(C) Jan Hrdonka, 2007, Bild: Wikipedia (public domain)

Im Fall des deutschen NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) warf man nun die Frage auf, ob Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe im Januar 1998 nach ihrem Untertauchen deshalb nicht aufgespürt wurden, weil womöglich zwischen der später zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) mutierten Jenaer Gruppe und dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Verbindungen bestanden?
Einen solchen Verdacht hegte man bereits damals bei der Geraer Staatsanwaltschaft. Zum Auftakt der Zeugenvernehmungen berichtete am vergangenen Donnerstag Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz von einem solch "ungeheuerlichen“ Verdacht". Der eingesetzte Untersuchungsausschuss soll "Fehler" und "Pannen" bei der Aufklärungsarbeit zu der dem Nationalsozialistischen Untergrund angelasteten Mordserie durchleuchten.
Es wurde durch den Zeugen ausgeführt, dass er eine Hilfestellung des Landesamts für Verfassungsschutz für das Trio zwar „nicht für wahrscheinlich“ gehalten habe, doch ein möglicher Ermittlungsansatz war durchaus gegeben. Weiter hieß es, dass es der Staatsanwaltschaft "sehr merkwürdig" vorgekommen sei, dass die ansonsten so erfolgreiche Zielfahndung des Landeskriminalamts Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe trotz intensiver Spurensuche einfach nicht habe finden können, so Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz.
Damals hatte man bereits die Vermutung, dass die Gruppierung Unterstützung erhalten könnte. Hinweise auf mögliche Hilfe aus der rechten Szene hätte es nicht gegeben. Es wurde aber der Verdacht gegen den Geheimdienst zusätzlich genährt, weil sich auch Tino Brandt als Anführer des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes (THS), bei dem einst auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aktiv waren, als V-Mann des Verfassungsschutzes entpuppt habe, was man sich in seiner Behörde lange Zeit nicht habe vorstellen können.
Seitens der Staatsanwaltschaft schickte man damals einen Brief mit 22 detaillierten Fragen an die LfV-Spitze. Hier habe man u.a. wissen wollen, ob der Geheimdienst über Erkenntnisse zum Aufenthaltsort des Trios verfügt oder ob jemand aus dessen Reihen für das Landesamt für Verfassungsschutz arbeitet.
In der Folge sei ein Vertreter dieser Behörde, nach der Erinnerung des Zeugen möglicherweise der damals amtierende Vizechef Peter Jörg Nocken, in Gera erschienen und habe alle Fragen knapp mit Nein beantwortet. Schultz: „So etwas habe ich nie mehr erlebt.“
Wolfgang Wieland warf der Staatsanwaltschaft indes vor, ebenfalls ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein. So habe man Unterlagen der Zelle, wie etwa Adressenlisten, die im Januar 1998 bei der Suche nach Bombenmaterial in drei Jenaer Garagen entdeckt wurden, nicht gründlich ausgewertet, obwohl solche Dokumente für die Zielfahnder eine „Goldgrube hätten sein können“.
Zum Erstaunen der Abgeordneten berichtete Schultz, dass Vertreter des Geheimdienstes bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in Ermittlungsakten zu Angehörigen der rechtsextremen Szene nehmen konnten. Im Gegenzug habe man aber nur wenig brauchbare Informationen vom Landesamt für Verfassungsschutz erhalten: Das sei eine „Einbahnstraße“ gewesen, „die haben uns abgeschöpft“.
Unions-Sprecher Clemens Binninger kritisierte es als „erschütternden Befund“, dass in den Neunzigern in Thüringen zwar über 100 Ermittlungsverfahren gegen Rechtsextremisten eingeleitet worden seien, die aber nur in wenigen Fällen in eine Verurteilung mündeten. Das sei „frustrierend“ gewesen, räumte Schultz ein, schließlich habe er „angeklagt, wo es nur ging“. Vor Gericht hätten die Beweise aber oft nicht ausgereicht.
SPD-Obfrau Eva Högl warf den thüringischen Sicherheitsbehörden vor, die Ermittlungen der Polizei behindert zu haben. Petra Pau (Linke) fragte, warum Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe über viele Jahre unbehelligt blieben, obwohl die Rechtsextremisten fest im Blick des Geheimdiensts gewesen seien. FDP-Sprecher Hartfrid Wolff zeigte sich verwundert, dass das LfV an dieser Szene „eng dran war“ und die Jenaer Zelle trotzdem habe untertauchen können.
Nach Angaben des Vorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) ist der Ausschuss gewillt, angesichts der Fülle der noch anstehenden Zeugenvernehmungen den Abschlussbericht des Gremiums erst in der Sommerpause zu erstellen und dann Ende August oder im September in einer Sondersitzung des Bundestags zu diskutieren. Dies müsse jetzt in den Fraktionen geklärt werden.
Bild-Quelle: Wikipedia (symbolisch)
