(C) The Official White House, 2009, Bild: Wikipedia (gemeinfrei / GOV; WK; IA)

In einem Beispiel führt man in der Washington Post (über STARS AND STRIPES) einen Fall von drei aus Europa kommenden Männern mit somalischer Herkunft an. Diese wurden den Angaben zufolge unter einem ominös-undurchsichtigen Vorwand festgehalten, als jene im vergangenen August durch den afrikanischen Staat Dschibuti reisten.
Der Grund für die Festnahme wurde den betroffenen Personen schnell klar, als sie in ihren Zellen mehrfach von US-Amerikanern verhört wurden. Man beschuldigte die Männer (zwei schwedische und ein britischer Staatsbürger), dass sie angeblich die Al-Shabaab (eine islamistische Miliz in Somalia) unterstützen.
Etwa zwei Monate nach deren Festnahme wurde vor einem US-Bundesgericht in New York Anklage gegen die Personen erhoben. Danach wurden sie (ohne Auslieferungsverfahren) dem FBI übergeben, in die USA geflogen und dort vor Gericht gestellt. Am 21. Dezember 2012 kamen die zuvor geheim gehaltenen Festnahme und die Inhaftierung der Personen ans Licht, als man jene recht kurz in einem Gerichtssaal in Brooklyn vorführte.
Dieses herausgegriffene Beispiel zeigt, dass man seitens der Obama-Regierung die Praxis der sogenannten "Renditions" (das Festhalten und Verhören von Terrorverdächtigen im Ausland ohne richterliche Anordnung und ihre anschließende Verschleppung) ganz einfach fortführt, obwohl jene illegale Praktiken seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den Jahren danach weltweit scharf verurteilt wurden.
Die "Renditions" finden zudem wieder häufiger statt, da man sich seitens der US-Administration und des Kongresses nicht auf ein legales Verfahren verständigen konnte, welches die Festnahme von mutmaßlichen Terrorverdächtigen im Ausland und ihre Überstellung an ein US-Gericht regelt.
Der Kongress hat das Versprechen des Präsidenten Barack Obama, das Militärgefängnis in der Guantánamo Bay auf Kuba zu schließen, durchkreuzt und in den bereits im vergangenen Monat verabschiedeten Defense Autorization Act neue Barrieren gegen das Aburteilen von Al-Qaida-Verdächtigen vor Zivilgerichten eingebaut. Das Weiße Haus hatte sich bisher der Forderung des Kongresses widersetzt, Verdächtige nur in Militärgefängnissen einsperren und nur von Militärgerichten aburteilen zu lassen.
Kritiker meinen, dass der Konflikt mit dem Kongress und der Mangel an Inhaftierungsmöglichkeiten dazu geführt haben, dass es die Regierung vorzieht, Terrorverdächtige gleich umbringen zu lassen, was zum vermehrten Einsatz von US-Drohen in Pakistan, im Jemen und in Somalia geführt hat. Die umstrittenen "Renditions" bieten eine der wenigen Alternativen (zur sofortigen Hinrichtung durch Raketen, die von Drohnen abgefeuert werden).
"In gewisser Hinsicht sind die 'Renditions' deshalb noch wichtiger als vorher geworden," äußerte Clara Gutteridge, die Direktorin des in London beheimateten Equal Justice Forum, einer Menschenrechtsgruppe, die das Vorgehen der Sicherheitsbehörden untersucht und die Praxis (der Renditions) verurteilt. Weil sie unter strenger Geheimhaltung durchgeführt werden, ist nicht bekannt, wie viele "Renditions" während der ersten Amtszeit Obamas stattgefunden haben.
Seine Regierung hat diese Praxis aber nie geleugnet. 2009 hat eine vom Weißen Haus eingesetzte Sonderkommission, die das Verhören und den Umgang mit Gefangenen untersuchte, der Regierung empfohlen, die "Renditions" unter strengerer Aufsicht fortzusetzen, um zu verhindern, dass Verdächtige den unter der Bush-Administration üblichen brutalen Verhörmethoden unterzogen werden. Die US-Regierung hat wenig über die Umstände verlauten lassen, unter denen die drei angeblichen Al-Shabaab-Sympathisanten inhaftiert wurden. Die meisten Gerichtsakten bleiben geheim.
In einer Erklärung des FBI und des Bundesanwaltes für den östlichen Bezirk New Yorks wurde mitgeteilt, die Angeklagten seien Anfang August auf dem Weg in den Jemen von lokalen Behörden festgenommen worden. Es wurde aber nicht gesagt, wo und warum die Festnahme erfolgte.
