(C) Jan Hrdonka, 2007, Bild: Wikipedia (gemeinfrei)

Der sogenannte NSU-Untersuchungsausschuss (UA) hat nun erneut scharfe Kritik an der damals "erfolglosen" Suche nach der Anfang 1998 abgetauchten NSU-Zelle (Nationalsozialistische Untergrund) geübt.
Der UA soll die "Pannen" und "Fehlgriffe" bei den Ermittlungen durchleuchten. Seitens der eingesetzten SPD-Obfrau Eva Högl kritisierte man bei der Vernehmung des damaligen Zielfahnders Sven Wunderlich vom LKA Thüringen, dass der Informationsfluss durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wie auch innerhalb des Landeskriminalamts völlig unzureichend gewesen war.
Hier wurde im zweiten Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus, mit Meldung über den Bundestag am 31.01.2013, davon gesprochen, dass man Wunderlich und dessen Team als "dumm gehalten" hätte. Auch seitens des Unions-Sprechers Clemens Binninger (CDU) hieß es zur Sache, dass nicht ernsthaft von einer Zielfahndung "die Rede sein" kann.
Der FDP-Obmann Hartfrid Wolff "ortete" gar ein "erhebliches Chaos" in Thüringen, was die Suche nach der Jenaer Terrorzelle angeht. Von Seiten der Linken konnte durch Petra Pau vernommen werden, dass sich diese entsetzt zeigte, dass die LKA-Zielfahndung aufgrund einer Vorgabe des Geheimdiensts nicht in der rechtsextremen Szene nach der Gruppe geforscht habe.
Faktisch hätte die Leitung der geführten Ermittlungen beim Landesamt für Verfassungsschutz gelegen, monierte Christian Ströbele von den Grünen. Einer von beiden hätte gelogen, so Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD). Es würde sich widersprechende Angaben von Wunderlich und des ehemaligen LfV-Vizechefs Peter Jörg Nocken zum Informationsaustausch zwischen Geheimdienst und Fahndern geben.
In diesem Zusammenhang erinnerte Edathy daran, dass Nocken Mitte Januar 2013 im Ausschuss ausführte, wonach das LfV die Polizisten umfassend über seine Erkenntnisse zu Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe unterrichtet habe. Dem konterte Wunderlich damit, indem er anmerkte, dass diese Aussage falsch sei.
Die Informationen des Geheimdienstes waren gering, dünn und spärlich, hieß es. Zwar waren die Herren vom Landesamt für Verfassungsschutz sehr nett und freundlich, doch man wurde den Angaben zufolge "ausgetrickst", denn wirklich nützliche Hinweise für die damalige Suche nach dem Terror-Trio hätte man nicht erhalten.
Hier hatte Wunderlich ebenfalls scharfe Kritik daran geäußert, dass der Geheimdienst die Zielfahnder nicht über das Bemühen der verschwundenen Zelle unterrichtet hätte, sich Waffen zu beschaffen. "Dies hätte für uns tödlich sein können", sagte er.
Man sei damals eher davon ausgegangen, dass es sich bei der Gruppe um junge Leute handeln würde, die in der Garage Blödsinn gemacht haben. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe waren untergetaucht, als die Polizei im Januar 1998 in einer Jenaer Garage ihre Bombenbastler-Werkstatt entdeckt hatte. Zu dieser Sache wurde ebenfalls betont, dass er in den Jahren 1998 bis 2001 nichts von einer bei der Garagendurchsuchung gefundenen Liste mit Telefonnummern zahlreicher Rechtsextremisten erfahren hätte.
Für die damals eingesetzten Zielfahnder wäre dies nach Worten des Grünen-Obmanns Wolfgang Wieland aber ein "Sechser im Lotto" gewesen. Seitens Wunderlich könne man sich nicht erklären, warum die Ermittler vom Landeskriminalamt ihn über diese Sache nicht in Kenntnis gesetzt hatten. Jenes Dokument hätte er erstmals über die Medien zu Gesicht bekommen, wobei er kommentierte: "das war schon interessant".
Vor wenigen Tagen habe er bei einer erneuten Durchsicht seiner zwischen 1998 und 2001 angelegten Akten plötzlich doch die Adressenliste aus der Garage entdeckt. Edathy und mehrere Obleute äußerten den Verdacht, diese Akten könnten nachträglich „frisiert“ worden sein. Zum Erstaunen der Abgeordneten erläuterte Wunderlich, das LfV habe den LKA-Fahndern zu verstehen gegeben, sie sollten im rechtsextremen Milieu „nicht für Unruhe sorgen“.
Er bestätigte eine Vermutung Edathys, bei solchen Personen „hatte der Verfassungsschutz den ersten Schuss und erst dann haben sich die Fahnder eingeschaltet“. Der Zeuge räumte ein, auch von zwei Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) nichts gewusst zu haben, die nach dem Abtauchen des Trios das LKA in Erfurt unterstützten.
Binninger kritisierte, dass Wunderlich seinerzeit die von ihm für glaubwürdig erachtete Aussage des Vaters von Mundlos, Zschäpe sei eine „Quelle“ des LfV, nicht gründlich überprüft habe. Der Geheimdienst hatte eine solche Tätigkeit Zschäpes bestritten. „Für eine Fahrt in die Schweiz bekam ich keine Genehmigung“: So begründete der Zeuge, warum nach einem im April 1998 abgehörten Telefonat aus der Schweiz, bei dem es um das Jenaer Trio ging, BKA-Beamte und nicht er selbst im Nachbarland recherchierten.
Wunderlich berichtete von einem Gespräch Mitte des vergangenen Jahrzehnts am Rande eines Festes mit dem ehemaligen LKA-Chef Egon Luthard. Dabei habe Luthard gesagt, man hätte die Untergetauchten wohl aufspüren können, „wenn alle an einem Strang gezogen hätten“ - vielleicht hätten sie aber auch nicht gefunden werden sollen.
Zuletzt wurde in einem Medienbericht auch bekannt, dass das Bundesinnenministerium dem NSU-Untersuchungsausschuss Auskünfte über einen wichtigen V-Mann im Umfeld der Terrorzelle verweigert hätte. Nun wolle man eine Herausgabe der Informationen notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht erzwingen, so der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD). Es gehe um den V-Mann Thomas R., Deckname "Corelli".
