung rechnet damit, dass die Basis wahrscheinlich nach Niger kommen wird und schreibt zudem, das Pentagon habe auch "Angriffe mit bewaffneten Drohnen nicht ausgeschlossen, falls die Bedrohung zunehme". Wie ein US-Offizieller der New York Times mitteilte, steht die Entscheidung, in Nordwestafrika eine permanente Basis für US-Drohnen einzurichten "in direktem Zusammenhang mit dem Konflikt in Mali, könnte aber gleichzeitig auch die Präsenz des Regionalkommandos der US-Streitkräfte für Afrika / AFRICOM (DE: Stuttgart) absichern.
Ob die behaupteten Al-Kaida-Aktivitäten im Norden Malis tatsächlich so bedrohlich sind, dass sie ein militärisches Eingreifen des Westens und eine permanente US-Präsenz rechtfertigen, ist überhaupt nicht erwiesen. Die Behauptung, die Al-Kaida-Kämpfer in Mali seien eine Bedrohung für den Westen, beruht einzig und allein auf der ständig wiederholten Annahme, sie könnten das afrikanische Land, wenn nicht interveniert wird, als Ausgangsbasis für Anschläge in westlichen Ländern benutzen.
Interventionen haben leicht vorhersehbare Folgen. Wie in einer Endlosschleife schaffen sie unvermeidbar zusätzliche Probleme und Krisen, die dann zur Rechtfertigung des anfänglichen Eingreifens und weiterer Interventionen dienen. Nach Hegels Dialektik „Problem-Reaktion-Lösung“. Also, Terrorfreaks in die ausgeguckten Länder einströmen lassen, um jene dann zu „befreien“ (auch von Ressourcen). Kurz gesagt, Interventionen eröffnen immer wieder Möglichkeiten für Folgeinterventionen. Während führende Politiker des Westens mit an den Haaren herbeigezogenen Begründungen ihr jüngstes militärisches Eingreifen zu rechtfertigen versuchen, wachsen die Zweifel an der Kompetenz der Streitkräfte Malis selbst.
Nach einem Bericht der New York Times hat sich die Armee Malis trotz umfassender Unterstützung durch US-Ausbilder "als so schwach und unbrauchbar erwiesen, dass sie eher die Ursache für die Krise in Mali als ein Mittel zu deren Lösung ist". Die mit der angeblich von Al-Kaida ausgehenden Bedrohung begründete Intervention des Westens in Mali beginnt schon Früchte zu tragen. Die Bekämpfung Al-Kaidas im Norden Malis ist eine perfekte Tarnung für die strategischen Intentionen der USA und ihrer Juniorpartner im Westen, die darauf abzielen, China aus ganz Afrika zu verdrängen.
Weil China dabei ist, auf dem afrikanischen Kontinent zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten zu werden, versucht der Westen, Afrika einfach zu re-kolonialisieren. In einer von WikiLeaks veröffentlichten Diplomatendepesche aus dem Jahr 2010 teilte Johnnie Carson, ein US-Staatssekretär für afrikanische Angelegenheiten, die Sorgen von John Kerry (neuer Außenministerium der Vereinigten Staaten). Carson ging sogar so weit, China als einen "sehr aggressiven und bösartigen Wirtschaftskonkurrenten ohne Moral" zu bezeichnen.
Die Verärgerung der Vereinigten-Staaten über die wachsenden chinesischen Investitionen in Afrika wurde auch während des Afrika-Besuches der US-Außenministerin Clinton im August vergangenen Jahres deutlich. Während ihrer Reise erklärte Frau Clinton mit einem klaren Seitenhieb auf China: "Anders als andere Staaten treten die Vereinigten-Staaten für Demokratie und die allgemeinen Menschenrechte ein, selbst wenn es leichter wäre, wegzusehen und Vorteile daraus zu ziehen."
Als Antwort auf die Stichelei von Clinton schoss die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua mit der Meldung zurück, Frau Clintons Reise sollte wohl vor allem dazu dienen, "Chinas Engagement auf dem afrikanischen Kontinent zu diskreditieren und seinen wachsenden Einfluss einzudämmen." Weil Peking (China) befürchten muss, dass es noch weitere Versuche zur Einschränkung seines Einflusses in Afrika geben wird, betrachtet es das Eingreifen Frankreichs in Mali nur als Auftakt für weitere Interventionen des Westens.
He Wenping von der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften warnte: "Mit der Einmischung französischer Streitkräfte in Mali soll ein neuer Interventionismus in Afrika legalisiert werden." Durch die Einmischung des Westens in Libyen hat China bereits Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Dollar verloren; außerdem wurde damit die Bühne für die gegenwärtige Intervention in Mali bereitet. Weil die USA vom dynamischen Wachstum in Asien – sprich in China – profitieren wollen, um ihr "Pazifisches Jahrhundert" (zur Einleitung der sog. „Neuen Weltordnung“) abzusichern, müssen sie auch das dynamische Wachstum in Afrika unter ihre Kontrolle bringen.
Weiterführendes:
Thomas de Maiziere: Einsatz in Mali könnte Jahre dauern
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Obama will angeblich Nuklearwaffenarsenal der USA weiter verkleinern
USA: Verstärkte Präsenz des Militärs in Lateinamerika
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De Maiziere: Bundeswehr muss bewaffnete Drohnen haben
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Konflikte: Kalter Krieg 2.0 – China und Russland gegen USA?
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via Militärregion Kaiserslautern/Ramstein LP 019/13 – 13.02.13
Bild-Quelle: Wikipedia (symbolisch)