Das FBI ließ sich auch nicht darüber aus, ob US-Behörden auch schon vor dem 18. Oktober (2012) mit den Verdächtigen befasst waren; an diesem Tag wurde ihm von einem Bundesgericht die versiegelte Anklage gegen die drei Männer ausgehändigt. Das FBI teilte außerdem mit, die Männer seien am 14. November von FBI-Agenten übernommen worden – aber nicht wo und von wem. Der Sprecher des Bundesanwaltes für den östlichen Bezirk New Yorks reagierte weder auf eine telefonische Anfrage noch auf eine E-Mail.
Die Verteidiger der Angeklagten und andere mit dem Fall vertraute Personen sagten aus, die Männer seien in Dschibuti aufgegriffen worden, in einem Staat, der eng mit Washington verbündet ist. Das winzige afrikanische Land beherbergt eine wichtige US-Militärbasis, das Camp Lemonnier, das als Startplatz für Drohnen-Einsätze und andere Operationen zur Terrorbekämpfung dient. Dschibuti arbeitet auch bei "Renditions" schon seit Jahrzehnten mit den USA zusammen.
Das schwedische Außenministerium bestätigte, dass zwei der Männer – Ali Yasin Ahmed, 23, und Mohamed Yusuf, 29 – schwedische Staatsbürger sind und im August (2012) in Dschibuti festgenommen wurden.
Anders Jorle, ein Sprecher des Außenministeriums in Stockholm, sagte, schwedische Diplomaten hätten die Männer in Dschibuti und New York besuchen und ihnen konsularischen Beistand leisten können.
"Das bedeutet nicht, dass die schwedische Regierung von ihrer Schuld oder Unschuld überzeugt ist," betonte Jorle in einem Telefoninterview. "Das müssen US-Gerichte klären."
Rechtsanwälte, die mit der Verteidigung der Angeklagten vor dem Bundesgericht in Brooklyn beauftragt wurden, erklärten, obwohl noch keine Anklage erhoben war, seien die Männer in Dschibuti monatelang verhört worden; das wäre in den USA verboten gewesen.
"Für die Behörden in Dschibuti waren die Männer nur interessant, weil sich die USA für sie interessiert haben," stellte Ephraim Savitt, der Rechtsanwalts Yusufs fest. "Man muss kein Einstein sein, um sich das auszurechnen."
Harry Batchelder Jr., der Rechtsanwalt des dritten Verdächtigen Madhi Hashi, 23, meinte dazu: "Man könnte es auch so sagen, als sie sich in Dschibuti aufhielten, machten sie Bekanntschaft mit freundlichen Agenten des FBI und der CIA, die sich natürlich nicht zu erkennen gaben, und plötzlich standen sie als Staatenlose vor einem US-Gericht." Batchelders Klient ist in Somalia geboren und in Großbritannien aufgewachsen.
Der von den Rechtsanwälten beschriebene Fall passt in das Muster anderer "Renditions", in denen Agenten von US-Geheimdiensten auch andere Verdächtige ohne richterliche Anordnung monatelang verhört und anschließend dem FBI zur Strafverfolgung übergeben haben.
Im Dezember 2011 kam bei der Gerichtsverhandlung gegen einen anderen Al-Shabaab- Sympathisanten, den aus Eritrea stammenden Mohamed Ibrahim Ahmed, heraus, dass er in einem Gefängnis in Nigeria von einem "schmutzigen" US-Agententeam verhört worden war, das sein Recht, zu schweigen, ignorierte und ihm den Beistand eines Rechtsanwalt verweigerte.
Später wurde der Eritreer von einem "sauberen" US-Agententeam vernommen, das ihn auf seine Miranda-Rechte hinwies und darauf aufmerksam machte, dass seine Aussagen in einer Gerichtsverhandlung gegen in verwendet werden könnten. Danach wurde er in die USA transportiert und vor einem Bundesgericht in Manhattan als Terrorist angeklagt. Seine US-Anwälte bemühten sich, seine (in den ersten Verhören gemachten) Aussagen mit der Begründung zu entkräften, sie seien unter Zwang erfolgt; der Angeklagte bekannte sich aber schuldig, bevor der Richter auf ihre Einwände eingehen konnte.
Aus einer von WikiLeaks veröffentlichten Diplomaten-Depesche geht hervor, dass sich die nigerianischen Behörden dagegen sträubten, Ahmed festzunehmen, und ihn erst auf Druck der USA vier Monate lang festhielten.
Robin Sanders, der damalige US-Botschafter in Nigeria, berichtet in dieser Geheim-Depesche, dass er im Februar 2010 hohe Repräsentanten Eritreas bei einem Treffen rügen musste, weil sie Ahmed nicht länger festhalten, sondern ihn mit einem internationalen Flug entkommen lassen wollten. Erst nachdem ein US-Gericht Anklage gegen ihn erhoben hatte, wurde er Agenten des FBI übergeben.
In den jüngsten Fällen von "Renditions" aus Dschibuti bestritten die Anwälte der Angeklagten die Zuständigkeit der US-Gerichte – mit dem Argument, es gebe keinerlei Beweise dafür, dass ihre Mandanten US-Amerikaner angegriffen oder US-Interessen gefährdet hätten.
"Ich stellte dem stellvertretenden US-Staatsanwalt die 64.000-Dollar-Frage: Hat mein Mandant eine (US-)Botschaft in die Luft gesprengt?" erklärte Susan Kellman, die Ali Yasin Ahmed, einen der schwedischen Angeklagten, vertritt. "Natürlich nicht, und warum halten wir sie dann fest? Was sollen sie uns angetan haben?"
Das US-Außenministerium hat Al-Shabaab 2008 offiziell zur Terrororganisation und damit alle sie unterstützenden US-Amerikaner und Ausländer für vogelfrei erklärt. Vertreter der Obama-Administration geben allerdings zu, dass sich die meisten Al- Shabaab-Kämpfer nur am langjährigen Bürgerkrieg in Somalia beteiligen und nur ganz wenige als international agierende Terroristen einzuschätzen sind.
Savitt, der Rechtsanwalt Yusufs, gestand zu, dass sein Mandant für Al-Shabaab gegen die von den USA unterstützten Streitkräfte Somalias gekämpft hat. "Na und," meinte er, "das will ich überhaupt nicht bestreiten."
Für Savitt ist das aber kein legitimer Grund, Yusuf in den USA anzuklagen. "Was geht uns das an, warum sollten wir 10.000 Al-Shabaab-Kämpfer einsperren und vor US-Gerichte stellen," fragte er.
Schwedische und britische Behörden haben die Reisen der drei Männer nach Somalia seit Jahren überwacht, konnten aber keine Beweise sammeln, die für eine Anklage ausgereicht hätten. "Diese Burschen sind den schwedischen Sicherheitsbehörden seit Jahren bekannt," erklärte ein schwedischer Sicherheitsbeamter, der anonym bleiben wollte.
In der Vergangenheit haben schwedische Geheimdienste bei "Renditions" schon wiederholt mit US-Behörden zusammengearbeitet und ihnen Informationen über Zielpersonen geliefert. Mark Vadasz, ein Sprecher der schwedischen Sicherheitspolizei, lehnte es ab, darüber Auskunft zu geben, ob das auch bei Yusuf und Ahmed der Fall war.
Schon bevor Hashi in Dschibuti verhaftet wurde, haben britische Behörden seiner Familie mitgeteilt, dass ihm unter Hinweis auf seine "extremistischen Aktivitäten" die britische Staatsbürgerschaft entzogen wurde – was als sehr ungewöhnliche Maßnahme anzusehen ist.
Hashi und seine Familie haben dieser Anschuldigung widersprochen. Schon 2009 hat Hashi eine offizielle Beschwerde gegen die Belästigung durch den MI5, den britischen Inlandsgeheimdienst eingelegt, weil dieser ihn unter Druck als Informanten anwerben wollte.
Ein Sprecher des britischen Innenministeriums, das Hashi die Staatsbürgerschaft aberkannt hat, lehnte es ab, diese Maßnahme zu kommentieren und sich zu einer möglichen Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und den USA bei "Renditions" zu äußern.
Asim Qureshi, der geschäftsführende Direktor von CagePrisoners, einer britische Menschenrechtsorganisation, die sich für Hashi einsetzt, sagte, sein Fall biete nicht genug Anhaltspunkte für einer Prozess vor einem europäischen Gericht.
"Ein Zyniker würde sagen, dass es in den USA leichter als anderswo ist, einen Beschuldigten durch Vorlage fragwürdiger Beweise verurteilen zu lassen," meinte er. "Mit dem Vorwurf, jemand sei Al-Shabaab-Mitglied, käme man in Großbritannien nicht sehr weit. Ein Richter würde das Verfahren bereits einstellen, bevor es überhaupt eröffnet werden könnte."
Wir haben den aufschlussreichen Artikel komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in Klammern und Hervorhebungen versehen. Er lässt den Verdacht aufkommen, dass auch die Geheimdienste anderer europäischer Staaten an den völkerrechtswidrigen "Renditions" beteiligt sind. (via: LUFTPOST, aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein LP 010/13)
